Witten. „Shapes of Tapes“ heißt die Platte, die Gitarrist Bernd Dussin überraschend in die Hände fiel. Die Musik weckt in ihm Erinnerungen.
„Was für eine Entdeckung!“, freut sich der Wittener Gitarrist und Musikalienhändler Bernd „Earny“ Dussin über eine total vergessene Langspielplatte, an der er vor 40 Jahren maßgeblich beteiligt war. Die 33-cm-Vinyl-Scheibe fand er beim Stöbern im „Plattenbau“ an der Nordstraße. Die LP heißt „Shapes of Tapes“ vom Ex-Wittener Wolfgang Lethaus, die von 1981 bis 1982 im Wittener Knöterich-Tonstudio aufgenommen und im Zeppo-Studio in Herne gemastert wurde.
Wolfgang Lethaus war damals Prokurist im Kaufhaus Sinn an der Bahnhofstraße und in seiner Freizeit Gitarrist bei dem Folklore-Trio „Mixed Pickles“. Doch im Herzen war er ein Rocker, hatte in Beat- und Rockbands in seiner mittelrheinischen Heimat gespielt. In Witten dann hörte er von der Möglichkeit, dass man bei der Firma „Pallas“ in Diepholz in einer Mindestauflage von 500 Stück Schallplatten pressen lassen konnte.
13 Musiker an Produktion beteiligt
Lethaus kannte die Eigenproduktionen von Götz Alsmanns Band „Heupferd“ aus Münster und von Udo Heitkemper aus Dortmund, die auf diese Weise ihre Langrillen selbst finanziert und vertrieben hatten. „Das kann ich auch“, dachte sich damals der heute fast 71-Jährige und komponierte mehrere Songs, die er mit insgesamt 13 Musikern aufs „Tape“ brachte.
Einer der Studiomusiker war der heute 64-jährige Gitarrist Bernd Dussin, der damals seinen Musikladen noch an der Bahnhofstraße hatte. „Earny“ wurde später stadtbekannt als genialer Sologitarrist von regionalen Blues-Rockbands wie „Who shot John?“ und „Bad luck blues band“. Als zweiten Sologitarristen holte Lethaus Rüdiger Gies aus Schwelm dazu, der heute hauptberuflich Musik mit Irish Folk und Bluegrass in fünf Combos spielt, u.a. bei „Halden Music“ und „Dreckpäck“.
Witziges, Sozialkritisches und ein Ohrwurm
Die LP mit dem übersetzten Titel „Umrisse von Bändern“ hat zusätzlich ein ausführliches Textblatt mit Fotos vom späteren WAZ-Fotografen Klaus Micke sowie zwölf englisch gesungene Titel - davon acht aus Lethaus‘ Feder, zwei Traditionals und zwei Kompositionen vom Autor dieser Zeilen. Hervorzuheben ist besonders der flinke Drummer René Schaaf, der eigens aus Saarbrücken nach Witten angereist war sowie Bassist und Background-Sänger Hannes Heller, der „musikalische Zwillingsbruder“ von Lethaus. Seit über 35 Jahren leitet Heller den Gospelchor „Oybele Feschthall Singers“.
Auf der abwechslungsreich arrangierten Langrille platzierte Lethaus sozialkritische Songs wie „Thank you Mister Reagan“ oder „Ain’t got no job“ neben dem flotten „Round about“ und dem witzigen „Physical training“. Besonders perfekt in Text und Melodie gelang ihm allerdings der Ohrwurm „I do miss you“, den man sich auch heute noch als Hit vorstellen könnte.
Dussin: "Wie ein Fotoalbum von damals“
Doch was wurde aus der LP und Wolfgang Lethaus? Ein Jahr, nachdem der Longplayer erschienen war und in Eigenvertrieb verkauft wurde, bekam Wolfgang Lethaus das Angebot, in St. Wendel ein Kaufhaus zu leiten. Er tat’s und verließ Witten. Später zog er nach Oberfranken, gründete mit seiner Frau ein Fortbildungsinstitut im Textilbereich, spielte jahrelang in der Oldieband „Schlagersofa“ und organisiert seit Jahren als Vorstandsmitglied erfolgreich das Jazzfestival „St. Georgen swingt“ in Bayreuth. Von der Musik kann der Gitarrensammler und Produzent auch als Rentner nicht lassen: Zusätzlich zu Rock- und Popmusik singt er ganz traditionell im Gesangsverein „Harmonie“, wo er auch Schriftführer ist.
Nach Witten kommt Lethaus in regelmäßigen Abständen zurück, besucht seinen Freund, den Künstler Peter Kosch, und natürlich auch Bernd Dussin in dessen Musikladen und spielt mit ihm erst einmal einen Blues: „Vom Feinsten mit zwei A-Gitarren und zweistimmig – so wie früher“, schwärmt „Earny“. In seinem Laden wird Dussin jetzt aber erst einmal seine neu-erworbene Schallplatte „volle Pulle“ anhören und danach noch einmal in aller Ruhe zuhause über Kopfhörer: „Per Kopfhörer ist diese persönlich erlebte Musik wie ein Fotoalbum von damals.“