Witten. Familienforschung liegt im Trend - besonders in Pandemie-Zeiten. Im Stadtarchiv Witten melden sich auch Menschen aus den USA oder Niederlanden.

Ist es die Langeweile? Oder dass Corona uns mit der Endlichkeit des Lebens konfrontiert? Viele Menschen beschäftigen sich in diesen Zeiten mit ihrer Familiengeschichte, möchten sich einen eigenen Stammbaum zeichnen oder die Rolle der Vorfahren in der NS-Zeit recherchieren. Auch das Stadtarchiv Witten bekommt täglich Anfragen von Hobbyforschern auf der Suche nach den Vorfahren. Erstaunlicherweise kommen die meisten Suchaufträge aus den Niederlanden und den USA, so Stadtarchivarin Martina Kliner-Fruck. Denn die Ahnenforschung sei dort seit einigen Jahren sehr en vogue.

„Im Moment können wir innerhalb von sechs Wochen alle Anfragen beantworten“, sagt die Leiterin des Stadtarchivs im Saalbau. Auf diese relativ kurze Bearbeitungszeit ist das Team mit seinen dreieinhalb Stellen stolz: „Schließlich sind wir ein kleines Archiv, das aber eine Großstadt verwaltet“. Witten hatte schließlich in Spitzenzeiten 110.000 Einwohner.

Besonders viele Anfragen in den Wintermonaten

Eine der Aufgaben des Teams ist es, die Personenstandsunterlagen des Standesamtes Witten elektronisch zu erfassen – also Heirats-, Geburts- und Sterbeurkunden. Das heißt, in ein digitales Archivsystem werden Vorname und Name der Person gespeichert, sowie die Nummer der Unterlagen. Anhand dieser kann das meist noch handgeschriebene Dokument bei Bedarf herausgeholt und gescannt werden. „Scan on demand“ nennt sich dieser Service, er ist allerdings kostenpflichtig.

„Wenn wir viele Anfragen gleichzeitig bekommen, dürfen wir nicht den Überblick verlieren“, sagt Kliner-Fruck. Die Recherchezeit im Archiv sei darum reduziert. Denn: „Archivnutzer sind sehr geduldig“ und lesen sich offenbar gern mal fest. Genervt von der Vielzahl der Anfragen ist man im Stadtarchiv nicht. „Oft ist die Familienforschung ja auch für uns sehr hilfreich.“ Die Zahl der Spurensucher ist schon seit einigen Jahren hoch, vor allem in den Wintermonaten. Vergleichbar sei die Zahl der Anfragen während der Pandemie.

US-Familien beauftragen kommerzielle Ahnenforscher

Da ist der Herr, der den Stammbaum seiner Familie rekonstruieren möchte. 1958 hätten die Großeltern in Witten geheiratet. Die Heiratsurkunde kann das Stadtarchiv zur Verfügung stellen. Es gibt aber auch professionelle Genealogen, die gegen Bezahlung nach den Vorfahren einer Familie suchen. Oft leben die Auftraggeber heute in den USA. Mitunter stammt die Familie aus Witten und wurde in der NS-Zeit über mehrere Kontinente verstreut.

Das kostet die Suche nach den Vorfahren

Die Arbeit der Archivare müssen Nutzer bezahlen: Jede halbe Stunde Recherchezeit kostet 15 Euro, hinzu kommen die Kosten für gescannte oder kopierte Dokumente. Die Kosten findet man unter www.kulturforum-witten.de/stadtarchiv/entgeltordnung.

Wegen der Corona-Pandemie kann man das Stadtarchiv nur in einem provisorisch eingerichteten Lesebereich nutzen, ausschließlich nach Terminvereinbarung (581-2415) oder E-Mail an stadtarchiv@stadt-witten.de.

„Familienforschung ist nicht mehr das klassische Hobby der Rentner, die zu uns kommen, weil sie einen Stammbaum für ihre Enkel zeichnen möchten“, sagt Martina Kliner-Fruck. „Genauso häufig kommt die Urenkelgeneration, die wissen möchte, wie sich ihre Vorfahren während der Nazi-Zeit verhalten haben. Oft gibt es ein Schweigetabu in den Familien.“ Die Angehörigen vermuten eine Täterschaft..

Und: Das Interesse an Familienforschung hat manchmal auch andere Gründe. Die amtliche Erbenermittlung zum Beispiel. Gerade spürt im Stadtarchiv jemand aus Brasilien seinen aus Witten emigrierten Vorfahren nach – weil er die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten möchte.