Witten. Ein Bauernhof in Witten-Stockum darf trotz 500-jähriger Geschichte für ein Neubaugebiet abgerissen werden. Wittens Denkmalpfleger erklärt, warum.

Der geplante Abriss eines alten Bauernhauses an der Himmelohstraße in Witten-Stockum zugunsten eines Neubaugebiets wühlt viele Stockumer auf. Warum verhindert die Stadt nicht, dass der Schraerhof mit seiner über 500-jährigen Geschichte dem Erdboden gleichgemacht wird?

„Da gehen wirtschaftliche Interessen vor Denkmalschutz“, vermutet Wittens einstiger Vize-Bürgermeister Hans-Ulrich Kieselbach. Doch Wittens Denkmalpfleger Magnus Terbahl, der das Haus vor Ort begutachtet hat, betont: Ein Denkmalwert lässt sich nach den strengen Kriterien des NRW_Denkmalschutzgesetzes weder für die Gesamtanlage noch für das Hauptgebäude gesetzlich begründen.

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Protest-briefe aus Stockum sind bis zur Bezirksregierung Arnsberg oder an den für Denkmalschutz zuständigen Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) gegangen. Auch die Redaktion erreichen erboste Stimmen, warum ein so altes Gebäude „lieblosen Neubaugebieten mit ihren 08/15-Bauten“ weichen müsse.

CDU-Urgestein Kieselbach, selbst Stockumer, sagt: „Es ist eine Aufgabe unseren Kindern gegenüber, so etwas zu erhalten.“ Hausbesitzer hätten die Verpflichtung, sich um ihr Eigentum zu kümmern . Man dürfe ein Haus nicht erst verfallen lassen, damit der Denkmalschutz dann nicht greife, sagt der 76-Jährige.

Straßenschild „Schraerweg“ soll in Witten-Stockum an geschichtsträchtigen Hof erinnern

Der alte Bauernhof der Familie Schraer an der Himmelohstraße in Witten soll abgerissen werden. Auf den einstigen Äckern entsteht bereits das Neubaugebietes Schraerweg (im Hintergrund).
Der alte Bauernhof der Familie Schraer an der Himmelohstraße in Witten soll abgerissen werden. Auf den einstigen Äckern entsteht bereits das Neubaugebietes Schraerweg (im Hintergrund). © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Wie berichtet, plant der Besitzer des Grundstücks an der Himmelohstraße 20 den Bau eines Mehrfamilienhauses. Es wäre weit teurer gewesen, das marode, über 200 Jahre alte Hauptgebäude zu sanieren. Deshalb soll es im Frühjahr 2021 abgerissen werden. Der Schraerhof war ursprünglich ein Fachwerkhaus.

1930 wurde er teilweise in Ziegelbauweise umgestaltet. 1975 wurden die Fassade zur Straße hin mit Isolierplatten verdeckt. An den geschichtsträchtigen Ort erinnert nun die Straße Schraerweg, die zu einem Neubaugebiet führt, das zurzeit auf den Äckern des Hofes entsteht. Der Schraerhof wäre damit einer von vielen Bauernhöfen, die aus dem Dorf Stockum verschwinden.

Denkmalpfleger: Keine rechtliche Handhabe

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Jeder Bauantrag, der in Witten gestellt wird, landet automatisch auch bei der Unteren Denkmalbehörde. Magnus Terbahl prüft die Anträge auf denkmalrechtliche Belange. Deswegen habe der Denkmalpfleger das Haus vor Ort besichtigt sowie historische Akten und Fotos angesehen.

Die Erkenntnis in Abstimmung mit dem LWL Münster: Das Haus hat keinen Denkmalwert. Die Stadt hat somit keine rechtliche Handhabe, um einen Abriss zu verbieten. Neben dem Alterswert müsse für die Auszeichnung als Denkmal auch „ein besonderer Zeugniswert“ überliefert sein, der eine „Zumutbarkeit“ zur Erhaltung rechtfertige.

Hofanlage in Witten ist teils nicht mehr authentisch

Der Stockumer Hof ist sozusagen nicht mehr authentisch genug. Viele Gebäude der ursprünglichen Hofanlage stehen nicht mehr. Auch die einstige Fachwerkstruktur des Hauptgebäudes ist größtenteils verschwunden, weil die meisten Außenwände in Ziegelbauweise ersetzt wurden.

„Selbst am prägnanten Hofgiebel – dem äußerlich einzig sichtbar erhaltenen Fachwerkbauteil – wurde rechts neben dem Hoftor das Fachwerk lediglich auf das Mauerwerk aufgemalt“, sagt Magnus Terbahl. „Was alt ist, ist eben nicht automatisch denkmalwürdig.“

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