Witten. . Das Familienunternehmen Friedr. Lohmann prägte die Witten. Heute nutzt jeder Wittener täglich Produkte, die mithilfe von Lohmann-Stahl gefertigt wurden. Die Firma wird von einem Dreiergespann in siebter Generation erfolgreich geführt.
Über die Herbeder Firma Friedr. Lohmann könnte man so viel schreiben, man bräuchte eine ausklappbare Zeitungsseite. Witten ist Lohmann-Stadt, seit der Gründung der Gussstahlfabrik 1790 auf Haus Witten. Die Lohmanns trieben den Bergbau voran, sorgten für die Anbindung Wittens an die Eisenbahn, stifteten das Märkische Museum und den Helenenturm. Auch das Bosch-Rexroth-Werk hat lohmännische Wurzeln. Erzählen wir doch mal was Neues über Wittens zweitältestes Familienunternehmen. Wie wäre es damit: 80 Prozent aller Klopapierrollen weltweit werden mit Messern aus Lohmann-Stahl geschnitten.
Ohne Lohmann würde es fusseln, denn es ist eine Kunst, Tissue und Papprolle mit sauberer Kante zu trennen. Etliche Verbrauchsgüter wären ohne den hochwertigen Lohmann-Stahl nicht herstellbar. Das Material steckt in Messern für die Herstellung von Bierflaschen, um Käse oder Wurst blitzschnell in Scheiben schneiden, Autoteppiche herzustellen oder Fensterprofile zu pressen, Yoghurtdeckel auszustechen oder die Zackenlinie der Gummibärchentüten auszustanzen.
Marktführer für Dönermesser kauft Stahl bei Lohmann
„Jeder Wittener ist tagtäglich mit Produkten in Kontakt, die mit Lohmann-Stahl hergestellt wurden“, sagt Katja Lohmann-Hütte, eine der drei Geschäftsführer. Der Marktführer für Dönermesser kauft bei Lohmann Stahl ein oder die Produzenten von Damenbinden. Sie suchen ein Material, dass da zum Einsatz kommt, „wo’s schnell und heiß ist“, so Gunnar Lohmann-Hütte. „Mit unseren hochlegierten Edelstählen bedienen wir eine Nische in der Nische.“ Inzwischen setzen die Lohmanns auf die Verbraucher- und Foodindustrie: Die ist nämlich konjunkturstabiler als beispielsweise die Metallkreissägen-Industrie.
200 verschiedene Stahl-Qualitäten stehen im Familien-Rezeptbuch, denn gutes Stahlkochen ist im Prinzip das, was ihren Erfolg ausmacht: „Das ist so ähnlich wie eine Backmischung“, schmunzelt Gunnar Lohmann-Hütte. Also: Man nehme Schrott, gebrauchte Werkzeuge und würze sie mit Nickel, Wolfram, Kobalt, Chrom oder Molybdän – für die Legierung. Der Teig wird anschließend in eine Form gegossen, zu Blöcken oder Stäben geschmiedet oder zu Blechen gewalzt.
Produktion auf Herbeder Ruhrinsel verlegt
Bei Lohmanns im idyllischen Ruhrtal 2 sieht es ein wenig aus wie im Freilichtmuseum. Vorn passieren Radfahrer, Inliner, Gassigeher. Rechts steht die alte Kornmühle, die nun das Firmenarchiv beherbergt, links die Industriellenvilla. Mittig thront ein Backsteinbau über dem Mühlengraben. 1860 entschied sich Friedrich Lohmann der Dritte, die Produktion von Haus Witten auf die Herbeder Ruhrinsel zu verlegen. Ein Glücksgriff aus heutiger Sicht: Noch immer bestreitet die Firma ein Sechstel ihres Energieverbrauchs aus Wasserkraft - damit könnte man 1500 Haushalte mit Strom versorgen.
Die Größe des Unternehmens mit seinen 350 Mitarbeitern, die einen Umsatz von 80 Mio Euro erwirtschaften, erahnt man am schmalen Firmeneingang nicht. 600 Meter erstreckt sich das Werk nach hinten. Vor dem einstigen Lohmann-Wohnhaus, nun Sitz der Verwaltung, wurde kürzlich ein ausrangierter Schmiedehammer aufgestellt. Ein tolles Zeugnis der Industriekultur, das ebenso wie das gediegene historische Interieur der Fabrikanten-Villa zu sagen scheint: Bewährtes bleibt!
Siebte Generation lenkt nun Geschicke
Ein Dreiergespann leitet die Friedr. Lohmann GmbH: Friedrich Lohmann-Voß (43), der die technische Seite betreut, sein Großcousin Gunnar Lohmann-Hütte (36), zuständig für Controlling und EDV und dessen Schwester Katja (40), die den Vertrieb leitet.
Begleitet man die „Chefs“ übers Firmengelände, kann man staunen: Fast familiär geht’s da zu, mit den Angestellten wird gescherzt. „Einmal Lohmann, immer Lohmann“, erklärt Gunnar Lohmann-Hütte einen Leitspruch der Firma: „Wer einmal flüssigen Stahl gesehen hat, ist angefixt.“ Sichtlich stolz sind sie auf ihre Mitarbeiter, aber ebenso auf ihre Familien- und Firmengeschichte. Unvorstellbar ist es geradezu, den Standort Witten zu verlassen.
In der siebten Generation wird das Stahlunternehmen nun geführt, glücklicherweise gab es stets jemanden in der Familie, der weder verkaufen wollte noch die Firma schlecht managte, und nie wurde ein Geschäftsführer von außen eingesetzt. Die Brüder Friedrich und Waldemar in der fünften Generation waren kinderlos, vermachten das Unternehmen aber an die Neffen Eckart Lohmann-Voß, Vater von Friedrich, und Günter Lohmann-Hütte, Vater von Gunnar und Katja.
Auch eine achte Generation gibt es bereits: Friedrich Lohmann-Voß ist Vater eines Sohnes, Katja Lohmann-Hütte hat zwei Kinder und Gunnar Lohmann-Hütte wird im Februar Vater.
Nicht im elterlichen Betrieb weiterzumachen stand für die jetzige siebte Generation außer Frage: „Dass unsere Vorgänger mit solch’ einer Leidenschaft und Liebe für die Firma gekämpft haben, diese Begeisterung bleibt im Kopf“, sagt Katja Lohmann-Hütte. Die Bodenständigkeit ihrer Vorgänger möchten sie bewahren: „Wenn man so eng mit seinem Unternehmen verwurzelt ist, riskiert man als Unternehmer weniger, als es ein externer Manager täte. Seine Familie setzt man nicht so leicht aufs Spiel.“