Witten. Die Stadt Witten ist jetzt ein sicherer Hafen für Geflüchtete, die in Seenot geraten sind. Zu verdanken ist das einem 17-jährigen Schüler.
Jakob Erens ist nach der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses zufrieden nach Hause gegangen. Denn der Tag endete für den 17-jährigen Wittener mit einem Erfolg: Sein Bürgerantrag wurde angenommen. Die Stadt wird die Initiative "Seebrücke" unterstützen und sich zum sicheren Hafen für Flüchtlinge erklären. Monatelang hat Jakob darauf hingearbeitet.
"Menschlichkeit ist in Zeiten einer Krise wichtiger denn je", beginnt der junge Mann, der die Adolf-Reichwein-Realschule besucht hat und jetzt auf ein Bochumer Berufskolleg geht, seinen Appell an die Ratsmitglieder. Er ist nicht ganz allein mit seinem Engagement: Schon Ende April haben Mitglieder der "Seebrücke" und der Klimagruppe "Ende Gelände Witten" für das Grundrecht auf Asyl in der Stadt demonstriert.
Junger Wittener war jahrelang Mitglied des Kinder- und Jugendparlaments
Eine kleine Gruppe hat auch an diesem Montagnachmittag (11.5.) schon vor der Sitzung mit bunter Kreide und in großen Buchstaben Sprüche auf den Rathausplatz geschrieben: "Lager evakuieren - jetzt" oder "Öffnet die Grenzen". Er habe aber niemanden zu dieser Aktion aufgefordert oder ausdrücklich zur Sitzung eingeladen, betont Jakob.
Nervös wirkt er nicht, wie er da vorne im großen Saal am Mikro steht - auch wenn wegen schlechter Akustik und Maske nicht alles zu hören ist. Jakob Erens hat schließlich Erfahrung mit der Politik. Er war jahrelang Mitglied des Kinder- und Jugendparlaments, dem er jetzt aber nur noch beratend zur Seite steht. Bei allen Wittener Parteien hat Jakob persönlich für die Unterstützung der Initiative Seebrücke geworben. Dafür erntet er nun das Wohlwollen der meisten Politiker.
Wittener Politiker ziehen eigene Anträge zum Thema Seebrücke zurück
"Die Situation in den Lagern ist eine humanitäre Katastrophe", sagt etwa SPD-Fraktionschef Dr. Uwe Rath. Man unterstütze deshalb eine Asylpolitik, die es Kommunen ermögliche, Flüchtlinge ohne Rücksicht auf die Quote aufnehmen zu können, und stimme für Jakobs Antrag. Auch Ulla Weiß (Die Linke) lobt den jungen Mann: "Das ist Bürgerengagement." Piraten, Grüne und Bürgerforum ziehen ihre eigenen Anträge zum Thema zurück.
Die CDU ist nicht zu überzeugen. Man habe mit symbolischen Beschlüssen Probleme, so Fraktionsvorsitzender Klaus Noske. "Denn die haben bisher wenig bewirkt." 150 Städte seien der Initiative beigetreten, "doch passiert ist bis heute nichts". Deshalb wolle die CDU daran festhalten, Flüchtlinge nach dem Verteilschlüssel aufzunehmen.
Jakob Erens: Es geht nicht nur um Symbolik, es gibt auch Forderungen
Dass es nur um Symbolik gehe, sieht Jakob Erens etwas anders. Natürlich sei der Ausdruck "sicherer Hafen" nur als Metapher zu verstehen. "Aber Forderungen gibt es." So sollen Menschen zusätzlich zur Quote aufgenommen werden. Die Verwaltung soll diese Bereitschaft der Bundesregierung mitteilen und anbieten."Ich will einfach nicht, dass Menschen im Mittelmeer ertrinken, obwohl man das verhindern könnte", sagt Jakob. Er habe selbst Freunde und Bekannte, die geflüchtet sind.
Im vergangenen Sommer ist er erstmals auf das Bündnis Seebrücke aufmerksam geworden. Hat sich informiert und bald eine Lokalgruppe gegründet. Jeder darf mitmachen, auch wenn die Gruppe parteineutral bleiben will. "Beim ersten Treffen waren über 20 Leute", erzählt der junge Wittener. Inzwischen seien es wieder weniger. Doch Jakob hat schon Ideen, wie er Gleichgesinnte motivieren könnte: mit Demos, Projekten, Aufklärungsabenden.
Er weiß: "Nicht viele in meinem Alter interessieren sich für Politik." Denen gibt er eines mit auf den Weg: "Man muss nicht jeden Tag auf die Straße gehen, aber wenigstens zur Wahl. Und sich informieren." Jakob tut dies über sein Herzensthema Flüchtlinge hinaus. Obwohl sein Antrag als erster Punkt auf der Tagesordnung steht, verfolgt er die öffentliche Sitzung bis zum Ende. Denn er findet: "Das ist doch interessant."
Info:
Die "Seebrücke" ist eine internationale Bewegung, getragen von verschiedenen Bündnissen und Akteuren der Zivilgesellschaft.
In Witten unterstützen u.a. die DRK-Integrationsagentur und der Evangelische Kirchenkreis Hattingen-Witten die Initiative. Wer Interesse hat, kann über Facebook Kontakt zu Jakob Erens aufnehmen.
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