Witten. Friseur Lulzim Qunaj verliert seinen einzigen Gesellen. Der muss nächste Woche ausreisen – obwohl er einen festen Arbeitsvertrag in Witten hat.

Wiesenviertel-Friseur Lulzim Qunaj ist verzweifelt. Denn sein derzeit einziger Mitarbeiter wird aus Deutschland abgeschoben – trotz abgeschlossener Berufsausbildung und unbefristetem Arbeitsvertrag. „Er hat so hart für seinen Traum gearbeitet“, sagt der Inhaber eines Salons in Witten. „Jetzt wird der knallhart zerstört – und meine Existenz bedroht.“

Ein Bild aus besseren Zeiten: Eklist Voga hatte im Februar gerade erfolgreich seine Ausbildung beendet.
Ein Bild aus besseren Zeiten: Eklist Voga hatte im Februar gerade erfolgreich seine Ausbildung beendet. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Denn auch das Friseurgeschäft an der Wiesenstraße leidet unter den Folgen der Corona-Krise. Erst der Lockdown, dann deutlich weniger Kundschaft durch die strengen Hygieneauflagen. „Und jetzt noch das. Es ist so schlimm“, klagt Qunaj. Zuletzt stand der Ladeninhaber, der schon den Stars vom FC Bayern die Haare geschnitten hat, nur noch mit einem Praktikanten und seinem Gesellen Eklist Voga im Geschäft.

Viel Zeit und Mühe in die Ausbildungdes Friseurgesellen in Witten gesteckt

Der gebürtige Albaner muss Deutschland nun kommende Woche verlassen. „Mit ihm hätte ich die Krise gut überstehen können“, ist sich Qunaj sicher. „Ich als Arbeitgeber bin dringend auf gute Leute angewiesen“, so der 44-Jährige, der selbst aus dem kosovo stammt. In Voga habe er einen hervorragenden Mitarbeiter gefunden. Und jemanden, der „perfekt zu meinem Salon passt.“ Viel Zeit und Arbeit habe er in die Ausbildung seines Gesellen gesteckt. „Hier im Salon brannte auch gerne bis spät abends das Licht, wenn wir an einer Technik gefeilt haben“, erinnert sich Qunaj.

Auch interessant

Voga kam vor rund fünf Jahren aus seiner Heimat nach Deutschland. Sein Antrag auf Asyl wurde zwar abgelehnt. Dank seiner Lehrstelle bei LQ Hair erhielt er aber eine Duldung. Anfang des Jahres schloss der junge Mann seine Ausbildung ab. „Da war ich so glücklich und motiviert“, sagt der 21-Jährige. Er bekam direkt im Anschluss von seinem Chef einen unbefristeten Vertrag. Daher hoffte Voga, mit einer Arbeitserlaubnis bleiben zu können. Dass er Deutschland nun verlassen muss, habe ihn schockiert. „Ich habe gezittert, als ich davon erfahren habe.“

Für eine Ausbildung nach Deutschland gekommen

Er sei für eine Ausbildung nach Deutschland gekommen, „nicht weil ich Geld vom Staat wollte“, sagt Eklist Voga niedergeschlagen. „Jetzt ist meine Zukunft kaputt gegangen.“ Eigentlich wollte der Geselle auch bald auf der Meisterschule starten. Nicht einmal drei Monate habe sein Schützling Geld vom Staat erhalten, dann bereits sein eigenes Geld verdient, betont sein Chef Lulzim Qunaj. „Solche jungen Menschen brauchen wir doch. Er war so engagiert und fleißig. Auf ihn wartet hier eine Top-Zukunft.“

Auch interessant

Im Normalfall gelte auch für Geduldete nach der Ausbildung eine zweijährige „Schonfrist“, wenn sie im erlernten Beruf arbeiten, sagt Ulrich Brauer von der Arbeitsagentur in Hagen. Entscheidungen über das Aufenthaltsrecht seien aber immer Einzelfallentscheidungen. Weil Eklist Voga in Herne lebt, ist die dortige Ausländerbehörde zuständig.

Arbeitgeber will Mitarbeiter nach Abschiebung zurückholen

Aus datenschutzrechtlichen Gründen gibt das Amt keine Auskunft zu dem Fall. Es verweist nur allgemein darauf, dass Ausländer Deutschland verlassen müssen, wenn die Voraussetzungen für einen Aufenthaltstitel nicht vorliegen oder nicht mehr erfüllt seien. Oder „wenn ein Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ gefährde, etwa weil jemand straffällig geworden ist. Qunaj legt für seinen Gesellen seine Hand ins Feuer. „Er ist kein bisschen kriminell, auf keinen Fall.“ Derzeit bemüht er sich um einen Termin bei der scheidenden Bürgermeisterin.

Eine weitere Möglichkeit: Voga könnte nach seiner Ausreise von Albanien aus ein Arbeitsvisum beantragen. Wie lange das dauert und ob diese Bemühungen erfolgreich sein werden, ist allerdings ungewiss. Friseur-Meister Qunaj will nicht aufgeben: „Ich werde versuchen ihn zurückzuholen. Er gehört jetzt hierher.“

Nach Abschiebung droht Einreisesperre

Albanien gilt als sicheres Herkunftsland. Asylanträge von Menschen von dort werden daher meist abgelehnt. Dass aber ein Geduldeter mit Abschluss in einem Ausbildungsberuf abgeschoben werde, sei unwahrscheinlich, sagt Leif Berndt, Leiter der Wittener Ausländerbehörde. Allerdings müssten in einem solchen Verfahren sehr viele rechtliche und formale Aspekte berücksichtigt werden, etwa der Zeitpunkt, zu dem der Asylantrag gestellt wurde.

Grünen-Politikerin Lilo Dannert, die seit Jahren in der Flüchtlingshilfe aktiv ist, kennt Fälle wie die von Eklist Voga. Ein besonderes Problem sei dabei, dass die Ausländerbehörde bei einer Abschiebung eine zeitlich befristete Einreisesperre für die Person verhängen muss. Wie lange diese Sperre gilt, kann die Behörde im Einzelfall entscheiden. Sie darf höchstens für fünf Jahre ausgesprochen werden.

Wie viele Geflüchtete derzeit eine Ausbildung in Witten machen, lässt sich nicht sagen. Die Arbeitsagentur erfasst den Aufenthaltsstatus von Azubis nicht. Junge Leute, die sich in Berufen mit großem Fachkräftebedarf ausbilden lassen, hätten aber gute Chancen, dass sie im Anschluss eine Arbeitserlaubnis erhalten, sagt Berufsberater Rasmus Keichel. Das seien etwa der Bereich Pflege oder die Gastronomie. Rar seien aber auch Friseur-Meister. Hier kämen im EN-Kreis auf einen Bewerber zehn Stellen.

Mehr Nachrichten aus Witten lesen Sie hier.