Witten. Die Edelstahlwerke Witten haben eine Landesbürgschaft beantragt, es laufen Verhandlungen über einen Sanierungstarifvertrag. Personalabbau droht.

In den Überlebenskampf der Deutschen Edelstahlwerke in Witten kommt Bewegung. Die Geschäftsführung hat mittlerweile nach eigenen Angaben den Antrag auf eine Landesbürgschaft eingereicht. Bereits Anfang Juni hatte das Management angekündigt, sich um einen staatlich verbürgten Kredit in Höhe von 50 Millionen Euro bemühen zu wollen.

Wie dringend das Unternehmen die finanzielle Unterstützung benötigt, hat auch die am Mittwoch vom Schweizer Mutterkonzern Schmolz und Bickenbach (S+B) vorgestellte Zwischenbilanz für das zweite Quartal noch einmal untermauert. Gleichzeitig kündigte die Konzernleitung einen weiteren Personalabbau an. „In Deutschland geht es um eine dreistellige Zahl“, so S+B-Chef Clemens Iller.

270 Stellen standen schon im März auf der Kippe

Bereits im März war von rund 270 Stellen die Rede gewesen. Genauere Angaben zu den gefährdeten Arbeitsplätzen macht der Konzern nicht. So ist weiterhin unklar, ob und wie sehr diese Zahl nun eventuell gestiegen ist, und wie sich Stellenstreichungen auf die Werke verteilen. In Witten bangen spätestens seit Juni, als IG-Metall-Vertrauensleute vor einer Insolvenz des Unternehmens warnten, rund 1700 Beschäftigte um ihren Arbeitsplatz. Insgesamt sind 4000 Personen bei der DEW angestellt.

Der Umsatz von Schmolz und Bickenbach ist im zweiten Quartal 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um knapp 42 Prozent auf 470 Millionen Euro eingebrochen. Auch ihr Geschäft in Deutschland büßte 42 Prozent ein und setzte nur noch 170 Millionen Euro um.

Edelstahlwerke haben 82 Millionen Euro an Wert verloren

Neben der allerorts unzureichenden Auslastung der Werke schmälert auch eine Wertminderung der Tochtergesellschaft DEW das Gesamtergebnis des Konzerns. Diese zeigt, wie hart die Pandemie und ihre Auswirkungen den hiesigen Stahlproduzenten getroffen haben. So hat die DEW mit ihren Werken in Witten, Hattingen, Krefeld, Siegen und Hagen demnach im laufenden Jahr bislang rund 82 Millionen Euro an Wert verloren.

Das Management begründet die Abwertung mit der nur verzögert erwarteten Erholung bei der Nachfrage nach Produkten der DEW. Frühestens im Laufe des vierten Quartals erwarten die Schweizer für den Gesamtkonzern und seine verschiedenen Töchter eine „vorsichtige Erholung auf tiefem Niveau“.

Verhandlungen mit Banken und Investoren

In der Hochphase des Lockdown waren der DEW bis zu 70 Prozent ihrer Aufträge weggebrochen. Dies schränke den finanziellen Spielraum extrem ein und könnte „eine große Herausforderung für die Zukunft und den Fortbestand der DEW darstellen“, so die Geschäftsführung im Juni gegenüber unserer Redaktion. Für die kommenden Monate weise die Liquiditätsplanung der Edelstahlwerke aber keine Lücken auf, betonte nun eine S+B-Sprecherin auf Nachfrage.

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Zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit des Gesamtkonzerns verhandelt das Schweizer Management derzeit neu mit den Banken. Zusätzlich sei man auch in „proaktiven und konstruktiven Gesprächen“ mit Ankeraktionären und potenziellen Investoren, um „ein nachhaltiges Finanzierungskonzept“ voranzutreiben. Um kurzfristig die Zahlungsfähigkeit aufrecht zu erhalten, würden nun „vermehrt temporäre und strukturelle Personalmaßnahmen im Fokus“ stehen, heißt es in einer Veröffentlichung zur Quartalsbilanz – also wohl Stellenstreichungen.

Bei DEW befinde man sich derzeit auch „in konstruktiven Verhandlungen mit dem Betriebsrat über einen Restrukturierungstarifvertrag“, so die Konzernleitung. Ein Abschluss dazu werde im Laufe des zweiten Halbjahres 2020 erwartet. Ungeachtet des Jobabbaus soll die Belegschaft dabei in den kommenden drei Jahren auf Geld verzichten.

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