Witten. Am frisch sanierten Rathausflügel in Witten hängen mehrere Kameras. Die Piratenfraktion fürchtet eine unrechtmäßige Überwachung. Was ist dran?

Eine mögliche Videoüberwachung des Rathausplatzes in Witten ist schon seit Jahren ein Streitthema in der Stadt. Nun hängen am frisch sanierten Südflügel des Rathauses rund zehn neue Kameras. Das sorgt für Protest.

Die Piratenfraktion im Rat sieht darin einen unhaltbaren Zustand, der eindeutig rechtswidrig sei und gestoppt werden müsse. Sie hat einen entsprechenden Antrag für den nächsten Haupt- und Finanzausschuss Anfang November gestellt.

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Die Kameras hängen dort schon mindestens seit Sommer. Sie seien im Zuge der Sanierung installiert worden, teilt die Stadt auf Anfrage mit. Zwischenzeitlich waren sie verdeckt – auf Initiative der Piraten. „Nach Rückfrage bei der Stadtverwaltung im Juli wurden die Kameras verhüllt, so dass deutlich wurde, dass die Geräte nicht aufnehmen“, sagt Fraktionsvorsitzender Stefan Borggraefe, der die Kameras bei einem Gang ins Rathaus bemerkt hatte. Anfang Oktober waren die Abdeckungen aber wieder verschwunden.

Kameras in Witten sollen gegen Vandalismus helfen

Installiert worden sind die Kameras nach Auskunft der Stadt, um gegen Vandalismus vorzugehen. Sie würden daher auch lediglich die Hausfassade filmen. Den Piraten reicht diese Erklärung nicht. Schließlich seien vor allem an der Ruhrstraße, aber auch an der Wideystraße die Platzverhältnisse so eng, dass unweigerlich auch Passanten damit rechnen müssten, aufgenommen zu werden. Zwischenzeitlich waren die Kameras zudem Richtung Rathausplatz ausgerichtet. Aktuell zeigen sie aber nach unten. Sie seien nun so justiert, dass nur ein Bereich 60 bis 80 Zentimeter entlang der Wand aufgenommen werden könne, so die Stadt.

Überwachungskameras hängen unverhüllt am renovierten Südflügel des Rathauses in Witten.
Überwachungskameras hängen unverhüllt am renovierten Südflügel des Rathauses in Witten. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

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Von Stephanie Heske und Britta Bingmann

Doch sind die Kameras nun schon in Betrieb? Nein, versichert die Verwaltung. Sie hätten noch nicht ein einziges Bild aufgezeichnet – auch wenn es dem ein oder anderen in den letzten Tagen vielleicht anders vorgekommen sein mag. Denn die Kameras messen über Infrarotsensoren die Lichtverhältnisse – und diese leuchten. „Das heißt aber nicht, dass irgendetwas aufgezeichnet wird“, versichert Astrid Raith von der Pressestelle der Stadt.

Persönlichkeitsrechte werden laut Piraten auch bei ausgeschalteten Kameras verletzt

„Auch wenn die Kameras nur den Eindruck erwecken, eingeschaltet zu sein, ist das schon ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte“, kritisiert Piraten-Chef Borggraefe. Denn Menschen würden sich anders verhalten, wenn sie glaubten, aufgezeichnet zu werden. Die Stadt will die Geräte nun schnellstmöglich wieder abdecken, um keinen falschen Eindruck zu erwecken. Die „Tüten“ seien nur im Zuge einer Reinigung entfernt worden.

Wann die Kameras tatsächlich in Betrieb genommen werden, ist bislang völlig unklar. Das werde sicherlich noch Wochen oder sogar Monate dauern, sagt Kommunikations-Chefin Astrid Raith. Dann würden auch Hinweisschilder angebracht, die auf die Überwachungsmaßnahme hinweisen.

Das Thema Videoüberwachung ging nie durch den Rat

Durch die Kameras werden sich Bürgerinnen und Bürger in Zukunft dem Rathaus nicht mehr nähern können, ohne gefilmt zu werden, fürchten die Piraten. Sie bemängeln zudem eine mangelnde Einbindung der Politik in den Entscheidungsprozess. Denn – und das bestätigt auch die Stadt selbst – die neue Videoüberwachung war nie Thema im Rat. Sie geht noch auf die Amtszeit von Sonja Leidemann zurück.

Viele Fragen sind noch offen

Die Piraten bezweifeln, dass sich die Kameras eigenen, um Vandalismus zu bekämpfen. Graffiti-Sprayer würden meist Mundschutz tragen und zudem ihren Kopf mit Mützen bedecken, um unerkannt zu bleiben. „Was soll man da auf den Aufzeichnungen sehen können?“ fragt Borggraefe. Sinnvoller wären da etwa spezielle Anti-Graffiti-Lacke.

Vieles, was die Kameras betrifft, ist derzeit noch unklar. Etwa, welche Kosten durch Installation und Betrieb entstehen werden oder ob die Kameras nur nachts oder 24 Stunden am Tag laufen sollen. Auch ob und wie lange die Aufnahmen gespeichert werden oder ob es eine Echtzeitüberwachung durch dafür abgestelltes Personal geben soll.

Die brennendste Frage für die Piraten ist aber: Wann und in welchem Gremium wurde entschieden, die Videoüberwachung einzuführen?

Im Gebäude selbst, etwa in den Fluren, sollen sich ebenfalls Kameras befinden. Die Piraten fordern deshalb auch eine Stellungnahme des Personalrates, weil dadurch auch Beschäftigte bei ihrer Arbeit videoüberwacht werden könnten. Die Stadt verweist für die Kameras im Inneren auf ihr Hausrecht.