Witten/Hattingen/Sprockhövel. Ina Gießwein will für Witten, Hattingen und Sprockhövel in den Bundestag. Was die Grünen-Politikerin im Gesundheitssystem ändern will.
Zum Gespräch mit der WAZ kommt Ina Gießwein stilecht mit einem E-Auto angefahren. Den teilt sich die Grünen-Direktkandidatin für Witten, Hattingen, Sprockhövel, Herdecke und Wetter mit Mann und Sohn (19). „Wir müssen die Ladeinfrastruktur schnellstens ausbauen, damit auch Menschen, die in Mehrfamilienhäusern leben, mit E-Auto unterwegs sein können“, sagt die 38-jährige Schwelmerin. Das müsse die Politik flankieren und der Wirtschaft Sicherheit bieten.
Auch die Radwege im Kreis und den ÖPNV würde Gießwein, die derzeit für die Grünen im Kreistag sitzt, gerne ausbauen – damit die Menschen einfach von Ort zu Ort kommen. Ebenso die Innenstädte beleben. Doch das eigentliche Fachgebiet der Schwelmerin ist die Gesundheitspolitik. Dafür setzt sie sich bislang im entsprechenden Kreisausschuss und als Sprecherin der „Landesarbeitsgemeinschaft Gesundheit“ ihrer Partei ein. Doch wirklich gehe das nur auf Bundesebene, weil alle maßgeblichen Entscheidungen dort getroffen werden, so Gießwein. Daher auch ihre Kandidatur bei der anstehenden Bundestagswahl.
Grünen-Direktkandidatin will Umbau des Gesundheitssystem
Auf der Agenda der Grünen-Politikerin steht – selbstredend – die Einführung der sogenannten Bürgerversicherung. Auch soll das gesamte System künftig vom Patienten her gedacht werden. „Und wir brauchen Quartiersarbeit“, sagt Gießwein, die seit 14 Jahren als Logopädin arbeitet. Gemeint sind damit etwa Gesundheitszentren, in denen unterschiedliche Gesundheitsberufe zusammenarbeiten – besonders in ländlichen Regionen oder sozial benachteiligten Gegenden.
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Allgemein müssen Gesundheitsberufe aufgewertet werden, fordert Gießwein. Das gilt besonders für die Pflege – der Bereich, in dem sie nach der Wahl am liebsten „ganz schnell etwas tun“ will. Die Anzahl der Pflegekräfte etwa soll erhöht werden, die Kompetenzen ausgeweitet, die Stundenzahl auf 30 reduziert werden – bei vollem Lohn. „Pflege muss Geld kosten dürfen“, so Gießwein. Wo das Geld herkommen soll? Aus einem Fonds, für den der Staat neue Schulden aufnehmen müsse. Neue Berufsbilder sollen die klassischen ergänzen – etwa studierte Pflegekräfte, wie sie die Uni Witten in ihrem Studiengang „Community Health Nursing“ ausbildet.
„Wir können nicht reinpoltern und an allem rütteln“
Leidenschaft, Augenmaß, Verantwortung. Diese drei Begriffe stehen auf Gießweins Wahlplakaten. Erstere müsse man haben, wenn man Berufspolitikerin werden möchte, sagt die 38-Jährige. Und als solche müsse man eben auch Verantwortung übernehmen. „Das fehlt mir gerade in der Diskussion um die Situation in Afghanistan, da wird nur hin und her geschoben, anstatt Fehler zuzugeben. So möchte ich keine Politik betreiben.“ Und mit ‘Augenmaß’ würde sie die bevorstehenden Veränderungen angehen. „Denn wir haben ganz viel zu tun. Aber wir können nicht reinpoltern und an allem rütteln.“ Vielmehr gehe es darum, die großen Baustellen zu sehen, aber gleichzeitig zu wissen, wo man anfangen kann.
Auf Platz 33 der Landesliste
Mit ihrer Familie wohnt Ina Gießwein in einem Mehrgenerationenhaus in Schwelm. Geboren wurde die 38-Jährige in Herdecke, aufgewachsen ist sie in Sprockhövel, die Oma lebte in Witten, in Hattingen hat Gießwein ihre Ausbildung absolviert: „Ich bin im Wahlkreis zuhause“, sagt sie deshalb. Den möchte sie auch bei einem möglichen Sieg nicht verlassen. „Wir haben so einen schönen Kreis, das ist ein echter Schatz.“ Diese Umgebung würde sie nicht missen wollen.
Sollte es mit dem Direktmandat nicht klappen, steht Ina Gießwein auf Platz 33 (von insgesamt 80) der Landesliste der NRW-Grünen. 2017 waren zwölf Grünen-Abgeordnete aus NRW in den Bundestag eingezogen. Damals holten die Partei bundesweit 8,9 Prozent der Zweitstimmen. Aktuelle Umfragen sehen sie bei etwa 16 Prozent.
Das gelte eben auch für die Klimapolitik, bei der es darum gehe, Anreize hin zu Klimaneutralität zu schaffen. Ihrem Sohn einen gesunden Planeten zu hinterlassen, war 2002 für Ina Gießwein auch die Motivation, bei den Grünen einzutreten. „Die 20. Bundesregierung ist die letzte, die das 1,5 Grad-Ziel halten kann“, sagt sie nachdrücklich. Die verheerende Flutkatastrophe in Deutschland, die Brände in vielen Teilen der Welt: „Das ist der skizzierte Klimawandel, der eingetreten ist.“ Dem Planeten sei es egal, ob der Mensch nun das Klima schütze oder nicht – aber dem Menschen eben nicht. „Ich glaube, viele haben das verstanden.“
Natürlich mache Neues immer auch Angst. „Aber die Natur zeigt uns, dass wir handeln müssen“, so Gießwein. Politikerinnen und Politiker müssten deshalb auch ansprechbar und im Dialog mit den Bürgern sein. Immer das Ohr im Wahlkreis zu haben, hat sich die 38-Jährige daher auch für einen möglichen Einzug in den Bundestag vorgenommen. Wie ihre Chancen stehen, darüber möchte die Kandidatin nicht spekulieren. „Ich erkläre meine Ziele und hoffe einfach, dass viele mitgehen.“