Witten. In Witten und im ganzen EN-Kreis greift ab Donnerstag die Notbremse. Das heißt Distanzunterricht. Was das mit Schülern, Lehrern und Eltern macht.

Am Dienstag liegt die Sieben-Tage-Inzidenz im EN-Kreis den dritten Tag in Folge über der Marke 165. Das heißt: Es greift die Notbremse und die Schulen müssen ab Donnerstag (29. April) wieder in den Distanzunterricht gehen. Die Schulleiterinnen und Schulleiter in Witten äußern Verständnis, zeigen sich aber auch besorgt über das Wohl der Schülerinnen und Schüler.

Ruhe bewahren und das Beste draus machen: Dafür plädiert der Leiter der Otto-Schott-Realschule in Witten.
Ruhe bewahren und das Beste draus machen: Dafür plädiert der Leiter der Otto-Schott-Realschule in Witten. © FUNKE Foto Services/Archiv | Jürgen Theobald

Andreas Stephan, Leiter der Otto-Schott-Realschule, plädiert dafür, in dieser schwierigen Situation Ruhe zu bewahren und im Sinne der Schüler das Beste daraus zu machen. Dass die Schulen nach „gerade mal einer Woche im Wechselmodell“ wieder schließen müssen, stimme die Schüler „nicht sehr fröhlich“, formuliert der Schulleiter es diplomatisch. Mit Blick auf die hohen Inzidenzen hält er diesen Schritt aber für sinnvoll.

Schüler in Witten brechen in Tränen aus

„Mit das Schwierigste ist für alle das Hin und Her“, sagt Stephan. Klausuren etwa werden wieder und wieder verschoben. Für die Schüler sei die Situation eine große Belastung. „Wir haben uns gerade im Kollegium noch darüber unterhalten, wie froh die Schüler darüber sind, wieder in der Schule zu sein“, sagt Johannes Rienäcker, Leiter des Albert-Martmöller-Gymnasiums (AMG) in Witten. Und jetzt müssen die Schulen bereits wieder schließen. „Die Schüler brechen in Tränen aus und sagen: Ich will wieder in die Schule gehen.“ Eine Aussage, die Lehrerinnen und Lehrer nicht allzu oft zu hören bekommen.

Zwar habe es am AMG keinerlei Infektionen gegeben und es seien auch sämtliche Schutzvorkehrungen getroffen worden, so Rienäcker. Dennoch sei dem Kollegium angesichts der hohen Infektionszahlen und der britischen Mutation mulmig geworden. In Witten sind die Zahlen noch deutlich höher als im EN-Kreis, dessen Werte für die Notbremse entscheidend sind. Am Dienstag liegt die Sieben-Tage-Inzidenz in der Ruhrstadt bei 261,25. Vor diesem Hintergrund hält Rienäcker den Schritt, die Schulen zu schließen, für richtig. „Wir sind aber äußerst traurig, dass wir das machen müssen, und hoffen, dass es nicht so lange dauert.“

Im besten Fall anderthalb Wochen Distanzunterricht

Damit die Schulen wieder öffnen dürfen, muss die Inzidenz an fünf Tagen stabil unter 165 liegen. Am jeweils darauffolgenden Montag könnte der Distanzunterricht dann ein Ende habe. Rein rechnerisch wäre das der 10. Mai – sofern die Inzidenz im EN-Kreis bereits an diesem Donnerstag (29.4.) wieder unter diesen Wert fällt. Im besten Fall bedeutet das also anderthalb Wochen Distanzunterricht.

„Das ist für einige Eltern viel zu viel“, sagt Susanne Daum, Leiterin der Bruchschule in Witten. Nicht alle hätten einen sicheren Job, ein sicheres Einkommen im Rücken. „So langsam schwinden bei den Eltern die Geduld und das Verständnis.“ Auch für die Schulen seien das Hin und Her und die vielen parallelen Entwicklungen weiterhin eine große organisatorische Herausforderung. So müssten etwa nicht nur (je nach Inzidenz) Distanzunterricht, Notbetreuung und Wechselmodelle in die Wege geleitet werden. Ab Mitte Mai solle es in allen Grund- und Förderschulen außerdem Lolli-Tests geben. Auch das müsse organisiert und Lehrer und Eltern darüber informiert werden.

Wittener Schulleiterin produziert Erklärvideos

„Die Mutation macht auch vor Masken und Frühstückspausen nicht Halt“: Susanne Daum, Leiterin der Bruchschule, ist nicht froh über das „Hin und Her“, hält in gesundheitlicher Hinsicht die Schulschließungen aber für richtig
„Die Mutation macht auch vor Masken und Frühstückspausen nicht Halt“: Susanne Daum, Leiterin der Bruchschule, ist nicht froh über das „Hin und Her“, hält in gesundheitlicher Hinsicht die Schulschließungen aber für richtig © FUNKE Foto Services/Archiv | Bastian Haumann

Dennoch: In gesundheitlicher Hinsicht findet Daum es beruhigend, dass nun die Notbremse greift. „Die britische Mutation macht offenbar auch vor Masken und Frühstückspausen keinen Halt“, sagt sie. Die Dauerbelastung der Pandemie, ständige Erreichbarkeit und permanente Angespanntheit machten sich aber immer mehr bemerkbar, so Daum.

Dennoch versucht sie, weiterhin optimistisch zu bleiben und „proaktiv“ mit der Situation umzugehen. Mit ihrem Sohn produziert sie etwa Erklärvideos für die Schulwebsite. Dort hatte sie noch vor wenigen Tagen erläutert, wie die Notbremse funktioniert. Das Szenario war sehr nah an der Realität: Ab Sonntag, 25. April, liegt die Inzidenz im EN-Kreis konstant über 165. Bedeutet: „Am Donnerstag wäre die Schule dann geschlossen.“ Und genau so ist es nun auch gekommen.

Abiturienten bleiben im Wechselunterricht

Nicht betroffen vom Distanzunterricht sind die Abiturientinnen und Abiturienten sowie die Stufe Q1. Sie bleiben im Wechselunterricht und können auch Klausuren schreiben. „In den allermeisten Klassen wurden in diesem Halbjahr noch keine Klassenarbeiten geschrieben“, sagt Johannes Rienäcker. Das solle aber auf jeden Fall nachgeholt werden. Denn bald gibt es Zeugnisse. Allerdings sei die Anzahl der Klassenarbeiten in den Jahrgangsstufen 5 bis EF in der Pandemie auf mindestens eine reduziert worden, so der Schulleiter des AMG. In der Q1 hingegen würden, wie vorgesehen, zwei Klausuren geschrieben.

Seine Hoffnung ist, dass auch die Lehrerinnen und Lehrer an weiterführenden Schulen bald geimpft werden. Das wäre eine Perspektive für die Schulen. Diese sei für Schüler nämlich ein Stabilitätsanker, so Rienäcker. „Als Lehrer ist es uns wichtig, dass die Schüler in der Schule aufgefangen werden.“