Witten. Das Coronajahr 2020 brachte Busreiseunternehmer um 20 Millionen Euro Umsatz. Im neuen Jahr setzt er optimistisch auf die Impfung.

Das Coronajahr 2020 hat viele Urlaubspläne platzen lassen und Reise-Anbieter böse ausgebremst. So auch das Familienunternehmen Hafermann Reisen, das 2021 sein 110-jähriges Bestehen in Witten feiert. Im Interview spricht Firmenchef Meinhold Hafermann darüber, warum er trotz Corona optimistisch ins neue Jahr blickt und seinen Kunden über 2000 Ferienreisen anbietet.

Herr Hafermann, Sie haben gerade selbst Urlaub auf Fuerteventura gemacht, waren schon wieder zuhause, als das Auswärtige Amt jetzt wegen Corona für die Kanaren eine Reisewarnung aussprach. Konnten Sie sich auf der Insel noch gut erholen?

Ja! Fuerteventura ist groß, dort ist Sommer. Alle Menschen sind draußen unterwegs. Ich bin Wassersportler, war mit dem Katamaran segeln. Bei Flaute jogge ich oder fahre Fahrrad. (lacht) Mit dem Katamaran bin ich rund fünf Stunden auf dem Wasser, dabei wird mein Kopf komplett freigeblasen. Dieses Jahr war eine starke Herausforderung für mich, es war viel zu tun, auch an den Wochenenden.

Sie beschäftigen als Busreiseunternehmer rund 40 Mitarbeiter, waren im Januar schuldenfrei. Wie steht Ihre Firma, die Sie in dritter Generation mit Ihrer Schwester Christel führen, am Ende dieses Coronajahres da?

Wir sind immer noch schuldenfrei. Staatliche Kredite haben wir nicht beansprucht. Wir haben die angebotenen Sofort- und Überbrückungshilfen bekommen. Wir würden lieber arbeiten, um damit Einnahmen zu erzielen. Alle Mitarbeiter sind noch bei uns, aber in Kurzarbeit.

Reisebusunternehmer aus Witten investierte in Virenkiller

Wie viele Reisen konnten Sie 2020 mit Ihren Kunden unternehmen?

In der Zeit zwischen den Lockdowns haben wir vom 11. Juni bis zum 22. Oktober 177 Reisen mit rund 3700 Gästen durchgeführt, die mit uns in Deutschland und Europa unterwegs waren. Wir haben viele Reisen mit einer sehr geringen Teilnehmerzahl zwischen zwei und 15 Personen möglich gemacht. Anstelle einer Gruppen- haben diese Gäste eine Individualreise mit persönlichem ,Butler-Service' durch die Reiseleiter erhalten. Auch wenn es für uns nicht wirtschaftlich war, haben wir es gemacht, damit es sich herumspricht, dass man in Coronazeiten auch reisen kann. Wir waren zum Beispiel mit nur drei Gästen in Cornwall.

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Sie haben Ihre zehn Busse mir sogenannten Virenkillern ausgerüstet.

Ja, dafür haben wir rund 16.000 Euro investiert. Die US-patentierten Luftreinigungsgeräte, die vom TÜV Süd zertifizierte wurden, haben wir Anfang Juli in die Belüftungs- und Klimaanlagen der Reisebusse eingebaut. Damit wollen wir unsere Gäste vor Corona schützen. Die Geräte machen das Virus in der Luft des Fahrgastinnenraumes bis zu 99,5 Prozent unwirksam, ebenso auf allen Oberflächen. Es handelt sich nicht bloß um Filter. Bei Filtern muss die kontaminierte Luft ja zuerst angesaugt werden. Wir haben Kontakt zur NRW-Landesregierung aufgenommen, weil wir die bei uns eingesetzte Luftreinigungstechnologie für die beste halten. Das Land will sie testen. Mit den Virenkillern haben wir auch unsere Verwaltungsbüros ausgestattet. Wir hatten in diesem Jahr keinen einzigen Coronafall auf unseren Reisen, auch keinen an Corona erkrankten Mitarbeiter.

Kunden erhielten für abgesagte Urlaube ihr Geld zurück oder konnten andere Reisen buchen

Sie bieten Ihren Kunden für das nächste Jahr über 2000 Ferienreisen an. Ist das nicht eine sehr optimistische Planung?

Wir blicken optimistisch in die Zukunft. Sobald der Lockdown wieder aufgehoben wird und wir die Pandemie mit den Impfungen hoffentlich schnell im Laufe des neuen Jahres überstanden haben, werden unsere Kunden ihre aufgeschobenen Reisewünsche verwirklichen. Eine jüngste Studie mit der Generation 50 plus zeigt, dass über 60 Prozent der Menschen 2021 wieder verreisen wollen.

Durch den Shutdown stehen Ihre Busse derzeit still. Wie teuer kommt das Ihr Unternehmen zu stehen?

Seit dem 2. November stehen die Busse wieder in der Halle. Wir mussten alle Advents-, Weihnachts- und Silvesterreisen absagen. Normalerweise machen wir in dieser Zeit etwa 3,5 Millionen Euro Umsatz. Wegen des zweiten Lockdowns waren ausverkaufte Reisen nach Kärnten, in den Harz, nach Friesland sowie eine Schweizreise mit dem Glacier Express nicht möglich. Die Kunden haben ihr Geld sofort zurückerhalten oder konnten auf eine andere Reise im neuen Jahr umbuchen. 2020 hätten wir ohne Corona einen Jahresumsatz in Höhe von 23,5 Millionen Euro gemacht. Leider konnten 20 Millionen nicht realisiert werden.

Herr Hafermann, Sie sind 69, Ihre Schwester Christel, mit der Sie sich die Geschäftsführung teilen, ist 71. Haben Sie schon Ihre Nachfolge geregelt?

Ja. Meine Tochter Carina (27), mein Sohn Mark (34) sowie mein Neffe Nico (26) sind die vierte Hafermann-Generation. Meine Tochter wird jetzt mit dem BWL-Studium fertig und möchte sich danach erst einmal draußen die Hörner abstoßen. Mein Neffe beendet im neuen Jahr auch sein Studium. Er hat sich auf Tourismus spezialisiert und wird direkt ins Unternehmen kommen. Mein Sohn Mark lebt in Griechenland, auf der Peloponnes, und macht von dort das Online-Marketing für unser Haus.

Hafermann: „Die Impfung ist für uns das größte Weihnachtsgeschenk"

Wann haben Sie zum letzten Mal selbst hinter dem Steuer eines Ihrer Reisebusse gesessen?

2018. Wir waren in Spanien an der Costa Brava, eine Katalonien-Reise. Es war eine Abschiedstour mit meinem Freund Heinz, der an Krebs litt und im vergangenen Jahr daran verstorben ist.

Ist Ihnen noch etwas mit Blick auf das Coronajahr 2020 wichtig?

Zuversicht und Hoffnung - verbunden mit der Bitte an alle Mitbürger, sich angemessen zum Wohle aller zu verhalten. Ich glaube, dass die Impfung gegen Corona das größte Weihnachtsgeschenk für uns in diesem Jahr ist.

>>> Alles begann 1904 in Witten mit August Hafermann

2011 hat das Wittener Busreiseunternehmen Hafermann sein 100-jähriges Bestehen gefeiert. 1911 hatte sich der Wittener August Hafermann, der Großvater des heutigen Firmenchefs Meinhold Hafermann, ein Auto zugelegt, damals Kraftdroschke genannt, und ein Gewerbe angemeldet. Firmensitz war die Brüderstraße. August Hafermann war schon seit 1904 mit einer Pferdedroschke als Transportunternehmer unterwegs.

In den 20er Jahren entwickelte er mit seiner Frau Frieda ein Konzept für den Bau von Reisebussen und realisierte dies auch. Fortan besaß Hafermann ein Kraftdroschken- und Reisebusunternehmen.

In den 30er Jahren eröffnete die Familie zwei Reisebüros in Witten und Dortmund. In den 50er Jahren bot das Unternehmen als einer der ersten Reiseveranstalter eine regelmäßige Buslinie nach Spanien an.

Unternehmer Helmut Hafermann starb mit erst 50 Jahren

Meinhold Hafermanns Vater Helmut baute mit seiner Frau Elma das elterliche Unternehmen aus. 1971 starb Helmut Hafermann mit erst 50 Jahren. Seine Frau führte die Firma mit ihren Kindern Christel, Meinhold und Monika weiter.

1976 brachte Hafermann einen Spezialkatalog für Kegelclubs und Vereine heraus. Die Clubtouren wurden zur tragenden Säule des Firmenerfolgs. 1978 weihten die Hafermanns ihren neuen Betriebshof an der Brauckstraße in Annen ein.

Heute können Kunden mit dem Busreiseunternehmen in europäischen und außereuropäischen Ländern Urlaub machen - auch in der Kombination mit Flügen, See- und Flusskreuzfahrten. Auch Studien-, Wander- und Radreisen werden angeboten.