Witten. Telefonisch sei die Verwaltung kaum zu erreichen, klagen mehrere Bürger. Auch Termine seien nur schwer zu bekommen. Das rät die Stadt.

„Bitte legen Sie nicht auf, Sie werden verbunden“: Diesen Satz hat sich Dr. Ralf Ostermann immer wieder anhören müssen. Seit Juni versucht der 67-Jährige einen Termin bei der Stadt zu bekommen, weil sein Personalausweis im September abläuft. Bislang allerdings vergeblich. Inzwischen hat er die Nase gestrichen voll. „Der Bürgerservice in Witten läuft einfach nicht“, schimpft er. Und ist mit dieser Klage nicht allein.

„Immer wieder habe ich in der Warteschlange gehangen“, das erzählt auch eine Hevenerin, die bei der Stadtverwaltung angerufen hat. „Wochenlang habe ich es versucht“, sagt die 75-Jährige. Bis zu 20 Minuten habe sie gewartet, sei aber nie verbunden worden. Ihrer Freundin sei es genauso gegangen. Die 84-Jährige habe sich dann mit dem Rollator auf den Weg zum Rathaus gemacht, sei von den Sicherheitsleuten am Eingang aber brüsk abgewiesen worden.

Bürgerservice unter Corona-Vorgaben: Izabella Tavelmann (li.) und Birgit Brammer (im Hintergrund) beraten die Wittener im Rathaus.
Bürgerservice unter Corona-Vorgaben: Izabella Tavelmann (li.) und Birgit Brammer (im Hintergrund) beraten die Wittener im Rathaus. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Das gleiche erlebte auch Ralf Ostermann. Nach dem gescheiterten Versuch, telefonisch einen Termin zu machen, versuchte er es per Mail. „Ich habe einen online ausgemacht, aber die versprochene Antwortmail kam nie an, deshalb konnte ich den Termin dann auch nicht, wie gefordert, bestätigen.“ Der 67-Jährige wollte es daher vor Ort versuchen. „Ich weiß, dass man einen Termin braucht. Aber ich wollte so lange warten, bis man nicht zur Kenntnis nimmt“, erzählt er. Aber das auch das ging nicht: Die Security habe ihn abgewimmelt und gesagt, dann müsse er am Telefon eben mehr Geduld haben. „Ich hatte Geduld, mehr als genug. Aber nun ist sie am Ende.“

Nicht alle Arbeitsplätze im Wittener Rathaus können genutzt werden

Dafür hat Amtsleiterin Daniela Borsch Verständnis: „Die Bürger sind von uns ein größeres Angebot und kürzere Wartezeiten gewöhnt.“ Corona stelle die Stadt aber immer noch vor Beschränkungen, die zu einem reduzierten Angebot führten. So könnten etwa wegen der Corona-Abstandsregeln nicht alle Arbeitsplätze für den Empfang von Publikum genutzt werden können. Die Stadt steuere aber immer wieder nach, sagt Borsch. So sei etwa für Anträge auf eine Meldebescheinigung oder ein Führungszeugnis auch die persönliche Vorsprache wieder möglich gemacht worden. Allerdings: Pflichtaufgaben wie etwa die Anträge auf Ausweise oder Ummeldungen hätten derzeit klare Priorität.

Grundsätzlich sei die Stadtverwaltung aber telefonisch erreichbar, betont die Amtsleiterin. Die Telefonnummern 581-0 und 581-1234 seien mit so vielen Personen besetzt wie vor Corona, teilweise sogar mehr, versichert sie. Allerdings habe sich die Zahl der Anrufe und Dauer der Gespräche deutlich erhöht. „Dadurch ist es schwierig, uns zu erreichen, insbesondere zu Stoßzeiten wie beispielsweise montags morgens“, so Borsch. Anrufer, die in der Warteschleife sind, würden auch noch durchgestellt, wenn die Telefonzentrale eigentlich schon „geschlossen“ ist.

Wöchentlich werden neue Termine angeboten

Umgestellt worden sei die Termin-Vergabe. Zwar sei die Bürgerberatung eigentlich „in weiten Teilen bereits bis in den Oktober hinein ausgebucht“, aber dennoch würde sich ein Blick in den Online-Kalender lohnen, so Borsch. Denn wochenweise würden nun auch wieder kurzfristig Termine angeboten – wenn auch nur in geringer Anzahl. Das System mit den Email-Bestätigungen funktioniere dabei eigentlich problemlos.

„Geduld ist keine Lösung“

Weil in Coronazeiten die Personaldecke zu kurz ist, kommt auch das Standesamtes mit dem Versenden der Urkunden nicht mehr hinterher: Es könne bis zu sechs Wochen dauern, bis die Urkunden zugestellt werden, teilte die Stadt letzte Woche mit und bittet um Verständnis.

Die Schwangeren-Beratung „Pro Familia“ hat indes kein Verständnis dafür: Längere Wartezeiten führten zu verzögerten Leistungen wie Kindergeld, Elterngeld oder Kinderzuschlag. Finanzschwache Familien könne das in eine große finanzielle Krise stürzen, so die Beratungsstelle – gerade jetzt in der Corona-Krise mit Kurzarbeitergeld und Jobverlust.

Pro Familia betont: „Verzögerungen dieser Art sind also keine Banalität. Eltern würde es mutmaßlich sehr entlasten zu erfahren, was man tut, um mit den Schwierigkeiten zu verfahren. Geduld kann hier jedenfalls nicht die Lösung sein.“

Überhaupt setzt das Rathaus verstärkt aufs Internet. Sehr viele Leistungen seien inzwischen online verfügbar gemacht worden, betont Amtsleiterin Daniela Borsch. Bei vielen Anliegen sind sowohl Telefonate als auch Besuche im Rathaus gar nicht mehr nötig.

Die 75-Jährige Hevenerin, die in der Warteschleife hing, tröstet das nicht. Sie hat keinen Computer. „Und ich finde“, sagt sie erbost, „davon kann die Stadt auch einfach nicht ausgehen.“ Auch Ralf Ostermann hat kein Verständnis für die Engpässe bei der Verwaltung: „Die Bürger erwarten Hilfe von der Stadt. Gerade jetzt.“

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