Essen. Hohe Nachfrage, hohe Preise - der Kauf von Wohnimmobilien lohnt nur in einem Drittel der Städte. Wo im Ruhrgebiet das Kaufrisiko niedrig ist.

Angesichts steigender Immobilienpreise und der ungebrochenen Nachfrage ist in nur noch in einem Drittel der deutschen Großstädte ein Kauf gegenüber einer Anmietung von Vorteil. Zu diesem Ergebnis kommt das Investitions- und Analysehaus Dr. Lübke Kelber in seinem jährlichen Rendite-Risiko-Ranking.

„Die Preise für Eigentumswohnungen steigen wegen der großen Nachfrage landesweit deutlich stärker als die Mieten. Deshalb ist eine Immobilie zu mieten anstatt sie zu kaufen derzeit oftmals mit geringeren laufenden Kosten verbunden“, sagt Stefan Behrendt. Der Forschungsleiter und sein Team bei Dr. Lübke Kelber haben sich im vergangenen Jahr bundesweit 111 Kommunen genauer angesehen. Er kommt zu dem Schluss: „Nur in 35 der untersuchten 111 Städte gibt es laufende Vorteile beim Kaufen." In Gelsenkirchen und Bochum etwa sei die Nachfrage nach Eigentumswohnungen niedrig. Zudem seien die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen unterdurchschnittlich. Deshalb sei Mieten günstiger. "In Duisburg dagegen geht es in Richtung Eigentumserwerb“, sagt Behrendt im Hinblick auf eine bessere Prognose.

In Witten, Bottrop und Mülheim lohnt der Kauf

Ein Immobilienkauf sei insbesondere in „strukturschwachen Städten“ lohnend, in denen Nachfrage und Preisniveau gering seien, heißt es in der aktuellen Untersuchung. Das geringste Delta zwischen Eigentums- und Mietbelastung im Ruhrgebiet hat Dr. Lübke Kelber in Witten gemessen – gefolgt von Bottrop und Mülheim. In Berlin, München oder Rostock seien die Preise für Wohneigentum den Mieten derart „davon geeilt“, dass Mieten weitaus günstiger sei als Kaufen.

Die Experten betonen allerdings, dass sich langfristig ein Immobilienkauf dennoch rechnen könne. Die besten Perspektiven für die Investition in eine Wohnung oder in ein Haus hat dem Risikoranking zufolge das bayrische Landshut. „Das liegt auch daran, dass der Markt rund um München leergefegt ist und die Anleger deshalb flüchten. Im Ruhrgebiet entwickelt sich Mülheim positiv“, so Behrendt. Die Stadt an der Ruhr werde als Wohnstandort und nicht als „wirtschaftliche Hochburg“ wahrgenommen.

Geringstes Risiko gibt es in Mülheim

Auf der Hitliste des Risikorankings in den 111 Kommunen belegt Mülheim deshalb auch die beste Position unter den Ruhrgebietsstädten, die im bundesweiten Vergleich aber nur Platz 75 bedeutet. Selbst die boomende Universitätsstadt Münster weist unter den nordrhein-westfälischen Kommunen zwar das geringste Investitionsrisiko auf, landet auf der republikweiten Skala aber auch nur auf Rang 24, die Landeshauptstadt Düsseldorf auf Rang 30. Hinter Mülheim auf Platz 75 reihen sich Dortmund, Essen und Bochum ein. Weit abgeschlagen und fast am Ende der Skala sind Hagen und Gelsenkirchen.

NRW ist zweigeteilt. Die Rheinschiene mit Bonn, Köln und Düsseldorf, aber auch Münster stehen richtig gut da. Ruhrgebietsstädte wie Hagen, Herne, Hamm und Gelsenkirchen schneiden dagegen nicht so gut ab“, analysiert Behrendt und begründet, warum Teile des Immobilienmarkts im Revier vom allgemeinen Boom weniger profitieren. „Im Ruhrgebiet sind Immobilien-Investments mit einem höheren Risiko verbunden. Gründe sind die hohe Arbeitslosigkeit, die geringe Kaufkraft, stagnierende Mieten und ein vergleichsweise hoher Leerstand.“

Gute Wohnstandorte südlich der A 40

Behrendt verhehlt allerdings auch nicht, dass Essen nicht gleich Essen ist. „Das Ruhrgebiet ist sehr heterogen. In Stadtteilen südlich der Autobahn A 40 gibt es sehr gute Wohnstandorte, im Norden aber auch sehr einfache“, sagt der Immobilien-Experte und hebt eine kleinere Revierstadt hervor: „Zu den geringsten Belastungen im Ruhrgebiet führt ein Immobilienkauf in Witten. Dort sind die Preise relativ niedrig und das Einkommensniveau gut.“

Die Pandemie, da ist sich Behrendt sicher, habe die bundesweit hohe Nachfrage nach Häusern und Eigentumswohnungen bislang nicht beeinträchtigt. „Die Corona-Krise hat das Geschäft mit Wohnimmobilien noch verstärkt. Zudem gibt es wegen des Zinstiefs immer noch keine guten Alternativen zur Kapitalanlage“, betont der Forschungsleiter. „Bei Hotels, Einzelhandels-Immobilien und Bürogebäuden sehen wir dagegen signifikante Einschnitte.“

>>> So wird das Risiko berechnet

Bei der Berechnung des „Risikoscores“ haben Dr. Lübke Kelber auf eine Reihe von Daten zurückgegriffen. Zu 40 Prozent flossen Zahlen über den Wohnungsmarkt der jeweiligen Städte wie Leerstand, Bedarf und Bestand ein. 30 Prozent machten Prognosen der Bevölkerungs- und Haushaltsentwicklung aus. Mit einer Gewichtung von 25 Prozent wurden sozioökonomische Kennziffern wie Kaufkraft, Arbeitslosigkeit, Wirtschaftskraft und Schuldnerquote in den Risikoscore eingerechnet. Fünf Prozent machten örtliche Miet- und Kaufpreise aus.