Witten. Endlich draußen im Café was trinken – daraus wird nichts. Die Wirte dürfen ihre Terrassen nicht öffnen. Doch sie halten durch. Wie lange noch?

Kaum war der Hoffnungsschimmer am Horizont aufgetaucht, da war er auch schon wieder verschwunden. Denn aus den für diesen Montag (22.3.) in Aussicht gestellten Öffnungen der Außengastronomie wird angesichts der hohen Infektionszahlen nichts. Die Wirte, die seit fast fünf Monaten ihre Türen geschlossen haben, müssen weiter ums Überleben kämpfen. „Das trifft uns sehr hart“, sagt Sabine Nagel vom City-Treff an der unteren Bahnhofstraße in Witten.

18 Plätze gibt’s vor der Wirtschaft. Das sind nicht viele, aber: „Wir hätten uns selbst über solche Kleinigkeiten gefreut. Einige Stammgäste hatten sich schon angekündigt“, sagt die 40-Jährige. Jetzt seien sie alle traurig, dass es nicht klappt. Die Gäste hätten auch ein Spendenkonto für sie einrichten wollen. „Aber das brauchen wir nicht. Sie müssen nur alle kommen, wenn wir wieder öffnen dürfen.“ Sabine Nagel hofft, dass es im Sommer so weit ist.

Abgesperrt: der Außenbereich vor Backhaus an der Bahnhofstraße in Witten.
Abgesperrt: der Außenbereich vor Backhaus an der Bahnhofstraße in Witten. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Nicht viel los ist an diesem Montagmittag in der City. Das graue Wetter passt zur Stimmung, der zu erwartende strengere Lockdown wirft seine Schatten voraus. Ein Obdachloser sitzt vor dem leeren Laden, in dem zuletzt das Briefwahlbüro seinen Platz hatte. Tristesse am leeren Berliner Platz, wo sonst die Gäste im Extrablatt ihr Käffchen trinken. Eine Schlange vor Woolworth.

Offenbar haben sie hier noch nicht gehört, dass das Oberverwaltungsgericht gerade die Beschränkungen im Einzelhandel gekippt hat – kurz vor dem Bund-Länder-Gipfel, nach dem sowieso wieder alles anders sein wird. Auch die Verkäuferin von H&M weiß nichts davon, dass Kunden plötzlich keinen Termin mehr brauchen. „Das geht gar nicht, dass ein Gericht solch ein Urteil fällen darf“, sagt das Ehepaar Merz, das gerade in der Fußgängerzone unterwegs ist.

Es müssen Konzepte her, mehr Schnelltests. „Man wünscht sich doch, dass es endlich weitergeht“, sagt Ulrike Merz (70). „Je länger der Lockdown und die Pandemie dauern, desto müder wird man.“ Natürlich würden sie gerne verreisen, aber sie tun es nicht. Ostern werden sie zumindest die Kinder sehen. „Die machen von sich aus für uns einen Schnelltest.“

Claudia Schiffler aus Bommern kommt gerade vom Einkaufen in der City. „Ich fänd’s gut, wenn alles strenger würde“, sagt sie.
Claudia Schiffler aus Bommern kommt gerade vom Einkaufen in der City. „Ich fänd’s gut, wenn alles strenger würde“, sagt sie. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Claudia Schiffler (48) ist gerade auf dem Weg zu Schiller- und Albert-Martmöller-Gymnasium, um ihre Kinder abzuholen. „Ich fänd’s gut, wenn alles strenger würde. So nimmt das doch nie ein Ende.“ Reisen zu verbieten, finde sie richtig. Wie’s gerade in der Schule läuft – „das bringt nicht viel“. Heute sei ein Sohn dort erstmals getestet worden. Sorge, dass etwa Friseure wieder schließen, hat die Bommeranerin nicht. „Ich lasse wachsen. Mann und Kindern scheide ich die Haare.“ Doch auch sie gibt zu: „Für die Wirtschaft ist das alles eine Katastrophe.“

Rein rechnerisch könne sie sich über Wasser halten, sagt Heike Köhler (56) vom Café Möpschen an der Ruhrstraße. „Aber ich verdiene kein Geld. Und wenn ich zehn Jahre älter wäre, würde ich den Laden wahrscheinlich schließen.“ Das Außer-Haus-Geschäft funktioniere zwar gut und sie freue sich über jeden, der was bestellt – per Anruf werden gerade wieder zwei Krüstchen geordert– „aber so macht der Job mir nur bedingt Spaß“. Dass sie nun ihre Terrasse nicht öffnen kann, „damit hatte ich schon gerechnet“.

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Marc Budde vom „Schmelztiegel“ in Bommern hegte bis zuletzt die Hoffnung, dass draußen was gehen könnte. Er hat die Terrasse gereinigt, einen Windschutz gebaut und echte Steinkohle als Deko besorgt. Finanziell gehe es ihm gut. „Ich kann noch alles zahlen. Wir werden überleben. Aber ich vermisse die Kundenkontakte.“

40 Plätze hatte auch André Vordenbäumen schon auf der Terrasse von „André’s 1726“ in Herbede aufgebaut – vergeblich. „Das hätte denen, die so etwas haben, schon geholfen“, sagt er, dessen Tagesumsätze aus dem To-Go-Geschäft seit zwei Monaten „rapide runtergehen“. Doch die Hypotheken fürs Restaurant an der Schulstraße und das Ausflugslokal Alte Fähre laufen weiter, „die Banken spielen da gar nicht mit“. Die Alte Fähre wird er auch nach Corona nur noch für große Feiern öffnen, lediglich den Imbiss dort wird es weiter geben. „Der läuft gut.“

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Schwer zu schaffen macht Vordenbäumen, dass der Gastronomie nun zum zweiten Mal das Ostergeschäft flöten geht. „Da ist sonst fünf Tage lang die Bude voll.“ Nun bietet er eine To-Go-Box fürs Fest an, die vorbestellt und Gründonnerstag abgeholt werden kann. Eins wird er auch nach der Krise beibehalten: dass das tägliche Mittagsgericht vakuumverpackt mitgenommen werden kann. Corona, sagt er, bringe eben auch neue Ideen.