Witten. Nach 5500 Mal „Ja, ich will“ hört Volker Banhold auf: Der Leiter des Standesamts hat Witten zur beliebten Hochzeitsadresse im Revier gemacht.

„Ja, ich will.“ 5500 Mal hat Volker Banhold diesen Satz gehört, allerdings nur ein Mal von seiner eigenen Frau. Am Freitag (30.4.) wird der Leiter des Wittener Standesamts seine letzte Trauung leiten und dann will auch er nicht mehr. Der Mann, der Witten zur beliebten Hochzeitsstadt gemacht hat, geht in Ruhestand.

Herr Banhold, als sie Standesbeamter wurden, waren Sie da schon verheiratet?

Ach, längst! Ich wurde erst am 1.7.1998 Leiter des Standesamts. Vorher hatte ich eine klassische Verwaltungslaufbahn hinter mir: Ausbildung bei der Stadt, eingesetzt in der Verwaltung der Feuerwehr, dann Sachgebietsleiter beim Ordnungsamt für das Einwohnerwesen.

Nach 23 Jahren in der Praxis: Was macht einen guten Standesbeamten aus?

Bevor man zum Standesbeamten bestellt wird, erhält man natürlich Grundlehrgänge, etwa in Rhetorik. Vor allem aber sollte man die Fähigkeit haben, sich in Gesellschaften hineinzudenken. Das Paar lesen, damit man eine persönliche Rede halten kann, die zu dem Paar passt. Das Schlimmste wäre, wenn Paare nach der Trauungen denken: Das waren nicht wir. Oder: Das war wie vom Band. Die Ansprüche an Trauungen haben sie ja stark geändert. Früher war das ein schneller Verwaltungsakt, dem die wichtige kirchliche Feier folgte. Heute sind wir Teil des Events.

Gibt es auch unschöne Trauungen?

Manchmal hat man ein komisches Gefühl. Da hat man Zweifel, ob das nicht eine Scheinehe ist.

Sie haben 2750 Ehen geschlossen. Erinnern Sie sich an eine ganz besonders?

Ich kann schlecht eine herausheben, weil ich dann vielen anderen Unrecht tun würde. Bei vielen Trauungen mit großer Gesellschaft herrscht eine lockere und nette Stimmung, da gibt’s auch Lacher im Publikum. Schräg waren natürlich die beiden Clowns, die ich an einem 11.11. um 11.11 Uhr getraut habe. Die kamen mich noch zehn Jahre lang immer am 11.11. im Amt besuchen. Und ich erinnere mich natürlich an unserer erste „eingetragene Lebenspartnerschaft“ für gleichgeschlechtliche Paare.


Warum?

Nicht von der Einstellung her! Ich betrachte die Ehe nicht vom Gesetzestext her, von mir aus hätte man gleichgeschlechtlichen Paaren direkt die Ehe anbieten sollen. Die erste Lebenspartnerschaft haben wir Anfang Dezember 2001 eingetragen. Das waren zwei sehr nette Männer. Die wurden vorher angefeindet. Wir haben die Polizei gerufen, die vom Nebenzimmer aus die Zeremonie begleitet hat. Inzwischen ist die Gesellschaft offener geworden, Gott sei Dank. Seit 2017 die Ehe für alle kam, wurde es auch für uns leichter.

Auch das geht: Volker Banhold (re.) traut ein Paar im Stollen der Zeche Nachtigall.
Auch das geht: Volker Banhold (re.) traut ein Paar im Stollen der Zeche Nachtigall. © Stadt Witten | Jörg Fruck

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Die Zahl der Trauungen in Witten hat sich während ihrer Zeit als Leiter des Standesamts deutlich erhöht. Warum?

Das liegt an den besonderen Trauorten und daran, dass wir flexibler sind als andere Städte. Wir trauen auch und vor allem am Wochenende. Das geht nicht mit den fünf Mitarbeitern des Standesamts, wir haben noch sieben Kollegen aus anderen Stadtämtern, die nebenberuflich am Wochenende einspringen. So sind wir zwölf Personen, die die Wochenendtermine aufteilen können. 1999 haben wir mit den Ambienteorten angefangen. Witten haben uns gefragt: Welche Orte verbinden wir mit Witten? Wichtig ist, dass es keine wirtschaftliche Vorteilnahme des Pächters gibt. Ich kann mich auf Schloss Steinhausen oder Haus Hohenstein trauen lassen, muss aber nicht dort feiern.

Wie hoch ist die Zahl der auswärtigen Brautpaare?

Das macht inzwischen 50 Prozent aus. Jedes Jahr hat die Zahl der Trauungen zugenommen, das ist beste Werbung für Witten. 2019 hatten wir mit 850 Hochzeiten einen Rekord. Mehr können wir auch nicht stemmen. 2020 waren es wegen Corona 720 Trauungen, der Terminkalender für Sommer 2021 ist randvoll, weil viele ihre Hochzeit verschoben haben.

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Ihre Arbeit besteht ja nicht nur aus Hochzeiten, sondern auch Geburten und Todesfällen...

… und Personenstandsfälle und Namensänderungen. Auch bei diesen Dingen ist der Arbeitsaufwand jährlich gewachsen. Das Marien-Hospital ist eine der stärksten Geburtskliniken der Region. Als ich anfing, kam Witten mit zwei Krankenhäusern und einem Geburtshaus auf 1400, 1600 Geburten. 2020 waren es an die 3000. Wir haben April und bereits über 1000 Geburten beurkundet. Das gleiche gilt für die Sterbefälle. In Witten sterben immer mehr Menschen. Gründe sind die wachsende Zahl an Altenheimen, die viele Auswärtige aufnehmen. Und das Hospiz, seit dessen Eröffnung verzeichnen wir einen deutlichen Anstieg.

Monika Wittrien wird neue Standesamts-Chefin

Zum 1. Mai wechselt die Leitung im Standesamt: Monika Wittrien wechselt vom Amt für Jugendhilfe und Schule in die Chefposition und löst Volker Banhold ab.

Damit ist das Standesamt fast komplett weiblich: Unter den zwölf Stadtbediensteten, die trauen dürfen, befindet sich nur ein Mann.

Zurück zu Ihrem Leben. Was machen Sie denn ab nächster Woche?

Dann habe ich endlich mehr Zeit für mich. Ich habe eine große Familie und freue mich auf die Zeit mit den Enkelkindern. Ich bin sportlich aktiv und lese gerne. Und wenn es Corona erlaubt, wollen meine Frau und ich viel reisen. Meinen Abschied vom Berufsleben habe ich mir allerdings anders vorgestellt. Eine Feier kann es ja wegen Corona nicht geben. Stattdessen fällt die Tür ins Schloss und dann ist für immer Feierabend.