Witten/Herne. Reisebusunternehmer dürfen ihre Busse wieder auf große Fahrt schicken. Trotzdem sind ihre Sorgen kaum kleiner geworden.
Nach zehn Wochen Corona-Stillstand dürfen die Reisebusse im Land seit gut zwei Monaten wieder fahren. Aber sie fahren nur selten voll besetzt. „Die Krise“, sagt Michael Thüring, Geschäftsführer von Graf‘s Reisen in Herne, „ist noch lange nicht vorbei.“
Neun von 40 Reisebussen hat Graf’s wieder angemeldet. Nach und nach sollen weitere hinzukommen. „Wir fangen ganz klein wieder an“, sagt Thüring. Das machen sie bei Hafermann-Reisen in Witten auch. Zwar fahren dort in den nächsten Tagen wieder alle zehn Busse. „Aber sie sind nur zu einem Drittel gefüllt“, sagt Unternehmenschef Meinhold Hafermann. Im Schnitt mit 17 Leuten. „Natürlich ist das nicht wirtschaftlich.“
Keine Fahrten absagen
Aber es ist nach Einschätzung der Unternehmer alternativlos. „Wir sind ja gerade dabei, die Kunden zurück zu gewinnen“, erklärt Thüring. „Da sagt man keine Fahrten ab.“ Auch nicht, wenn es nur mit einer Handvoll Leuten für vier Tage nach Frankreich geht. Ein Trip, der sonst nur stattfindet, wenn sich mindestens 25 Kunden angemeldet haben.
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Immerhin, einen Vorteil haben die dünn besetzten Busse. „Es ist kein Problem, den vorgeschriebenen Sicherheitsabstand einzuhalten“, heißt es bei beiden Firmen. „Im Bus ist so viel Platz, da könnten sie tanzen“, scherzt Hafermann. Wenn nicht mehr als 33 Fahrgäste in einem Reisebus mit 48 Plätzen sitzen, müssen die Fahrgäste während der Fahrt keine Masken tragen, brauchen den Mund- und Nasenschutz nur beim Ein- und Aussteigen. „Das empfinden viele Leute als sehr angenehm“, weiß Thüring.
Neuartiger Virenkiller soll für Sicherheit sorgen
Ansonsten werde noch mehr als früher auf Hygiene geachtet, sagt er. Vor allem aber werde für gute Luft gesorgt. In modernen Reisebussen wird sie durch die Belüftungssysteme – je nach Modell – innerhalb von 30 bis 120 Sekunden komplett ausgetauscht. Hafermann setzt zusätzlich auf einen neuartigen Virenkiller mit UV-Licht. Das kleine Gerät sitzt in der Belüftung. Durch UV-Bestrahlung entstehen dabei Substanzen, die 99 Prozent aller Viren abtöten sollen. „Man muss sich mit Corona arrangieren“, sagt der Firmenchef.
Die Mühe wird offenbar belohnt. Von „15 bis 20 Buchungen am Tag“ spricht Hafermann, „steigende Zahlen“ meldet auch Graf’s. „Die Leute wollen wieder raus, wollen was erleben“, ist Thüring überzeugt. Das können sie an immer mehr Orten. Ging es anfangs fast nur durch Deutschland, werden mittlerweile auch Ziele in Holland, Österreich, Frankreich oder der Schweiz angefahren.
Jedes Land hat seine eigenen Regeln
Ende des Monats rollt der erste Hafermann-Bus wieder nach London. Städtereisen, sagt der Wittener Unternehmer, seien gefragt zurzeit. Er kann das gut verstehen. „So leer werden sie die großen Städte nie wieder erleben“ ist er überzeugt. „Und vor Ort werden sie behandelt wie die Könige.“
Für die Unternehmer sind Auslandsreisen allerdings nicht ganz unproblematisch. „Jedes Land hat eigene Regeln, die sich ständig ändern“, erklärt Thüring. In Holland, nennt er ein Beispiel, dürfen derzeit maximal 30 Personen im Bus sitzen. „Wir haben alle Beschränkungen in unsere Computer eingegeben.“
Der Winter könnte für kleiner Unternehmen das Aus bedeuten
Sorgen bleiben. „Auf Dauer kann sich keiner leisten, mit halbleeren Bussen zu fahren“, warnt Meinhold Hafermann. Man sei zwar dankbar für staatliche Hilfen aber „die können die Kosten nicht auffangen“.Es werde wohl Jahre dauern, glaubt auch Thüring, bis man die Verluste dieses Jahres wieder kompensiert habe. Der Winter, heißt es in der Branche, könnte für kleinere Unternehmer das endgültige Aus bedeuten.
„Der Dezember ist wichtig“, bestätigt der Graf’s-Geschäftsführer. Fahrten zu den vielen großen Weihnachtsmärkten zwischen Kiel und Konstanz würden den Busunternehmer normalerweise gute Umsätze bescheren. Auch in diesem Jahr hat die Herner Firma wieder Weihnachtsmärkte im Programm. „Aber natürlich bewerben wir da Veranstaltungen, von denen im Augenblick noch niemand weiß, ob und wie sie stattfinden.“