Witten. Die Stadtverwaltung rechnet damit, dass aus Griechenland zwei größere Flüchtlingsfamilien Witten zugewiesen werden. Es könnten auch mehr sein.

In Witten wird der Ruf lauter, gestrandete Flüchtlinge aus Griechenland aufzunehmen, etwa aus dem abgebrannten Lager in Moria auf Lesbos. Insgesamt dürfen 1553 Menschen aus 408 Familien, die unter anderem dort untergebracht wurden, nach Deutschland einreisen. In Witten leben zurzeit rund 700 Geflüchtete. Könnten es bald mehr werden?

Die sogenannte „Erfüllungsquote“ für die Aufnahme von Geflüchteten liegt in Witten derzeit bei 95 Prozent, so Stadtsprecher Jörg Schäfer. „Es ist somit damit zu rechnen, dass uns in nächster Zeit etwa 16 Geflüchtete zugewiesen werden, um 100 Prozent zu erreichen. Das bedeutet, dass wir zum Beispiel zwei weitere Familien (auch größere) aufnehmen und unterbringen könnten.“

Noch Platz für 31 Personen an der Brauckstraße in Witten

In der städtischen Flüchtlingsunterkunft an der Brauckstraße wohnen laut Verwaltung aktuell 89 Menschen, bei einer Kapazität von derzeit 120 Personen. Somit fänden dort noch 31 Personen Platz.

Das wären mehr Menschen, als Witten aufnehmen müsste. Und das solle die Stadt auch tun, sagt der Wittener SPD-Bundestagsabgeordnete Ralf Kapschack. „Als reiches Land im Herzen Europas dürfen wir solche Bilder wie auf Lesbos nicht hinnehmen.“

Der Sozialpolitiker hat mit anderen SPD-Abgeordneten einen Brief an die Bundeskanzlerin unterzeichnet, indem sie sich für die Aufnahme von mehr Flüchtlingen aus Moria einsetzen. Der Wittener kritisiert Innenminister Horst Seehofer. „Seit Monaten fordern wir, den Menschen in Moria zu helfen. Witten hat sich mit der Aktion „Seebrücke“ lange vor dem Brand bereit erklärt, als Kommune mehr Menschen in Not aufzunehmen.“

Witten will nach Ratsbeschluss zusätzlich Flüchtlinge aufnehmen

Im Mai 2020 hatte der Stadtrat entschieden, die Initiative „Seebrücke“ zu unterstützen. Die Stadt sollte der Bundesregierung anzubieten, Menschen zusätzlich zur Quote aufzunehmen. SPD, Linke, Piraten, Grüne und Bürgerforum waren dem Bürgerantrag des 17-jährigen Schülers Jakob Erens gefolgt. Die CDU stimmte dagegen. Sie findet, Witten sollte nur Flüchtlinge nach dem Verteilschlüssel aufnehmen.

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Im Falle Moria denken die Wittener Christdemokraten aber anders. „Wir haben die Verantwortung, Menschen, die sich in Not befinden, zumindest temporär in Sicherheit zu bringen. Und Witten hätte auch die Kapazitäten dafür“, sagt der sozialpolitische Sprecher der CDU-Ratsfraktion, Volker Pompetzki.

Ihm persönlich missfällt die „Pauschalisierung“ in der Diskussion um die Moria-Flüchtlinge. „Es haben ja nicht 12.000 Menschen ihr Lager in Brand gesteckt. Da gibt es Frauen und Kinder, die nun in eine noch größere Notsituation gebracht wurden und denen müssen wir helfen.“

Knapp 700 Flüchtlinge leben aktuell in Witten

290 anerkannte Flüchtlinge leben in Witten. Für sie erhält die Stadt für Unterbringung und Verpflegung eine Pauschale vom Land. Weitere 400 Menschen gelten als geduldet. Für beide Gruppen zusammen muss die Stadt jährlich rund sechs Millionen Euro über den eigenen Haushalt stemmen.

Die Geduldeten kommen hauptsächlich aus dem Kosovo, Albanien, Serbien, dem Libanon, Irak, Ghana und der Russischen Föderation. In zwei Dritteln aller Fälle sind fehlende Ausweispapiere oder der gesundheitliche Zustand der Menschen der Grund für die derzeitige Duldung. Oft handelt es sich dabei um psychische Erkrankungen. Wenn minderjährige Kinder krank sind, müssten auch deren Eltern das Land nicht verlassen.

Die geringe Zahl an Familien, die jetzt nach Witten kommen könnten, könne die Stadt sehr gut verkraften, sagt die Grünen-Politikerin Lilo Dannert. Unterstützung gebe es genug. Dannert: „Es gibt weiterhin ein breites Netz an Ehrenamtlichen, die sich zum Beispiel im Help-Kiosk engagieren, sowie feste Einrichtungen wie die Integrationsagentur des DRK und die Stellen der Caritas.“

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