Witten. „Leinen los“ hieß es am Mittwoch für die Schwalbe in Witten. Noch nie ist das Ausflugsschiff später in die Saison gestartet. Wie die wohl wird?
Das Wetter passt zur verkorksten Saison. Es tröpfelt, als die Schwalbe am Mittwochmorgen erstmals in diesem Jahr die Leinen löst. Auch als wir die Ruhr Richtung Stausee hinunterfahren, hängen schwere Wolken am Himmel. Aber sehen wir es doch einmal positiv: Das beliebte Ausflugsschiff kann endlich wieder starten – wenngleich coronabedingt gut drei Monate später als geplant.
Denn normalerweise beginnt die Saison am 1. April. Nun schreiben wir den 8. Juli. Selbst für gestandene Seebären hat es so was noch nie gegeben. „Gott sei Dank geht’s jetzt endlich los. Auf diesen Moment mussten wir lange warten“, sagt Käpt’n Helge Spartz (50), der schon drei Jahrzehnte Schiffserfahrung auf dem Buckel hat. Nichts ist für die Crew schlimmer als auf dem Trocknen zu sitzen.
„Immer nur zu warten, dass es wieder losgeht, ist stressig“, bestätigt Jens Plöger, der so heißt wie der bekannte Wetterfrosch aus dem Ersten. Klar, hatte man immer was zu tun, wenn man nicht gerade zu denen gehörte, die in Kurzarbeit waren. „Ein Teil war immer hier, um die Maschinen am Laufen zu halten“, sagt der 41-Jährige, einer von vier Schiffsführern, die nun bis 31. Oktober den Laden schmeißen.
Nachdem Plöger das Tau vom Poller gelöst hat und Schiffsführer Stefan Finkensiep in der engen Schleuse Grün bekommt, brechen wir endlich zur „Jungfernfahrt“ auf. Zwei Schwäne kreuzen unseren Weg. „Oh, ein Küken“, ruft eine Dame, die an der Pressefahrt auf der Ruhr teilnimmt. Fast sieht es so aus, als würde das schwere Schiff mit dem 200 PS starken Dieselmotor das weiße Federvieh rammen. Aber die Crew bleibt ganz cool. „Die schwimmen schnell dran vorbei und kommen nicht unters Schiff“, sagt Plöger, der seit 2009 dabei ist.
Fahrgäste an Bord der Schwalbe in Witten tragen Maske
Trotz des grauen Himmels ist es mild, es weht ein laues Lüftchen. Alles ist anders. Menschen an Bord tragen Maske, wenn sie nicht an den Tischen sitzen, die weit auseinander stehen. Nur das Ruhrtal hat sich nicht verändert. Wasser schießt das Wehr hinab. Hinter der Lakebrücke warten leere blaue Liegen auf Gäste. Wir nehmen Kurs auf den Stausee. Vögelschwärme fliegen tief übers Wasser. Auch so Daheimgebliebene? Das Schiff passiert den Leuchtturm auf der Landzunge. An Bord gibt’s frischen Kaffee.
„Besser spät als nie“, hat Stadtwerke-Vertriebschef Markus Borgiel (43) zur Begrüßung gesagt. Und die Sicherheitsvorkehrungen erläutert, unter denen die Schwalbe wieder starten durfte. 50 statt 150 Fahrgäste, nur mit Vorreservierung, keine Stopps, nur eine große zweistündige Rundfahrt – Dampfer fahren in Corona-Zeiten. Gestartet wird nur (außer heute Morgen) am Freizeitbad Heveney, aussteigen müssen die Gäste zwei Stunden später schräg gegenüber am Anleger der MS Kemnade. Die fährt im Moment gar nicht. „Antriebsschaden“, heißt es.
Da hatte die Schwalbe noch Glück, dass sich mit Rouven Elwardt einer aus den eigenen Reihen fand, der was von Elektrik versteht. Er tauschte den Regler aus, der ausgerechnet kurz vorm geplanten Saisonstart am 1. Juli den Geist aufgegeben hatte. Deshalb ging es auch erst heute los. Das kam zur Pandemie noch obendrauf.
Es gibt Bockwurst und Kartoffelsalat mit Ei und Gurke
Auch die Speisekarte ist coronabedingt ein bisschen kleiner. Aber es gibt die Sauerländer Bockwurst (3 Euro) und Kartoffelsalat mit Gurke und Ei (2,70). Wie bei Muttern. Kaffee und Kuchen werden ebenfalls serviert. Nur das Büfett fällt aus, sonst gerade bei den Sonntagsfahrten beliebt. Immerhin darf man wieder an Bord heiraten. Zwölf Personen sind erlaubt, „plus Standesbeamter“.
Wir lassen den Stausee schon wieder hinter uns und fahren zurück zur Schleuse. Ein schwarzer Vogel hockt auf einem Stein im Wasser. Kleine Bötchen schaukeln an der Lakebrücke in den Wellen. Idylle pur. So malerisch – und direkt vor unserer Haustür. „Wir hoffen, dass wir zumindest fünfstellig werden“, sagt Markus Borgiel, gefragt nach der angepeilten Fahrgastzahl in dieser Saison. 35.000 waren es im Rekordjahr 2018. 2019 verhagelte eine Havarie die Zahlen. Und jetzt Corona.
Wir stehen oben an Deck und blicken wieder auf die Schleuse, in die das Wasser hineinschießt. 3,50 Meter Höhenunterschied wollen überwunden werden. Dann gehen wir in Heven von Bord. Der Reporter wird noch mal zurückgepfiffen. Er hat vergessen, seine Daten zu hinterlassen, bevor er im Regen in die Stadt zurückradelt. Schön war’s. Aber eine Schwalbe macht noch keinen Sommer.