Witten. Nach dem Lockdown kommen zu wenig Gäste in die Restaurants. Wirtin Ulrike Mittelkötter aus Witten musste sogar einen Nebenjob annehmen.

Sie kocht und serviert wieder: Bratkartoffeln mit Spiegelei, Schnitzel in allen Variationen, Currywurst mit Pommes. Doch längst läuft bei Wirtin Ulrike Mittelkötter in der Herbeder Stadtschänke an der Meesmannstraße nicht alles wie gewohnt. Dass es überhaupt läuft, ist ihr gerade mehr als genug: „Noch einen Monat länger im Lockdown, und ich hätte das alles nicht mehr stemmen können“, sagt die 58-Jährige.

Jetzt wuppt sie seit der Wiederöffnung am 13. Mai den ganzen Betrieb alleine. Die fünf Kräfte auf 450-Euro-Basis musste sie heimschicken. Die 9000 Euro Soforthilfe sind draufgegangen für laufende Kosten: Miete, Strom, Versicherung, Leasingraten für die Kaffeemaschine. Und Ulrike Mittelkötter hat die Öffnungszeiten reduziert, macht ihr Lokal jetzt erst um 16 Uhr auf.

Wehmut an die Zeit „vor Corona“

Denn für den Vormittag hat sich die gelernte Fachwirtin für ambulant betreutes Wohnen einen Nebenjob gesucht - als Pflegebegleitung. „Ich muss in der Schänke jeden Tag eine gewisse Summe verdienen, um den Laden am Laufen halten zu können“, sagt sie. 35 bis 40 Prozent des normalen Umsatzes macht sie derzeit höchstens - und auch nicht täglich.

Tradition in Herbede: Die Stadtschänke hat Wirtin Ulrike Mittelkötter vor sieben Jahren übernommen.
Tradition in Herbede: Die Stadtschänke hat Wirtin Ulrike Mittelkötter vor sieben Jahren übernommen. © FUNKE Foto Services | Kim Kanert

Zwar ist Ulrike Mittelkötter trotzdem alles andere als pessimistisch, doch ein bisschen wehmütig erinnert sie sich schon an die Zeiten vor Corona, als alles „super gelaufen ist“. Vor etwa sieben Jahren hat die Selfmade-Wirtin die Stadtschänke mit dem kleinen Biergarten übernommen. Ein Burnout hatte sie aus ihrem alten Job gekickt. „Die Gaststätte war gerade frei und da habe ich den Sprung ins kalte Wasser gewagt“, sagt sie, die schon immer nebenbei gekellnert hat.

Bis zu 14 Stunden in der Schänke gestanden

Zwei Monate lang habe sie das heruntergekommene Lokal renoviert, allerdings nicht modernisiert. „Ich habe alles im alten Stil gelassen.“ Sie mag die Wandvertäfelung aus Holz. „Das ist gemütlich und kuschelig.“ Ihre Tochter und ihr Schwiegersohn - von Beruf Restaurantfachfrau und Koch - haben ihr mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Sie habe ja noch nicht mal gewusst, wie man ein Bier vernünftig zapft. Bis zu 14 Stunden hat Ulrike Mittelkötter in ihrer Schänke gestanden. „Es hat Spaß gemacht. Und es hat funktioniert, war immer voll.“ Dann kam Corona.

Anfangs habe sie gedacht: „Das geht schnell vorbei.“ Dann wuchs die Sorge um die Gesundheit ihrer 85-jährigen Mutter, mit der sie im Vier-Generationenhaus im Ardey unter einem Dach lebt. „Was, wenn ein Gast mich infiziert und ich sie anstecke?“ Bald war ihr die Situation nicht mehr geheuer. Am 13. März machte die Wittenerin den Laden dicht.

Abholservice lief nicht wie erhofft

Natürlich hat auch sie versucht, mit einem Abholservice ein paar Einnahmen zu sichern. „Aber wer isst schon Schnitzel aus der Pappschale?“ Es lief nicht, wie erhofft. Nach ein paar Wochen stellte sie den Service ein. Nun ist Ulrike Mittelkötter froh, wieder in der Küche und hinterm Tresen stehen zu können. Doch die Auflagen machen ihr zu schaffen.

An den Mundschutz habe sie sich mittlerweile gewöhnt. Aber sie müsse auch dokumentieren, dass sie sich alle 30 Minuten die Hände desinfiziert, dass sie die Tische nach jedem Gast entsprechend abwischt und die Toilette häufiger reinigt. „Und was mache ich mit den Registrierungsbögen? Die kann ich ja aus Datenschutzgründen nicht einfach in den Müll werfen. Und einen Schredder habe ich nicht.“

Trotzdem ist Jammern nicht ihr Ding. Lieber krempelt sie die Ärmel hoch und freut sich über das Verständnis ihrer Gäste. Denn die warten geduldig, wenn’s mit dem Bierchen etwas länger dauert, weil die Wirtin alles allein macht. „Die Leute sind anders geworden. Das gefällt mir.“ Ulrike Mittelkötter hofft, dass die Krise im nächsten Jahr vorbei ist. Denn an den Tischen, die sie auf acht reduzieren musste, bleiben noch zu viele der 40 Plätze leer.

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