Düsseldorf. War der Wildwuchs bei Testzentren vermeidbar? Kutschaty fordert Konsequenzen von der Landesregierung. Gesundheitsminister beraten am Montag.
Ein möglicherweise groß angelegter Abrechnungsbetrug bei Corona-Bürgertests zieht immer weitere Kreise. Der Oppositionsführer im NRW-Landtag, SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty, hat die Landesregierung am Wochenende zu Konsequenzen aufgefordert. „Wir erwarten, dass die Landesregierung jetzt alles dazu beiträgt, für Aufklärung zu sorgen, das Steuergeld zurückzuholen und möglichem Missbrauch einen Riegel vorzuschieben“, sagte Kutschaty unserer Redaktion.
Die SPD-Landtagsfraktion macht auch die fehlenden Rahmenbedingungen für den Wildwuchs bei den Testzentren verantwortlich. „Die Landesregierung hat keine Gelegenheit ausgelassen, sich selbst für die Test-Infrastruktur im Land zu rühmen, nachdem wir sie monatelang dazu aufgefordert hatten, die entsprechenden Vorkehrungen zu treffen“, kritisierte Kutschaty. Passiert sei lange nichts, bis es auf einmal mit Testmöglichkeiten habe ganz schnell gehen müssen: „Das scheint Tür und Tor geöffnet zu haben.“
18 Euro für einen Test, den es nie gegeben hat?
Der Rechercheverbund aus WDR, NDR und Süddeutsche Zeitung hatte zuvor berichtet, dass die Vergütung von Corona-Bürgertests großangelegten Betrug ermögliche. Die wie Pilze aus dem Boden schießenden Teststellen könnten ohne jeden Beleg beliebige Zahlen von angeblichen Abstrichen bei den Kassenärztlichen Vereinigungen abrechnen. Diese wiederum lassen sich die Kosten vom Bund erstatten. Nicht einmal das eingekaufte Testmaterial müsse nachgewiesen werden, um die abgerechnete Zahl der Testpersonen plausibel zu machen, hieß es in dem Bericht.
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Das Land ist formal gar nicht für Kontrollen und Abrechnung zuständig, hatte aber in einer eigenen Verordnung tagesaktuelle Meldungen zur Anzahl der Testpersonen und die Aufbewahrungspflicht über die Identität der Getesteten verankert. Die Teststellen erhalten 18 Euro pro Test. Bei den in Rede stehenden Phantom-Tests könnte dem Steuerzahler ein hoher Millionenschaden entstanden sein. Die Schwerpunktstaatsanwaltschaft Wirtschaftskriminalität in Bochum ermittelt gegen den Bochumer Teststellen-Betreiber Medican. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kündigte nach Bekanntwerden der Vorwürfe „stichprobenartig mehr Kontrollen“ an.
Spahn: "Bund kann nicht die Teststellen vor Ort kontrollieren“
Spahn sieht bei der Kontrolle von Corona-Teststellen vor allem die Gesundheitsämter in der Pflicht. Wenn die Kommune vor Ort keine freien Kapazitäten habe, dann solle sie auch keine Einrichtungen damit beauftragen, die sie noch nicht genau angeschaut habe. „Der Bund setzt den Rahmen, der Bund gibt die Regeln vor, der Bund übernimmt die Kosten, aber der Bund kann nicht die Teststellen vor Ort kontrollieren“, sagte Spahn am Montag im Deutschlandfunk. Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern wollen am Montag in einer Schaltkonferenz über das Thema beraten.
Städte warnen vor Generalverdacht gegen Testzentrumsbetreiber
Der Städte- und Gemeindebund hat derweil davor gewarnt, Teststationen nach einzelnen Betrugsfällen unter Generalverdacht zu stellen. „Politische Schuldzuweisungen lösen das Problem nicht“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg unserer Redaktion. „Notwendig ist es, bestehende Missbrauchsmöglichkeiten zu beschränken.“
Die Landesregierung hatte zuletzt die ungewöhnlich hohe Zahl an Bürgertests in NRW gelobt und die dabei prozentual stark abnehmende Zahl an Positiv-Proben als Zeichen eines abflauenden Infektionsgeschehens gewertet.