Witten. Schwester Teresa ist die Priorin des Klosters der Karmelitinnen. Im Interview spricht sie über die Pandemie und ihr früheres Leben.
Heiligabend ist sie 65 geworden. „Ich bin ein Christkind", sagt Schwester Teresa und lacht. Seit Februar ist die gebürtige Litauerin Dalia Tamošaitytė die neue Priorin des Klosters der Karmelitinnen, das man in der Straße Auf der Klippe findet. Die Ordensfrau lebt mit ihren Mitschwestern in strenger Abgeschiedenheit. Im Interview spricht sie über das Coronajahr, ihre Vergangenheit und ein Leben in Klausur.
Schwester Teresa, wie groß ist Ihre Gemeinschaft?
Wir sind zwölf Schwestern. Die jüngste ist 50 Jahre alt, die älteste 90. Wir stammen aus verschiedenen Ländern und leben wie eine Familie zusammen.
Sie stammen aus Litauen. Wann waren Sie zum letzten Mal zuhause?
In diesem Herbst. Meine Mutter, die mit meiner Schwester zusammenlebt, ist 90 geworden. In Litauen galt Deutschland im Herbst schon als Corona-Risikogebiet. Daher musste ich meine zwei Wochen dort in Vilnius in Quarantäne verbringen.
Es gibt Gläubige, die sich fragen, warum Gott eine solche Pandemie zulässt. Haben Sie darauf eine Antwort?
Die kennt nur Gott. Es ist dramatisch, wie viele Menschen weltweit an Corona sterben. Das ist ein großes Leid. Besonders leid tun mir die Menschen in Altenheimen, die schwächer sind als junge Leute. In Italien sind auch viele Priester an Corona verstorben. Sie haben weiter gearbeitet, sich nicht geschützt. Auch in meinem Heimatland Litauen sterben derzeit viele Menschen. Es ist eine schlimme Situation. Ich telefoniere regelmäßig mit meiner Mutter und meiner Schwester.
In Corona-Zeiten müssen sich Menschen stark zurücknehmen, sich beschränken. Etwas, das Sie im Orden immer und freiwillig tun.
Ja. Aber im normalen Leben ist so ein Stoppen schwer. Menschen wollen sich bewegen, reisen. Dennoch können die jetzigen Beschränkungen Menschen auch bewusst machen, was man alles eigentlich nicht braucht. Es gibt die Chance, in dieser Zeit auch wieder zu sich selbst zu finden, wenn man nicht von den sonst üblichen Zerstreuungen abgelenkt wird. Und: Wir leben trotz Corona in keinem Gefängnis. Man kann etwas finden, was einem guttut. Für das neue Jahr wünsche ich mir, dass die Corona-Pandemie zu Ende geht.
Gab es zu Weihnachten in Ihrer Klosterkirche Gottesdienste?
Wir gehören zum Erzbistum Paderborn. Wir dürfen öffentliche Gottesdienste auch in Corona-Zeiten - unter Corona-Auflagen - abhalten. Wir haben eine Christmette gefeiert. Am ersten Weihnachtstag hatten wir eine Heilige Messe für uns und zusätzlich noch eine, die ein Pater der Kirchengemeinde St. Vinzenz von Paul bei uns gefeiert hat. Alle Besucher mussten natürlich Masken tragen. Wir Schwestern haben im Chorraum gesungen, was in die Kirche übertragen wurde. Im Chorraum steht auch die Orgel, die ich spiele.
Haben sich Menschen in diesem Jahr bei Ihrem Kloster gemeldet und um seelischen Beistand gebeten?
Ja, auch Menschen, die Angehörige durch Corona verloren haben. Menschen haben unserem Kloster auch Lebensmittel- und Geldspenden zukommen lassen. Wir verkaufen in normalen Zeiten ja deutschlandweit Hostien, die in unserer Bäckerei hergestellt werden. Da viele Gottesdienste in diesem Jahr aufgrund von Corona ausgefallen sind, hatten wir starke Verluste.
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Sie wurden in der litauischen Hauptstadt Vilnius geboren, waren in Ihrem früheren Leben einmal Pianistin. Was hat Sie ins Kloster geführt?
Meine Mutter hatte eine Freundin, die Ordensschwester war. Durch sie konnte ich als junge Frau einmal an Exerzitien in einem litauischen Dorf teilnehmen. Danach bin ich der Herz Jesu Kongregation beigetreten. Ich habe innerlich gespürt, ich möchte dabei sein. Damals stand Litauen noch unter sowjetischer Herrschaft. Ich bin weiter meiner Arbeit nachgegangen und habe als Lehrerin am Konservatorium in Klaipėda gearbeitet. Als Litauen 1990 unabhängig wurde, bin ich nach Rom gegangen, um zu studieren. In Rom habe ich meine Berufung zum kontemplativen Ordensleben erkannt.
Sie blieben dann viele Jahre in Italien.
Ja, ich bin zu den Augustinerinnen übergetreten und habe von 1994 bis 2004 in einem Kloster in der Nähe der italienischen Stadt Assisi gelebt. Die Augustinerinnen hatten ein Gästehaus, wo auch einmal Kinder aus Belarus (Weißrussland) zu Gast waren, die besonders von der Reaktor-Katastrophe in Tschernobyl (Ukraine) betroffen waren. Im Kloster erweckte Gott in mir den Wunsch, noch kontemplativer zu leben. Was mich schließlich nach Witten führte.
Wie kam es dazu?
In Litauen kannte eine gute Freundin, die den Herz Jesu Schwestern angehörte, das Karmelitinnen Kloster hier in Witten. Sie hat es mir empfohlen. Sie kannte auch meine Vorgängerin als Priorin, Schwester Anna Maria. So bin ich dann in Witten in den Karmel-Orden übergetreten.
Was bedeutet das Leben in Klausur im Karmel-Orden?
Der Rhythmus von Gebet und Arbeit, die zum Lebensunterhalt beiträgt, Zeiten der Erholung, sowie die bescheidene Lebensführung dienen dazu, in der Kirche fürbittend und stellvertretend vor Gott zu stehen und so den Menschen in ihren Nöten helfend nahe zu sein. Besonders in Zeiten der Corona-Pandemie möchten wir für alle Mut und Vertrauen auf Gott erbitten. Im liturgischen Gebet vereint sich jede Gemeinschaft mit dem ewigen Lobpreis Christi und bittet in Vereinigung mit der gesamten Kirche den Vater inständig um das Heil der ganzen Welt.
Wie werden Sie mit Ihren Mitschwestern die Silvesternacht begehen, Schwester Teresa?
Abends werden wir uns zum stillen Gebet in unserem Chorraum versammeln. In den vergangenen Jahren haben wir uns um Mitternacht immer durch ein Fenster oder auch draußen vor dem Kloster das Feuerwerk angesehen. Das fällt in diesem Jahr ja aus. Wir werden um Mitternacht zusammen das Vaterunser beten und uns danach zum neuen Jahr beglückwünschen. Unsere alten Schwestern werden aber wohl nicht so lange aufbleiben. Am Neujahrstag gibt es in unserer Kirche zwei Messen. Wer kommen möchte, muss sich - in Corona-Zeiten - vorher bei uns anmelden.
>>>Die Geschichte des Klosters der Karmelitinnen
Das Wittener Karmelitinnen-Kloster wurde 1952 im Ardeygebirge errichtet. Klostergründerin war Mutter Marianna de Deo, geborene Marianna Gräfin Praschma. Die Geschichte des Klosters beginnt jedoch nicht erst mit seiner Gründung in Witten, sondern schon in Pawelwitz bei Breslau, im damaligen Schlesien.
Dort hatte Marianna de Deo zusammen mit der Schwester Marie-Elisabeth von Jesus (Gräfin von Stolberg-Stolberg) in den 30er Jahren ein Kloster gegründet. Beide Schwestern stammten aus dem Kölner Karmel „Maria vom Frieden". Während des Zweiten Weltkrieges mussten die Schwestern ihr Kloster in Schlesien verlassen. 1946 kehrten sie als Vertriebene in den Westen zurück.