Witten. Der mögliche Betrug mit Corona-Schnelltests verärgert Wittener Betreiber von Testzentren. Kritik gibt es aber auch an den laxen Vorgaben.

Eine in Bochum ansässige Firma steht im Verdacht, bei der Abrechnung von Corona-Schnelltests betrogen zu haben. Dem Unternehmen wird vorgeworfen, deutlich mehr Abstriche bei der Kassenärztlichen Vereinigung angegeben zu haben, als es tatsächlich durchgeführt hat. In Witten stößt der mögliche Betrug auf deutliche Kritik.

„Ich war schockiert, als ich das gehört habe“, sagt etwa Mürvet Kesmen, die das Testzentrum in der Stadtgalerie betreibt. „Es ist traurig und ärgerlich, dass jemand so etwas nötig hat.“ Nun fühle sie sich, als würde sie unter Generalverdacht stehen, es sei keine angenehme Situation. Ähnlich sieht man das auch beim Roten Kreuz, das in der Werkstadt Schnelltests anbietet. „Es ist ärgerlich, im Endeffekt wird das jetzt bei allen Zentren diskutiert. Aber wer ehrlich abgerechnet hat, braucht sie auch keine Sorgen machen“, sagt DRK-Sprecher Jens Struppek.

Anbieter müssen nur Anzahl der Tests melden

Die Schwachstelle im System: Anbieter müssen an die Kassenärztliche Vereinigung nur die Zahl der durchgeführten Tests durchgeben – ohne weitere Nachweise. Man wickle also „sozusagen den Zahlungsverkehr ab“, teilt eine Sprecherin der KVWL auf Anfrage mit. Und zwar gemäß der entsprechenden Verordnung des Bundes. Eine Prüfung sei weder vorgesehen noch möglich. Denn die Angaben, die die Test-Anbieter übermitteln, dürften wegen datenschutzrechtlicher Hürden keinen Bezug zu den getesteten Personen aufweisen.

„Das System lädt zum Betrug ein“, urteilt Dr. Matthias Thöns, der das Test-Drive-in auf dem Ostermann-Parkplatz leitet. Privat geführte Testzentren müssten mehr oder weniger nur eine Excel-Tabelle befüllen. Die Abrechnung der Tests sei „anfällig für schwarze Schafe“, sagt auch Michael Trubitz. Er organisiert das Testzentrum in der Apotheke am Ring in Bommern. Es gebe gewisse Hürden, eine Teststelle an den Start zu bringen, dafür sei dann die Abrechnung sehr unbürokratisch. „Aber das war ja ein stückweit auch so gewollt, damit Infrastruktur schnell aufgebaut werden konnte“, sagt der 46-Jährige.

Fragen rund um Kontrolle und Zuständigkeiten nicht eindeutig geregelt

Darauf verweist auch der Kreis. „Testzentren sollten schnell und pragmatisch innerhalb weniger Tage entstehen können“, heißt es aus Schwelm. Fragen rund um die Kontrolle der Abrechnungen und Zuständigkeiten seien dabei nicht eindeutig genug geregelt worden. Bundes-Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sieht bei der Kontrolle hingegen vor allem die Gesundheitsämter in der Pflicht.

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Dagegen stellt sich das hiesige Amt. Solche Kontrollen durchzuführen sei „faktisch unmöglich“. Denn man habe keinerlei Zugriff auf die Daten der Abrechnungen. So bliebe nur die Möglichkeit, an Testzentren zu zählen, wie viele Personen dort getestet werden und diese Zahl am folgenden Tag mit den gemeldeten Daten abzugleichen. „Dies ist personell aber kaum bis gar nicht zu leisten“, so der Kreis. Die Mitarbeiter stünden ohnehin seit über einem Jahr unter einer hohen Dauerbelastung.

Schnelltests gibt es an 49 Stellen in der Stadt

49 Schnelltest-Stellen gibt es in Witten, im ganzen EN-Kreis sind es 144. Nach einer Verordnung des Landes NRW müssen die Betreiber die Daten der bei ihnen getesteten Personen drei Jahre lang speichern. Auch müssen bei Bedarf die Anschaffungskosten der Tests nachgewiesen werden.

Am Montag einigten sich die Gesundheitsminister von Bund und Ländern darauf, Corona-Testzentren künftig schärfer zu kontrollieren. Auch soll die bundesweit geltende Testverordnung kurzfristig angepasst werden, um Betrug zu erschweren.

„Die Testzentren sind eine dringend benötigte Infrastruktur“, stellt Bürgermeister Lars König klar. Er gehe davon aus, dass die Anbieter in Witten allesamt seriös arbeiten. Wegen der Bedeutung für die Pandemie und damit für die Gesundheit der Bürger würde die Stadt aber bei Verdacht Hinweisen nachgehen und Wege suchen, um Kontrollen durchzuführen, verspricht König.