Witten. Das Start-up Scoperty liefert Schätzwerte zu Häusern und Wohnungen – auch in Witten. Warum Experten das Immobilien-Portal kritisch sehen.

Eine Wohnung an der Humboldtstraße in Witten im gut renovierten Altbau: zwischen 85.000 und 158.000 Euro. Im grauen Klotz an der Ardeystraße liegt der Schätzwert sogar zwischen 121.000 und 225.000 Euro. An der Annenstraße: zwischen 81.000 und 150.000 Euro. Das Online-Portal Scoperty.de bewertet die Preise von Immobilien – ohne, dass die Besitzer davon wissen. Experten warnen: Die Schätzwerte sind unrealistisch.

Wie viel ist die eigene Immobilie wert? Und welchen Preis könnte der Nachbar für sein Haus verlangen? Das Internetportal scoperty.de möchte eine erste Einschätzung zum Marktwert einer Immobilie geben. Für ein frei stehendes Einfamilienhaus in Bommern mit rund 180 Quadratmetern Wohnfläche würde der Eigentümer folglich zwischen 410.000 und 616.000 Euro bekommen. Für eines an der Husemannstraße, rund 420 Quadratmeter, zwischen 540.000 und 810.000 Euro.

Online-Portal weist große Preisspannen aus

Den Wert tausender Wohnungen und Häuser in Witten stellt das Portal auf einer Online-Karte dar. Doch wer nach Orientierung sucht, könnte von den angegebenen Preisspannen enttäuscht werden. Diese liegen nämlich zum Teil um die 200.000 Euro auseinander. „Der möglicherweise erzielbare Marktwert der Wohnimmobilie liegt mit hoher statistischer Wahrscheinlichkeit innerhalb dieser Spanne“, heißt es auf der Scoperty-Website.

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Hier erfahren Nutzer der Plattform außerdem, wie die dargestellten Schätzwerte errechnet werden: Ein „hochkomplexer Algorithmus“ schätzt den Marktwert einer Wohnung oder eines Hauses. Laut Eigentümerverband Haus und Grund in Witten basieren die Preisangaben auf öffentlich zugänglichen Daten aus dem regionalen Wohnungsmarkt – „ohne die Immobilie selbst zu betrachten“, so Petra Schmidt. Laut Scoperty-Website fließt in die Berechnung unter anderem die Adresse der Immobilie mit ein, die geschätzte Wohnfläche, das geschätzte Baujahr, der Objekttyp.

Makler: Immobilie kann nicht nur von außen bewertet werden

Das rät die Verbraucherzentrale

Die Verbraucherzentrale erreichen derzeit vermehrt Anfragen zu Scoperty. Nach Ansicht der Verbraucherzentrale verstößt das Angebot des Immobilien-Portals allerdings nicht gegen den Datenschutz. „Es werden keine personenbezogenen Daten verwendet“, präzisiert Beraterin Kathrein Becker.

Scoperty bietet für Eigentümer dennoch die Möglichkeit eines Widerspruchs an. Hierbei gibt die Verbraucherzentrale aber zu bedenken, „dass hierfür zunächst auch Angaben gemacht werden müssen, die Scoperty bislang nicht bekannt waren“, so Becker. Auf Basis dieser Daten könne das Portal dann womöglich auch realistischere Werte errechnen. Darum sollten Verbraucher, insbesondere wenn sie ihre Immobilie nicht verkaufen wollen, der Versuchung widerstehen, die Daten zu berichtigen.

Sollten Eigentümer aber einen Widerspruch erwägen, rät die Verbraucherzentrale dazu, einen Zusatz zu formulieren: „Die durch diesen Widerspruch erlangten Daten dürfen lediglich zur Durchführung des Widerspruchs verarbeitet werden und sind nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens umgehend zu löschen.“ Dennoch: „Die Daten sind dann erst mal in der Welt“, sagt die Verbraucherberaterin.

Auch für Walter Marks, seit 40 Jahren Makler in Witten, reichen diese Kriterien für eine realistische Bewertung nicht aus. Lage und Größe einer Immobilie spielten bei der Wertermittlung natürlich eine große Rolle. Aber „wesentlich ist auch, wie gefragt das Innenleben ist“, weiß Marks. In welchem Zustand sind Fenster und Türen? Welches Heizsystem ist verbaut? Wie ist das Bad ausgestattet? Sind noch aufwendige Renovierungsarbeiten nötig? Um diese Aspekte beurteilen zu können, müsse man das Objekt in Augenschein nehmen, so Marks.

Das Start-up Scoperty mit Sitz in München sieht sein Angebot vor allem als Dienstleistung für Immobilienbesitzer. „Eigentümer können erstmals ohne Zutun den aktuellen Marktwert ihres Wohneigentums erfahren und ein reales Marktinteresse testen – ohne in einen verbindlicheren Kaufprozess einsteigen zu müssen und ohne Geld zu investieren“, erklärte Michael Kasch, Gründer und Geschäftsführer der Scoperty GmbH, zum Start der Plattform im November 2020. Aber auch Kaufinteressenten können auf dort unverbindliche Angebote abgeben.

Immobilienexperte vor Ort kann verlässlichere Einschätzung geben

Wer sein Kauf- oder Verkaufsinteresse jedoch nicht auf diesen Schätzwert stützen will, für den ist ein Immobilienexperte vor Ort womöglich der bessere Ansprechpartner. Der habe im Zweifel auch den Überblick über die aktuellen Entwicklungen auf dem Immobilienmarkt, so Walter Marks. Der „dramatische Preisanstieg in den letzten zwei Jahren“ etwa spiegele sich in keinem Portal wider.

Auch Petra Schmidt von Haus und Grund in Witten rät: „Hauseigentümer, die tatsächlich verkaufen wollen, sollten sich immer die Expertise eines Fachmanns einholen.“ Zu dessen Leistung gehöre auch mindestens eine Besichtigung der Immobilie vor Ort.

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