Witten. Weniger Aufträge und Kurzarbeit: Corona trifft auch den Wittener Stahlhersteller Lohmann. Warum man dort dennoch positiv in die Zukunft blickt.

In der Stahlbranche kriselt es gewaltig – nicht erst seit Corona. Das bekommt auch das Wittener Traditionsunternehmen Friedr. Lohmann im 230. Jahr seines Bestehens zu spüren. Auftragseinbrüche und Kurzarbeit begleiten die Werke in Herbede und Annen seit Monaten. Dennoch blickt die Geschäftsführung sehr positiv in die Zukunft.

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„Wir hatten zuvor zehn starke Jahre“, sagt Gunnar Lohmann-Hütte, der zusammen mit seiner Schwester Schwester Katja Lohmann-Hütte und beider Cousin Friedrich Lohmann-Voß das Stahlwerk leitet. Man müsse sich in den guten Zeiten für die schlechten wappnen. „Und das haben wir getan.“ Vor dem konjunkturellen Einbruch, der schon im Sommer 2019 begonnen hat, liefen die beiden Standorte der Lohmanns auf Hochtouren. Überstunden und Sonderschichten waren an der Tagesordnung.

Auslastung der Werke von Friedr. Lohmann in Witten liegt derzeit zwischen 70 und 80 Prozent

Derzeit sei die Auslastung auf 70 bis 80 Prozent abgesunken. Kurzarbeit habe man bereits für März angemeldet – vor dem großen Corona-Einbruch. „Denn da war schon klar, dass es ein schlechtes Jahr wird“, sagt Friedrich Lohmann-Voß, im Dreier-Führungsteam zuständig für die technische Seite. „Aber dass es so schlimm wird, hat keiner erwartet.“

Ein Stahlwerker kontrolliert die Aufheizung der Gießpfanne der Gießerei Lohmann in Witten. Das Unternehmen produziert unter anderem Messer für die Industrie und Material für die Automobilindustrie - und kommt verhältnismäßig gut durch die Corona-Krise.
Ein Stahlwerker kontrolliert die Aufheizung der Gießpfanne der Gießerei Lohmann in Witten. Das Unternehmen produziert unter anderem Messer für die Industrie und Material für die Automobilindustrie - und kommt verhältnismäßig gut durch die Corona-Krise. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Besonders die Gießerei in Annen ist durch die Corona-Krise betroffen. Denn das Werk erhält viele Aufträge von der Autoindustrie. „Indirekt trifft es aber alle Bereiche“, so Gunnar Lohmann-Hütte. Deshalb sei man auch um Blockstillstände und verlängerten Wochenenden nicht herum gekommen. „Geld verdienen wir aktuell nicht“, räumt der 42-Jährige ein.

Geschäftsführung sieht bereits „Licht am Ende des Tunnels“

Aber der Geschäftsführer sieht „Licht am Ende des Tunnels“. Schon jetzt könne man teilweise die Kurzarbeit wieder zurückfahren. Und seit Oktober würde man bei den Aufträgen für Stabstahl-Produkte – etwa für den Werkzeugbau – eine klare Erholung erkennen. „Das ist oft ein Indikator. Dieser Bereich geht in der Krise als erstes runter, aber auch als erster wieder raus.“

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Dass das Familienunternehmen mit Sitz an der Ruhr im Branchenvergleich gut durch die Corona-Krise kommt, liegt auch an seiner Vielfältigkeit. „Wir bedienen die Nische in der Nische“, so Lohmann-Hütte. In der Krise war etwa die Nachfrage nach Lohmann-Stahl aus der Verbraucher- und Lebensmittelindustrie stabil oder hat sogar zugenommen. Das verwundert nicht, bedenkt man etwa, dass 80 Prozent aller Klopapierrollen weltweit mit Messern aus dem Herbeder Stahl geschnitten werden.

Familiäre Strukturen helfen durch die Krise

„In der Krise kann man nur reagieren, seine Hausaufgaben muss man davor machen“, sagt Lohmann-Hütte . Man habe bereits nach der Krise 2009 vermehrt auf Bereiche gesetzt, die weniger stark von konjunkturellen Schwankungen betroffen sind. Auch die familiären Strukturen innerhalb der Firma und nach außen helfen. „Wir haben eine ganz andere Kundenbindung“, so der kaufmännische Geschäftsführer. „Wir sind unheimlich nah dran und können schnell reagieren.“

Gießerei soll vollständig CO2-neutral werden

Für das laufende Jahr rechnet das Stahlwerk mit einem Umsatzeinbruch von 25 Prozent. Statt 80 Mio Euro wie im vergangenen Jahr, wird das Unternehmen also voraussichtlich nur 60 Mio Erlös einfahren. Das liege auch stark am Preisverfall auf dem Markt. „Unsere Lagerbestände sind plötzlich deutlich weniger Wert“, sagt Gunnar Lohmann-Hütte. Das werde noch eine große Herausforderung.

In Zukunft wolle man sich noch breiter aufstellen und überprüfen, welche neuen Standbeine für das Unternehmen möglich sind. Neue Märkte zu identifizieren und zu erschließen dauere aber fünf Jahre, so Lohmann-Hütte.

Ein Nahziel hat sich die Firma aber schon gesteckt: Die Gießerei in Annen soll komplett CO2-neutral werden.

Und auch die Belegschaft stehe hinter den Maßnahmen. 375 Menschen arbeiten für Lohmann, davon 270 in der Produktion. In der Krise zeige sich, wie gut das Verhältnis zwischen Führungsebene und den Angestellten sei. „Bei uns geht viel über Vertrauen“, sagt Gunnar Lohmann-Hütte. Bald soll eine Lohmann-App die Kommunikation mit den Mitarbeitern noch zusätzlich erleichtern. In den vergangenen Monaten habe man auch befristete Verträge verlängert und in der Verwaltung sogar neue Mitarbeiter eingestellt. „Wir haben keine Angst, was die Zukunft betrifft. Irgendwann muss der Markt wieder anspringen.“

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