Witten. Warum Handwerksmeister Jörg Dehne die Homeoffice-Offensive für realitätsfremd hält. Auch andere Arbeitgeber schildern Probleme.
Es gibt Arbeitgeber und Angestellte, die haben in Corona-Zeiten das Homeoffice entdeckt. So etwa die Uni Witten. Rund 75 Prozent der Hochschul-Mitarbeiter arbeiten bereits von zuhause aus. Ab Montag (25.1.) gilt: Wenn es möglich ist, muss Beschäftigten die Heimarbeit angeboten werden. Ein weiteres Instrument zur Eindämmung der Pandemie. Was Wittener Chefinnen und Chefs von der Verordnung des Bundes halten.
Jörg Dehne vom gleichnamigen Handwerksbetrieb im Wullener Feld schüttelt den Kopf. Sein auf die Bereiche Sanitär, Heizung, Klimatechnik und Elektro spezialisierter Betrieb beschäftigt 45 Menschen. Von diesen seien nur neun im Büro tätig, die übrigen draußen im Einsatz beim Kunden, sagt Dehne. Zwar seien die technischen Voraussetzungen gegeben, um die Bürokräfte von zuhause aus arbeiten zu lassen, nur sei dies bei der anfallenden Arbeit nicht möglich.
Handwerksmeister aus Witten hält Homeoffice für nicht umsetzbar
Würde man Büro-Mitarbeiter nach Hause schicken, müssten diese de facto täglich in die Firma kommen, „weil sie Unterlagen benötigen, weil es Termine mit Kunden gibt, weil Absprachen zu Baustellen zu treffen sind". In seiner Firma arbeite jeder im Büro Tätige in einem eigenen Raum. „Bei Kontakten besteht Maskenpflicht." Zur Homeoffice-Verordnung des Bundes meint der Heizungsbau- und Installateurmeister: „Das ist eine völlig naive Sicht auf die Arbeit in Betrieben. Da fehlt das Verständnis dafür, was in Unternehmen zu leisten ist."
Auch bei den Wittener Architekten Frielinghaus und Schüren ist Homeoffice ein schwieriges Thema. Das 20-köpfige Team hat seinen Sitz an der Ruhrstraße. „Unsere Planungs-Arbeitsplätze kann man nicht nach Hause verlegen, weil wir mit großen Datenmengen und mehreren Mitarbeitern an einem Projekt arbeiten", erklärt Architekt Andreas Schüren. Im Büro würden in jedem Raum maximal zwei Menschen sitzen - „mit ausreichend Abstand und Plexiglasscheiben". Zur Heimarbeit nach Hause geschickt würden zwei Bauzeichner in der Ausbildung. Die Homeoffice-Verordnung des Bundes sei sachlich richtig, aber nicht immer umsetzbar, so Schüren.
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Auch in einem Krankenhaus-Betrieb ist Homeoffice nur sehr begrenzt möglich. Die Verwaltungsdirektorin des EvK, Ingeborg Drossel: „Für uns geht es darum, in den infrage kommenden Bereichen nicht nur Homeoffice zu ermöglichen, sondern auch dafür Sorge zu tragen, dass die für ein Krankenhaus wichtigen betrieblichen Abläufe gesichert sind."
Der Wittener Stahlhersteller Lohmann beschäftigt an seinem Hauptsitz in Herbede und in seiner Annener Gießerei 375 Mitarbeiter. „Rund 50 davon haben Büro-Arbeitsplätze", erklärt Katja Lohmann-Hütte, die das Familienunternehmen zusammen mit ihrem Bruder Gunnar und Cousin Friedrich Lohmann-Voss führt. Bereits seit Beginn der Pandemie biete man im Büro tätigen Mitarbeitern an, ins Homeoffice zu gehen. Dafür habe man Laptops angeschafft. „Bisher arbeiteten 20 Leute von zuhause aus", sagt Lohmann-Hütte.
Unternehmerin: „Es gibt bei uns viele Einzelbüros."
Angesichts der Pandemielage werde man jetzt alle Bürokräfte auffordern, ein bis zwei Tage in der Woche von daheim zu arbeiten, „um weniger Begegnungen zu haben. Obwohl es bei uns ausreichend Platz und viele Einzelbüros gibt". Büro-Mitarbeiter könnten jedoch auch komplett von zu Hause aus arbeiten, wenn sie dies wünschten.
>>> Was die Handwerkskammer zum Homeoffice sagt
Über 800 Wittener Betriebe gehören der Handwerkskammer Dortmund an. Deren Präsident Berthold Schröder betonte auf Anfrage unserer Redaktion, dass mobiles Arbeiten für Handwerker naturgemäß nur in geringem Maße möglich sei. Die zahlreichen familiengeführten Betriebe hätten schon in den vergangenen Monaten strenge Konzepte zum Gesundheitsschutz umgesetzt.
Der Handwerkskammer-Präsident appelliert an die Politik, „die schwierige Situation unserer Betriebe nicht aus den Augen zu verlieren, die durch die verschärften Auflagen zusätzlichen bürokratischen und organisatorischen Belastungen ausgesetzt sind".