Witten. Mit der Ruhe im Ruhrtal ist es vorbei: Im Bahnhof Witten-Herbede wird seit Monaten täglich Holz verladen. Was der Gleisbetreiber weiterhin plant.

Die Wiederbelebung des Herbeder Bahnhofs in Witten als Umschlagplatz für Güter läuft besser als gedacht. Das Verladen von Holzstämmen für den Weitertransport in alle Welt wird erst Anfang 2022 eingestellt. Das war erst der Anfang. Die Betreibergesellschaft der bislang wenig genutzten 17-Kilometer-Bahnstrecke zwischen Hattingen, Herbede, Bommern und Wengern will die Frequenz auf den Gleisen dauerhaft erhöhen und den Güterbahnhof ausbauen.

Mit Greifarmen werden die Baumstämme in die Waggons umgeladen. 1500 Tonnen Holz befördert ein einziger Zug. Einmal pro Woche fährt ein solcher vom Bahnhof in Witten-Herbede ab.
Mit Greifarmen werden die Baumstämme in die Waggons umgeladen. 1500 Tonnen Holz befördert ein einziger Zug. Einmal pro Woche fährt ein solcher vom Bahnhof in Witten-Herbede ab. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

Gegenüber dem Seniorenzentrum am Alten Rathaus stapeln sich die Baumstämme schon wieder mehrere Meter hoch. Mit Lkw werden diese nach Herbede gefahren und dort in einen 500 m langen Güterzug, mit rund 30 Waggons geladen. Einmal die Woche heißt es dann: Abfahrt für 1500 Tonnen Holz, zunächst gen Österreich. Kaum ist der Zug weg, wird nachgestapelt, schließlich: „Das ganze Sauerland liegt noch voll Borkenkäfer-Fichten“, sagt Bernd Haberhausen, Geschäftsführer der Touristik Eisenbahn Ruhrgebiet GmbH (TER), die die Strecke betreibt.

Güterwaggons versperren Seeblick

Die Herbeder Anwohner, vor allem die im Seniorenzentrum am Alten Rathaus, haben sich das so nicht vorgestellt. Als die seniorengerechten Wohnungen 2017 bezogen wurden, lag der Bahnhof noch im Dornröschenschlaf, mitten im grünen Ruhrtal. „Zeitweise ist es nun sehr laut, mitunter auch nach 22 Uhr“, sagt eine Mitarbeiterin des Seniorenzentrums. Zwischen dem Gebäude und den Lkw mit ihren Greifarmen, die die Stämme mit lautem Knall in die Waggons umladen, liegen nur wenige Meter. Der Blick geht nun nicht mehr gen Stausee, sondern auf Stahlwaggons.

Museumszug fährt ab Juli wieder

Die TER ist eine Tochter des Regionalverbands Ruhr und Betreiber der 17-Kilometer-Eisenbahnstrecke durch das Ruhrtal, die Verbindung von Hattingen nach Wengern-Ost. Diese Strecke stellt in Verbindung mit anschießenden Strecken der DB-Netze die Verknüpfung zwischen dem Eisenbahnmuseum Bochum-Dahlhausen und dem Hauptbahnhof Hagen dar.

Den Wittenern dürfte die Strecke durch die Museumszüge bekannt sein, die erst das Eisenbahnmuseum Dahlhausen organisierte, später die Ruhrtalbahn. Seit 2019 fährt hier das Unternehmen Railflex. Dampfzug und Co. nehmen wahrscheinlich im Juli wieder Fahrt auf. Weil man nach den Coronaschutzauflagen nur wenig Passagiere hätte mitnehmen dürfen, hätten sich die Fahrten vorab nicht gerechnet.

Auf dem Abschnitt Hattingen–Wengern-Ost wurde der öffentliche Personenverkehr 1971 eingestellt. Zurzeit prüft der EN-Kreis, ob sich die Strecke wieder nutzen ließe.

Die Bahnstrecke wurde bislang nur von drei Unternehmen genutzt: Werktäglich fahren Güterzüge der DB-Cargo für die Spedition Kerkemeier in Hattingen und den Metallschrotthändler Bötzel in Herbede. Am Wochenende verkehrt in der Sommersaison außerdem der Museumszug, also Dampflok oder Schienenbus, auf der landschaftlich schönen Strecke. Außerdem nutzt die Hattinger Lokfabrik Reuschling die Gleise für Testfahrten. Im März 2021 nahm dann das Eisenbahnunternehmen Railflex aus Ratingen die Arbeit im Herbeder Bahnhof auf, mit der Ruhe war’s damit passé.

Drittes Gleis könnte reaktiviert werden

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„Die Stecke und der Bahnhof sind als öffentliche Eisenbahninfrastruktur konzessioniert“, antwortet TER-Chef Haberhausen auf die Klagen über Lärmbelästigung. „Theoretisch könnten dort 24 Stunden am Tag Züge fahren.“ Tatsächlich könnten es bald mehr werden. „Wir überlegen, Fördergelder zu beantragen, um die Gleisanlagen zu optimieren“, sagt Haberhausen. Nur zwei der fünf Gleise würden zurzeit genutzt, ein drittes könnte reaktiviert werden. Auch Anschlüsse, zum Beispiel an die Ruhrtaler Gesenkschmiede, liegen zurzeit brach. Für die Reaktivierung von Gütergleisen gibt es erhebliche Fördermittel. Schließlich nimmt jeder Kilometer Gleis Lkw von der Straße. Das Argument Klimaschutz befeuert diese bundesweite Trendwende, denn bislang wurden Schienenstrecken eher aufgegeben.

Für die TER hängt der Ausbau vor allem davon ab, wie hoch die Eigenmittel sind, an die die Förderungen geknüpft sind. „Fakt ist aber: Das wäre ein Millioneninvest“, so Haberhausen. Dazu passen die Neubaupläne zu den Herbeder Ruhrbrücken. Diese sehen einen „gewerblichen Abzweig“ vor, über den das Bahngelände besser mit Pkw oder Lkw angefahren werden kann. Die TER ist zwar primär daran interessiert, ihre Gleise wirtschaftlich zu betreiben, sie möchte aber auch „mehr touristische Verkehre auf diese Strecke bekommen“.

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Im Zuge der Internationalen Gartenbauausstellung IGA 2027 wird das Ruhrtal touristisch aufgewertet. Der Haltepunkt Herbede für den Personenverkehr wird dazu ein Stück in Richtung Haus Herbede verlegt und bekommt außerdem eine offizielle Gleisüberquerung für Fußgänger und Radfahrer in Richtung Stausee – als Alternative zum derzeitigen Tunnel an der Wittener Straße. Die Chancen für mehr Leben rund um den Bahnhof stehen also nicht schlecht.