Witten. Wo die neue Ruhrbrücke in Witten-Herbede entstehen soll, ist noch offen. Treibt Straßen NRW in der Corona-Pause den Bau der Nordvariante voran?

Die Planungen von Straßen NRW zum Neubau der Ruhrbrücken ab 2024 in Witten-Herbede gehen voran. Die Autobahn GmbH wird den sechsstreifigen Ausbau der A 43 zwischen Bochum und Witten-Heven erst nach Fertigstellung der Brücken, frühestens 2028, angehen. Ebenso verschiebt sich der Ausbau der Herbeder Straße (L924) zwischen Heven und City auf 2028. Somit gäbe es keine Doppel-Baustellen. Ins Gehege kommen sich allerdings der Arbeitskreis Herbede und der Landesbetrieb über die Lage der Brücken.

Mithilfe einer Intervention von NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst hatte der Arbeitskreis „Herbeder Brücken“ eine langjährige Sperrung der Ruhrbrücken verhindern können: Statt etwa drei Jahre, bleibt die Verbindung während der Bauphase nur ein Jahr dicht. Trotzdem halten die Aktiven rund um Hausarzt Dr. Arne Meinshausen, der am Fuße der Brücke im Rathaus der Medizin seine Praxis hat, Filmemacherin Gabriele Voss und Dieter Boele vom Bürgerkreis den Protest weiter aufrecht. Sie glauben, dass der Brückenbau ganz ohne Sperrung auskommen würde, wenn sich das neue Bauwerk südlich der jetzigen Brücken, von der Brennerei Sonnenschein bis zur türkischen Moschee, spannen würde. Die Bauabfolge wäre dann „erst Neubau, dann Abriss“.

„Planungsfakten verstoßen gegen die Interessen der Wittener“

Schon jetzt verläuft die Herbeder Ruhrbrücke relativ nah am historischen Haus Herbede vorbei. Der von Straßen NRW geplante Neubau würde noch näher an das Gebäude heranrücken.
Schon jetzt verläuft die Herbeder Ruhrbrücke relativ nah am historischen Haus Herbede vorbei. Der von Straßen NRW geplante Neubau würde noch näher an das Gebäude heranrücken. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Straßen NRW gab von jeher der „Nordvariante“ den Vorzug. Von einem neu zu bauenden Kreisel an der Seestraße/Herbeder Straße schwingt sich die Brücke in einem Bogen gen Stausee und schert erst kurz vor Haus Herbede auf die alte Trasse (Kreisel bei Edeka) ein. Der Vorteil: Alle benötigten Grundstücke wären in öffentlicher Hand. Im Gegensatz zur Südvariante müsste man nicht mit fünf Grundstückseigentümern über Entschädigungszahlungen verhandeln. Der Nachteil: Es gäbe eine einjährige Vollsperrung und die Brücke würde noch näher an das denkmalgeschützte Haus Herbede heranrücken.

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In einer Bürgerbeschwerde an den Rat und Bürgermeister Lars König wirft der Arbeitskreis Herbede dem Landesbetrieb Straßen NRW nun vor, die Corona-bedingte Gesprächspause zu nutzen, um Nägel mit Köpfen zu machen. Ein Ingenieurbüro plane derzeit die Nordvariante. Notwendige Gespräche mit den Grundstückseigentümern wurden bisher von Straßen NRW nicht geführt. „Der Arbeitskreis befürchtet, dass momentan von Straßen NRW Planungsfakten geschaffen werden, die gegen die Interessen der Wittener Bürger gerichtet sind“, so Arne Meinshausen. Schließlich hätten in einer Unterschriftensammlung mehr als 3000 Bürger gegen eine Vollsperrung Stellung bezogen.

Fahrbahnschäden machen alter Brücke zu schaffen

In seiner Sitzung am 23.3. solle der Rat darum beschließen: Es dürfe zu keiner Brückensperrung kommen, die Behörden müssen Alternativlösungen prüfen und der Bürgerdialog müsse wieder aufgenommen werden.

Lakebrücke könnte bleiben

Nach den Plänen von Straßen.NRW ginge den Brückenbauarbeiten ein Abriss und Neubau der kleinen Lakebrücke voraus. Die Fuß- und Radwegbrücke soll auf fünf Meter verbreitert werden, damit sie während der Bauphase auch von Rettungsdienst und Bussen genutzt werden kann.

Mit der Variante des Herbeder Arbeitskreises entfiele der Abriss der Lakebrücke. Der Arbeitskreis empfiehlt aber, eine zweite Lakebrücke parallel zu bauen (ähnlich wie die Wehrquerung in Heveney), um den Fußgänger und Radverkehr auf der Brücke zu entzerren. Ein Abriss der voll funktionstüchtigen, erst 1984 errichteten Fußgängerbrücke sei auch nicht nachhaltig.

Andreas Berg, Sprecher von Straßen NRW, entkräftet die Vorwürfe, die Projektleitung würde die Bürger nicht einbinden. Erst Anfang Februar habe es einen detaillierten Brief an den Arbeitskreis gegeben. Die Machbarkeitsstudie zu Nord- und Südvariante habe man im Verkehrsausschuss am 9.2. vorstellen wollen. Die Sitzung wurde coronabedingt verschoben. „Wir sind offen und beantworten Fragen vernünftig“, so Berg.

Die Planung der Nordvariante voranzutreiben, sei zwingend notwendig, „denn die Lebensdauer der Brücke ist begrenzt“, sagt Berg. Der Fahrbahnbelag habe durch den Winter solche Schäden davongetragen, dass Tempo 30 verordnet werden musste. Nur weil man die Fahrbahnübergänge mit einem extra vergüteten Kaltasphalt geflickt habe, konnte „eine ungeplante Vollsperrung der Brücke“ verhindert werden.

Pandemiebedingungen verhindern Bürgerbeteiligung

In puncto Brückenneubau herrscht also Zeitdruck, gleichzeitig sei die Südvariante nicht vom Tisch. „Wir planen weiterhin ein Stadtteilforum, wenn die Pandemiebedingungen dies zulassen.“ Und eben jene hätten auch verhindert, dass die Liegenschaftsabteilung der Stadt Witten mit den Grundstückseigentümern redet, „um uns ein klares Bild der Flächenverfügbarkeit zu übermitteln“.

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Da werde nur „alibimäßig auf Rechtsunsicherheiten“ überprüft, formuliert es Arne Meinshausen. Das beauftragte Ingenieurbüro hätte ihm gegenüber bestätigt, dass die Südvariante technisch möglich wäre und sogar kostengünstiger als die Nordvariante – da die Lakebrücke nicht abgerissen und erneuert werden muss. Auch die fünf Eigentümer stünden positiv zur Südvariante. Meinshausen: „Wir sind lediglich an einer einvernehmlichen Lösung für die Herbeder Bürger interessiert.“

Wittens Stadtbaurat Stefan Rommelfanger betont, dass noch nichts entschieden sei. Das Baudezernat prüfe noch beide Pläne. Und: „Noch hat Straßen.NRW nicht den Nachweis erbracht, dass die Südvariante schlechter funktioniert.“

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