Witten. Endlich wieder Zwiebelkirmes in Witten! Gerade Eltern sind froh, ihren Kindern wieder was bieten zu können. Die Redaktion fing die Stimmung ein.

Nebel steigt auf. „Jetzt, jetzt, jetzt geht’s zur Sache!“ ruft der Mann hinter der Scheibe am großen Breakdance. Noch einmal wirbeln die kleinen Gondeln mit einem Affenzahn durch die milde Spätsommerluft. Es blinkt blau und rot und die Bässe wummern. Da ist es, das lang ersehnte, schmerzlich vermisste Kirmesgefühl von unbeschwerter Lebensfreude, und wenn das Glück nur fünf Karussellminuten dauert. Corona? Für einen Augenblick fast vergessen. Es ist Zwiebelkirmes! Und wie.

Wenn der Nebel aufsteigt, geht’s auf dem großen Breakdance in Witten noch einmal richtig zur Sache.
Wenn der Nebel aufsteigt, geht’s auf dem großen Breakdance in Witten noch einmal richtig zur Sache. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

Zwar ist die Ruhrstraße diesmal wegen der Pandemie nicht eingebunden. Sie bleibt aber auch nicht ganz außen vor. Jazz-Musik und ein paar historische Schautafeln im Voßschen Garten weisen auf den Rummel nebenan am Saalbau hin. Stelzenläufer in Rot und Grün künden von dem Spektakel, das nur einen Steinwurf entfernt liegt.

Schausteller aus Witten: „Ein Supergefühl, und das auf der Heimatkirmes“

Und mit der Sonne, die am Sonntag gleich morgens rauskommt, ist auch der dritte Kirmestag in Folge gerettet. „Ein Supergefühl, und das auf der Heimatkirmes“, beschreibt Thomas Grass die Rückkehr zum fast normalen Schaustellerleben. Was haben sie für eine harte Zeit hinter sich: Anderthalb Jahre Däumchen drehen, nichts verdient, mal abgesehen von den kleinen, eher kläglichen Versuchen kurzfristig aufgelegter „Pop up“-Veranstaltungen wie im Vorjahr dem „Zwiebelino“ als Ersatz für die ausgefallene 596. Zwiebelkirmes. Doch das ist alles vergessen an diesem Wochenende.

Die Kirmesmeile fängt in Höhe des Amtsgerichts an und zieht sich erst in Laufrichtung Busbahnhof den großen Saalbau-Parkplatz entlang. Wo sonst am Breakdance und Kettenkarussell Schluss war, geht’s jetzt weiter bis zur riesigen Losbude „Glücksprinz“, wo die Marschroute dann einen Knick nach links macht und sich zurück bis zum Parkplatz des Parkhotels erstreckt.

Man hat nicht den Eindruck, dass pandemiebedingt auf irgendetwas verzichtet wurde. Eher kommt es einem vor, als gebe es mehr Karussells und Buden. Vielleicht ist das ja auch dem Verzicht geschuldet, der einem nun alles größer, bunter, lauter und fröhlicher vorkommen lässt.

Besucherin aus Witten spricht von einem „befreienden“ Gefühl

„Befreiend“ nennt eine jüngere Frau das Gefühl, nach zwei Jahren erstmals wieder eine Kirmes zu besuchen. „Die Kinder sind auf jeden Fall wieder glücklich“, sagen Claudia (27) und Andreas (27). Das rosa Schweinchen haben sie mit der „Kralle“ am gleichnamigen Stand für Töchterchen Jamina (5) zwar nicht zu fassen bekommen. Trotzdem strahlen alle, als wäre morgen Weihnachten.

Mickymaus tanzt auf roten Herzchenballons am Kinderwagen, Seifenblasen steigen in die Höhe, Papa mampft den Nutella-Crepe zuende und am blinkenden „Glücksprinz“ ruft der Anheizer zwischen den riesigen Stofffiguren: „Neue Lose, neues Spiel, Achtung, Freunde!“

Vieles auf der Zwiebelkirmes in Witten kostet um die drei Euro

Es gibt viele Essstände, von Kartoffelspiralen bis zur Bratwurst im Brötchen. Alles liegt um die drei Euro, für das Urlaubsgefühl mit „Frikandel Spezial“ legt man auch 4,50 Euro hin. Wie die gebrannten Mandeln schmecken? „Gut, aber sie sind leider kalt“, sagt Vater Cihan (36). „Aber Hauptsache, den Kindern wird „mal wieder was zum Rauskommen“ geboten.

Fertig zum Abheben: Der „Air Race“ gehört zu den großen Karussells in der hinteren Reihe auf dem Saalbau-Parkplatz in Witten.
Fertig zum Abheben: Der „Air Race“ gehört zu den großen Karussells in der hinteren Reihe auf dem Saalbau-Parkplatz in Witten. © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

Die Kids und Teenager kreischen, als sie der „Air Race“ mit der langen Sitzreihe immer schneller hoch- und runter drückt. Wie die rasante Fahrt war? „Verrückt“, antwortet die elfjährige Caroline. Das sei die erste richtige Kirmes, die er seit dem Lockdown erlebe, sagt Karussellbetreiber Willi Voß (26) aus Wolfsburg. Das sei mit nichts vergleichbar. „Diese Lebensfreude gibt’s nur hier!“

Michael aus dem Bergischen besucht bis zu 400 Jahrmärkte im Jahr

Ein paar Meter weiter schlängelt sich eine kleine Achterbahn im „Crazy Jungle“, im verrückten Dschungel, über die grünen Stahlschienen, die sechs gelben Wagen sind alle besetzt. Nebenan füllt sich die „Zeit-Maschine“ zwar nur schleppend, aber der Ansager gibt nicht auf. „Es tut schon wieder weh“, schallt Musik aus den Lautersprecherboxen. Michael aus dem Bergischen ist einfach nur glücklich. „Das ist Kirmes“, sagt der 47-Jährige, der in normalen Zeiten bis zu 400 Jahrmärkte im Jahr besucht.

Zur Krönung gibt’s am Samstagabend noch das Feuerwerk vom Saalbaudach. Zwischen den Raketen, die den Himmel grün und rot färben, hört man Applaus. Beifall für die 597. Zwiebelkirmes.