Witten. Corona belastet zusätzlich den Offenen Ganztag in Witten, der schon vorher litt – etwa unter fehlenden Räumlichkeiten. Was brauchen die Träger?

Die Offenen Ganztagsschulen (OGS) in Witten bekräftigen die landesweiten Klagen von Schulleitern, Verdi und Trägern über Personalmangel, mangelnde Unterstützung des Landes NRW und eine zu hohe Belastung der Mitarbeiter.

„Ich kann mich mit der Kritik voll identifizieren“, sagt Jennifer Wojcik, die die OGS-Betreuung beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) in Witten leitet. Sie koordiniert die Ganztagsschulen in Herbede, Buchholz und Vormholz. „Man merkt einfach, dass wir zu wenig Personal haben.“ Das sei zwar auch schon vor Corona der Fall gewesen. Jetzt käme dies aber noch mehr zum Tragen. So würde sie selbst teilweise aushelfen müssen.

Offene Ganztagsschulen in Witten müssen Konzepte alleine erstellen

Aber wo genau liegen die Probleme? Grundsätzlich fehle ein klares Konzept, sagt Jennifer Wojcik. „Wir fühlen uns einfach allein gelassen. Es gibt keine genauen Vorgaben für die Umsetzung von Hygienemaßnahmen.“ Man orientiere sich deshalb an den Schulen und habe die Konzepte allein erstellt. „Wir schauen alle zusammen, dass wir mit wenig Ressourcen was auf die Beine stellen.“

Während die Kinder im Unterricht in ihren Lerngruppen sind, besteht an der OGS die Gefahr, dass sich einzelne Gruppen vermischen. Draußen mal eben Fangen spielen mit dem Kumpel aus einer anderen Gruppe? Fehlanzeige. „Selbst auf dem Schulhof dürfen sie nicht in die Bereiche, wo Freunde aus anderen Gruppen sind“, erklärt die OGS-Koordinatorin vom DRK.

Belastung für das Personal wird immer größer

Dadurch wird die Belastung für das Personal noch einmal größer. Die Aufsicht muss nicht nur auf eine Gruppe achten, sondern immer ein Auge darauf werfen, dass sich niemand vermischt. An der OGS der Vormholzer Grundschule hat man dafür ein rollierendes System eingeführt. „Die Kinder sind einen Tag im Raum und am nächsten Tag dürfen sie sich frei bewegen“, sagt Jennifer Wojcik.

Vier Träger betreiben OGS

Mit der Stadt Witten, der Awo Ennepe-Ruhr, der Ratz+Fatz Company (Evangelischer Kirchenkreis) und dem Deutschen Roten Kreuz gibt es in Witten vier Träger, die die 20 (inklusive Förder- und Waldorfschulen) Offenen Ganztagsschulen betreiben.

An den Grundschulen werden laut Stadt von 3096 Schülern 1612 Kinder im Ganztag betreut. Das entspricht einer Versorgungsquote von 52,07 Prozent.

Wie viele Kinder derzeit auf den Wartelisten stehen, kann die Stadt nicht genau sagen. Jedoch gab es an der OGS der Pferdebachschule eine Aufstockung von 80 auf 100 Plätze, wodurch die Warteliste kleiner wurde.

Die Elternbeiträge für die OGS liegen in Witten zwischen null und 150 Euro monatlich. Die Kosten werden nach dem Einkommen der Eltern gestaffelt. Besuchen mehrere Kinder einer Familie gleichzeitig eine OGS, wird für das erste Kind der volle Beitrag und für das zweite 25% des Vollbeitrags erhoben. Jedes weitere Kind ist beitragsfrei.

Auch diejenigen, die jeden Tag vor Ort sind, können die Probleme bestätigen. Die Leiterin einer OGS in Witten (Name der Redaktion bekannt) sieht bei ihren Mitarbeitern eine große Belastung. „Die Gruppen sind zwischen 20 und 30 Personen groß. Eine Person muss dabei auf alles achten. Vermischt sich keine Gruppe? Halten alle den nötigen Abstand?“, sagt sie. Solange alle Betreuer gesund blieben, würde es auch funktionieren. Wenn aber einer ausfällt, fehlt direkt die Betreuung für die betroffene Gruppe. „Wir schuften und geben mit Hilfe unseres Trägers alles“, sagt sie. Dennoch spüre man die Probleme in allen Situationen. Selbst das Händewaschen mit über 20 Leuten sei mittlerweile eine große Herausforderung, die auch wieder aufs Personal zurückfällt.

Die Stadt ist Trägerin des Offenen Ganztags an der Bredde-, Pferdebach- und an der Pestalozzischule. „Wir leben in Witten sicher nicht auf der Insel der Glückseligen“,weiß auch Heiko Müller, der bei der Stadt die Abteilung für Schule und Kitas leitet, wo es hakt. Er würde sich mehr Personal und Räume wünschen.

Fachkundige Betreuer sind nicht leicht zu finden

So werden an manchen Schulen die Spaghetti mittags nicht im Speisesaal, sondern in Klassenzimmern serviert. „Wir nutzen da jetzt die Räume der Schule,“, sagt Müller. Wurde vorher in zwei Abschnitten gespeist, sind es jetzt vier. Entsprechend größer ist der Aufwand. „Das geht schon dabei los, dass man das Geschirr von A nach B schleppen muss, wenn in mehreren Räumen gegessen wird“, erklärt Heiko Müller.

Die Stadt setzt als Träger Springer ein, die in mehreren OGS arbeiten. Sie haben dann zwar Kontakt zu mehreren Gruppen. „Wir machen das aber lieber so, als wenn wir eine Offene Ganztagsschule komplett schließen müssen, weil wir kein Personal haben“, betont Müller.

Doch mehr fachkundige Betreuer lassen sich gar nicht so leicht finden. Diese Erfahrung hat zumindest Jennifer Wojcik vom DRK gemacht. „In Herbede suchen wir dringend Erzieher. Allerdings gibt es nur wenig Bewerber“, sagt sie. Sie wünscht sich, dass die Ganztagsschulen in Zukunft vom Land mehr berücksichtigt werden.

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