Witten. Jahrelang hat er in der Fußgängerzone das Straßenmagazin Bodo verkauft. Nun ist Michael Coenen tot. Mit ihm hat Witten ein Original verloren.

Wer regelmäßig auf der Bahnhofstraße unterwegs ist, der wird ihn gekannt haben: Michael Coenen, der jahrelang auf der Fußgängerzone in Witten stand und das Straßenmagazin Bodo verkauft hat. Nun ist der Mann mit der blauen KFC-Uerdingen-Fanmütze tot. Mit ihm hat die Stadt ein Original verloren.

Michael Coenen, der in einer Einrichtung an der Kreisstraße lebte, war schwer krank: Lungenkrebs. Im Februar hatte er sich deshalb schon an unsere Redaktion gewandt und um einen Bericht gebeten. Er wollte seinen Stammkunden erklären, warum er nicht mehr an seinem Platz zwischen Apollo und der HNO-Praxis Dr. Tillmann steht.

Jahrelang stand Michael Coenen vor dem Bettenhaus Wülbern in Witten

Dort hinüber wechselte Coenen, als 2017 das Bettenhaus Wülbern seine Pforten schloss. Viele Jahre hatte er beinahe täglich vor dessen Fenstern die Obdachlosenzeitung angeboten. „Mit einem fröhlichen, aufmunternden Lächeln werde ich jeden Morgen begrüßt. Ich werde nicht geduldet, ich werde respektiert“, hatte Coenen über seinen Stammplatz gesagt.

Auch Bastian Pütter, der die Dortmunder Bodo-Redaktion leitet, ist traurig über den Tod eines „ganz besonderen“ Mitarbeiters. „Wir haben ihn immer erlebt als jemanden, der andere unterstützte, der immer zuerst den Anderen gefragt hat, wie es ihm geht, der Anteil genommen hat an der Welt.“ Das Geld, das er mit dem Verkauf von Bodo verdiente – „das war ihm egal“. Doch dadurch eine Aufgabe, eine Tagesstruktur zu haben, das sei Michael wichtig gewesen, sagt Pütter.

„Man hat ‘ne Beschäftigung und arbeitet in Eigenregie, das ist gut“

Ungewöhnlich lange sei Michael Coenen dem Straßenmagazin deshalb treu geblieben. „Eigentlich wollen wir den Menschen ja nur helfen, durch den Verkauf wieder auf die Beine zu kommen“, so der Redaktionsleiter. Etwas Sinnvolles zu machen, statt zu betteln – darum gehe es.

Darum ging es auch Michael Coenen all die Jahre. „Man hat ‘ne Beschäftigung. Und arbeitet in Eigenregie, das ist gut“, so hat er es selbst formuliert. In Deutschland war Coenen einer der ersten Verkäufer für Obdachlosen-Zeitungen. Er verkaufte „Hinz & Kunzt“ in Hamburg, die „Motz“ in Berlin, seit 1997 schließlich „Bodo“ im Ruhrgebiet.

Coenens Leben begann auf der schiefen Bahn. Er wurde in eine Alkoholikerfamilie hineingeboren, wuchs erst bei der Oma auf, die eine Kneipe in Krefeld führte. Kam mit acht Jahren zurück zu den Eltern, wo es ständig Zoff gab. Zwar hatte er den Hauptschulabschluss, aber keine Chance auf ein erfolgreiches Leben.

Michael Coenen über Witten: „Ist dezent, nicht so hektisch“

Von Krefeld zog es ihn auf die Reeperbahn. Später irgendwann vermittelte ihm eine Sozialarbeiterin einen Therapieplatz in Breckerfeld. Er suchte sich einen nahen Verkaufsplatz für Bodo und entdeckte Witten. Die Stadt gefiel ihm. „Ist dezent, nicht so hektisch“, hatte er mal gesagt.

Michael Coenen trug das Herz auf der Zunge. Er hatte was zu erzählen und kriegte immer wieder die Kurve, wenn es zwischendurch mal bergab ging. Er hat mehrmals Geld für das Tierheim in Witten gesammelt – das war ihm wichtig.

Michael Coenen ist bereits am 28. September gestorben. Er wurde 57 Jahre alt. Seine Beisetzung findet am Donnerstag, 29. Oktober, um 13 Uhr auf dem Friedhof Oberkrone statt. Hier gibt es mehr Artikel, Bilder und Videos aus Witten