Witten. Das Ordnungsamt Witten hat dem Posaunenchor in Bommern das Musizieren verboten. Das stößt vor Ort aus ganz bestimmten Gründen auf Unverständnis.
Von wegen „O du fröhliche!“ Sämtliche Weihnachtskonzerte fallen wegen Corona flach. Selbst Chöre, die am frühen Morgen nur instrumental auf die Adventszeit einstimmen, müssen stumm bleiben. Davon können die Posaunenfreunde in Bommern ein Lied singen.
„Kurrende“ nennt sich die uralte Tradition. Was die evangelischen Blechbläser in kleiner Besetzung sonntagmorgens in den Straßen von Bommern tragen, geht auf den einstigen „Laufchor“ zurück. Er zog an protestantischen Schulen von Haus zu Haus.
Chor hat die Stadt Witten um Erlaubnis gebeten
Normalerweise würde der Posaunenchor nun jeden Adventssonntag Weihnachtslieder am frühen Morgen spielen und dabei durch die Straßen ziehen. Gestoppt wird auf dem Fußweg am Rande einer Siedlung, einem Parkplatz, vor einem Altenheim oder auf dem Helenenturm. Doch dieses Jahr ist alles anders. Die Posaunen müssen stumm bleiben.
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Der Posaunenchor hat nach Angaben von Leiterin Mirjam Hermes beim Ordnungsamt um eine Genehmigung gebeten. „Wir wollen nur mit vier bis fünf Leuten Musik machen“, sagt sie. Seit 40 Jahren würden sie das tun, und nicht ein einziges Mal hätte es eine größere Menschenansammlung gegeben. Zudem könne der Abstand unter den Musizierenden gewahrt werden. „Wir tragen sogar alle FFP2-Masken.“
Ordnungsamt wertet „Kurrende“ als Konzertveranstaltung
Doch das Ordnungsamt hat dem Posaunenchor der evangelischen Kirchengemeinde Bommern einen Strich durch die Rechnung gemacht. „Wir werten auch diese Art der Fensterkonzerte als Konzertveranstaltungen und die sind derzeit verboten – auch wenn sie nur kurz sind und in einem ungewöhnlichen Rahmen stattfinden“, sagt Stadtsprecher Jörg Schäfer. Er verweist gleichzeitig auf die wieder steigenden Inzidenzwerte in Witten. „Wir müssen jede Ansammlung von Menschen vermeiden.“ Aus Sicht des Ordnungsamts sei auch bei der „Kurrende“ nicht gewährleistet, dass nicht doch mehr Menschen davon angezogen würden.
Chorleiterin Mirjam Hermes kann das nicht nachvollziehen. „Kurrende ist keine Konzertveranstaltung. Es ist ein Bestandteil unseres christlichen Weihnachtsfestes“, sagt sie. Viele Menschen hätten sich bei ihr gemeldet und sich erkundigt, wann’s in diesem Jahr losgeht.
Posaunenchor Bommernwill Tradition aufrecht erhalten
„Wir wollen diese Tradition auch in diesen Zeiten aufrechterhalten. Man freut sich jedes Jahr auf uns“, so Hermes. Dem Ordnungsamt habe sie Beispiele aus anderen Städten genannt, etwa Minden, wo sogar zehn Menschen gemeinsam musizieren dürften. Sie fragt sich, ob die Stadt Witten noch nach dem richtigen Maß handelt. „Ich bin keine Corona-Leugnerin und hoffe, dass die Infektionszahlen bald sinken. Ich frage mich aber, ob die Stadt wirklich gut informiert die Entscheidungen trifft oder der Einfachheit halber alles blockiert.“
Die Chorleiterin erinnert daran, dass „Kurrende“ den Menschen gerade in diesem Jahr ein bisschen weihnachtliche Stimmung in die Herzen tragen könnte. „Ich halte den Einkauf von Advents- oder Weihnachtsmenüs für deutlich riskanter, als wenn vier Blechbläser im Freien mit riesengroßem Abstand musizieren.“
Posaunenchor ist über 90 Jahre alt
Der Posaunenchor Bommern wurde im Jahr 1927 gegründet und feierte vor drei Jahren sein 90-jähriges Chorjubiläum.
Bei den Mitgliedern herrscht eine bunte Mischung. Sowohl Jugendliche, Erwachsene als auch Senioren musizieren hier gemeinsam.
Damit jeder am Chor teilnehmen und ein Instrument lernen kann, hat der Chor den Förderverein Posaunenchor ins Leben gerufen, über denen Spenden eingereicht werden können. So sollen auch Leute die Möglichkeit haben, ein Instrument zu spielen, die materiell schwächer gestellt sind.
Die Leute kämen nicht einmal aus den Häusern, sondern würden den Posaunenklängen durch die offenen Haustüren und Fenster lauschen. Die Straßen selbst blieben immer leer. Zudem spiele der Chor an einer Station maximal zehn Minuten und ziehe anschließend weiter, sagt Mirjam Hermes.
Einen kleinen Hoffnungsschimmer gibt es aber. Das Ordnungsamt hat die Anfrage des Posaunenchors an das Arbeitsministerium weitergeleitet. Eine Antwort stehe noch aus.