Witten. Die Muttentalbahn in Witten, die vor Corona jährlich bis zu 11.000 Fahrgäste beförderte, hat Probleme. Was die Zeche Nachtigall damit zu tun hat.

Den Verein Arge, der die Muttentalbahn betreibt, plagen große Sorgen. Der Grund: Ab dem neuen Jahr darf die Bahn mit ihren Fahrgästen nicht mehr auf das Gelände der Zeche Nachtigall fahren. Seitdem das Bähnchen durch das Muttental rollt, ist das Industriemuseum der traditionelle Haltepunkt. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) hat als Träger der Zeche Nachtigall jetzt den Vertrag von 2003 über den Fahrbetrieb zum Jahresende gekündigt.

Im Schreiben des LWL an Hannsjörg Frank von der Arbeitsgemeinschaft Muttenthalbahn (Arge) heißt es, dass der Landschaftsverband im Rahmen von Überlegungen „zur konzeptionellen Weiterentwicklung der Zeche Nachtigall“ derzeit keine Möglichkeit sehe, den Fahrbetrieb in der zuletzt vereinbarten Form fortzuführen. Um welche Weiterentwicklung es sich genau handelt, lässt der LWL offen.

Nach Informationen dieser Redaktion will sich das Industriemuseum voraussichtlich neu aufstellen, wenn der langjährige Museumsdirektor Michael Peters in der zweiten Jahreshälfte in den Ruhestand geht. Angeblich hat die Kündigung des Vertrages mit der Arge nichts mit dem Streit wegen des benachbarten Ritz-Geländes zu tun. Das Industriemuseum hätte einen Teil gerne für eine Erweiterung genutzt, hatte aber am Ende darauf verzichtet. Pächter der Fläche ist noch für viele Jahre die Arge Muttenthalbahn.

Wittener Muttentalbahn war im Coronajahr 2020 gar nicht unterwegs

Hannsjörg Frank von der Arge fürchtet, dass Fahrgäste ausbleiben, wenn die Muttentalbahn 2022 nicht auf dem Gelände der Zeche Nachtigall halten darf.
Hannsjörg Frank von der Arge fürchtet, dass Fahrgäste ausbleiben, wenn die Muttentalbahn 2022 nicht auf dem Gelände der Zeche Nachtigall halten darf. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

Frank und seine Mitstreiter von der Arge verstehen die Welt nicht mehr. „Was hat denn das eine mit dem anderen zu tun?“ fragt er im Bezug auf mögliche neue Konzepte fürs Museums. „Wir wollen nur an einem Sonntag im Monat auf das Museumsgelände fahren“, sagt Frank, für den die Vertragskündigung auch rein wirtschaftlich betrachtet starker Tobak ist.

Im vergangenen Coronajahr war seine Bahn gar nicht in Betrieb, in diesem Jahr bislang nur einmal - am 4. Juli. Schon da durfte die Bahn nicht bis auf das Gelände der Zeche Nachtigall rollen, sondern musste vorher stoppen. Der Grund: Ein Kleinkrieg zwischen dem Bahnbetreiber, der Arge Muttenthalbahn, und Zeche Nachtigall.

Museumsleiter erteilte „Einfahrverbot“

Michael Peters, Leiter des Industriemuseums, hatte der Arbeitsgemeinschaft mit den kleinen alten Grubenbahnen im Juni den Grund für das „Einfahrverbot“ mitgeteilt. Der Verein blockiere seit einem Jahr die Besucherparkplätze auf der Südseite des Museumseingangs. Die Parkfläche gehört zum Grundstück der ehemaligen Eisengießerei Ritz, die direkt an das Museum grenzt. Die Arge Muttenthalbahn, die bis 2059 Pächter des früheren Ritz-Geländes ist, hatte die bisher vom Museum genutzten Parkplätze im vergangenen Jahr abgesperrt – zunächst mit einem Bauzaun, dann mit Flatterband.

Seit 2003 pendelt die Muttentalbahn zwischen dem großen Parkplatz an der Nachtigallstraße und dem Museumsgelände. Dieses sei auch das Ziel der meisten Fahrgäste, weiß Frank. „Die Menschen wollen nach der Bahnfahrt entweder zur Zeche Nachtigall oder von dort aus ins Muttental laufen.“

Auch Tief Bernd hat das Bähnchen ausgebremst

Dies wird im neuen Jahr nicht möglich sein, da die Bahn dann vor dem Museumszaun stoppen muss. Und dort kann niemand aussteigen, weil es keinen Fußweg zur Nachtigallstraße, sondern nur viele Brombeersträucher gibt. Deshalb werden die Gäste mit der Muttentalbahn sofort wieder zurückfahren müssen. Hannsjörg Frank bezweifelt, dass diese das möchten und fürchtet einen massiven Rückgang der Fahrgastzahlen und damit große finanzielle Probleme für den Bähnchenbetrieb.

5000 Euro fürs Muttental

Nach den Schäden, die Tief Bernd im Juli im Muttental hinterließ, hatte das Stadtmarketing Witten zu einer Spendenaktion für die im Tal ehrenamtlich engagierten Menschen aufgerufen - darunter auch die Arbeitsgemeinschaft Muttenthalbahn. Stadtmarketing-Chefin Ingrid Nolte: „Es sind rund 5000 Euro an Spenden zusammengekommen.“

Das Geld soll in der kommenden Woche an den Wittener Arbeitskreis des Fördervereins Bergbauhistorischer Stätten übergeben werden. Dieser soll es dann verteilen. Hannsjörg Frank von der Arge ist dankbar für den Einsatz des Stadtmarketings. „Mit dem Geld können wir Firmen bezahlen, die uns nach dem schweren Unwetter geholfen haben.“

Vor Ausbruch der Corona-Pandemie hat die Muttentalbahn nach Auskunft des Vereins Arge jährlich zwischen 10.000 und 11.000 Menschen transportiert. Kein Zweifel: Sie zählt zu den Hauptattraktionen des Tals, was auch die früheren Fahrgastzahlen bei Sonderfahrten zeigten, etwa beim Muttentalfest oder dem Oldtimer-Tag auf Zeche Nachtigall. Derzeit steht die Bahn auf dem Gelände der Zeche Theresia still. Der Fahrbetrieb musste Mitte Juli eingestellt werden, weil beim Starkregen im Zuge von „Tief Bernd“ ein Hang aus Erde, Steinen und Bäumen auf den Lokschuppen des Gruben- und Feldbahnmuseums gerutscht war und dort einen großen Schaden anrichtete. Das Museumsgelände ist für Besucher seither gesperrt.

LWL-Sprecher will erneute Zusammenarbeit mit dem Verein Arge nicht ausschließen

Die Schäden, die Tief Bernd im Juli verursachte, müssen erst behoben werden. Ob die Muttentalbahn im nächsten Jahr wirtschaftlich unterwegs sein kann oder Muttental-Ausflügler auf die Fahrt verzichten, weil sie am früheren Haltepunkt Zeche Nachtigall nicht mehr aussteigen können, wird man sehen. LWL-Sprecher Markus Fischer wollte eine spätere, erneute Zusammenarbeit mit den Ehrenamtlichen der Muttentalbahn gegenüber unserer Redaktion am Freitag jedenfalls nicht ausschließen.