Witten. Schulleiterin Michaela Lohrmann wagt kurz vorm Ruhestand einen Neuanfang. Sie eröffnet im Mai eine Pension. Das Haus werden viele Wittener kennen.
Wenn eine Lehrerin nach 41 Jahren in der Schule in den Ruhestand geht, ist eigentlich der richtige Augenblick gekommen, die Füße hochzulegen. Michaela Lohrmann, Leiterin der Pestalozzi-Schule, hat etwas anderes geplant. Die 65-Jährige hat mit ihrem Lebensgefährten Ralph Brands das seit längerem leerstehende Hotel-Restaurant „Am Stöter“ in Bommerholz übernommen. Noch im Mai wollen die beiden dort eine „Ruhrpottpension im Grünen“ eröffnen.
Eigentlich war Michaela Lohrmann auf der Suche nach einem Haus für die Familie und ihren Sohn. Doch beim Suchen blieb sie in den Internet-Portalen immer wieder am Angebot für die Traditionsgaststätte mit der wunderschönen Lage über Witten hängen. „Und dann hab ich Ralph gefragt: Was hältst du davon, wenn wir eine Pension aufmachen...? Das war echt eine Nacht- und Nebelaktion.“ Nach der ersten Überraschung und einer gehörigen Portion Skepsis hat sich der 63-Jährige das Objekt angesehen und sich „sofort in das Hotel verguckt“.
Dann machten die beiden Nägel mit Köpfen. Der Krefelder verkaufte nach 31 Jahren seine Druckerei und unterschrieb mit seiner Partnerin den Vertrag für die Gaststätte samt Wohnhaus mit drei Wohnungen – in eine davon ist das Paar selbst gezogen.
Grundsanierung von Wasser und Elektrik in dem Haus in Witten kostete 80 000 Euro
Reizvoll findet Ralph Brands die neue Aufgabe, die erst einmal vor allem auf seinen Schultern ruhen wird. Denn die Schulleiterin geht erst im nächsten Jahr in Pension. „Ich war schon immer gerne mit Menschen in Kontakt“, sagt er. Erfahrung in der neuen Branche habe er nicht, aber dafür jede Menge Optimismus. „Sonst braucht man so etwas gar nicht erst anzufangen.“ Michaela Lohrmann hingegen ist nicht ganz neu im Geschäft. Schon in ihrem alten Haus an der Herdecker Straße in Annen hat sie Privatzimmer vermietet und Spaß daran gefunden. „Ich komme mit allen Arten von Leuten super klar.“ Im Januar wurde der Schlüssel übergeben.
Seitdem hat das Paar ordentlich rangeklotzt. In den elf Gästezimmern brauchte zwar nicht viel gemacht werden, die waren erst kurz vor der Schließung renoviert worden. „Da fehlte nur der Feinschliff und das Aufpolieren“, so Brands. Aber bei Elektrik, Wasser und Hotelküche musste doch viel mehr erneuert werden als zunächst gedacht. „Das haben wir alles grundsaniert.“ Rund 80.000 Euro haben die neuen Besitzer allein dafür in das Haus gesteckt gesteckt.
Runderneuert wurde auch die Atmosphäre. Der verstaubte gutbürgerliche „Look“ des ehemaligen „Bommerholzer“ ist rausgeflogen. „Wir haben uns stattdessen den Ruhrpott auf die Fahne geschrieben“, erklärt Michaela Lohrmann. Das Revier ist in der Pension an Wänden und Möbeln allgegenwärtig.
Grubenhelme liegen auf den Regalen, ein Arschleder an der Treppe. Im hübsch dekorierten Fenster steht sogar ein Stück Kohle von der letzten Förderung auf Zeche Zollverein. „Vieles ist eine Leihgabe von Zeche Nachtigall und vom Bethaus“, erklärt die 65-Jährige. Beide hätten sie sehr unterstützt – wie übrigens auch die neue Nachbarschaft. „So viel Hilfsbereitschaft wie hier habe ich noch nicht erlebt.“
Später vielleicht noch ein Biergarten in Witten
Die Nachbarn sind nicht nur hilfsbereit, sondern auch neugierig, was sich am Stöter tut. Immer wieder kämen Passanten ins Haus, um sich zu erkundigen. Wird es auch ein Restaurant geben? „Nein“, winkt das Wirte-Paar ab, das sei für sie nicht zu leisten. Die Pensionsgäste würden aber mit Frühstück und kleinen Mahlzeiten versorgt. Und was ist mit dem Biergarten? „Vielleicht später“, macht Lohrmann Hoffnung. Erstmal müsse das Pensionsgeschäft anlaufen. Auch Tagungen, Veranstaltungen und Familienfeiern sind vorgesehen,.
Gaststätte mit langer Tradition
Die Geschichte des Fachwerkhauses an der Bommerholzer Straße 107 reicht weit in die Vergangenheit zurück. Das ursprüngliche Gebäude entstand im 16. Jahrhundert und war seit 1810 im Besitz der Familie Stöter.
1891 wurde in dem Bauernhof erstmals eine Gastwirtschaft eingerichtet. Sie diente in den Anfängen als Zwischenstopp für die Pferdefuhrwerke mit Kohle auf ihrem Weg ins Bergische und war eine Anlaufstelle für Bergleute nach ihrer Schicht.
Bergleute, Hütten- und Stahlarbeiter sind auch in Zukunft besonders willkommen. Sie bekommen zehn Prozent Rabatt auf den Zimmerpreis. Der liegt zwischen 45 (Einzelzimmer) und 70 Euro (DZ). Mehr Infos unter amstoeter.de
Allerdings musste die erste große Feier bereits abgesagt werden. Die große Eröffnung am 1. Mai ist der Corona-Krise zum Opfer gefallen. Sie soll aber so bald wie möglich nachgeholt werden. Das Geschäft soll dennoch im Mai anlaufen, gewerbliche Vermietungen sind ja ohnehin erlaubt. „Und vielleicht kommen ja bald Lockerungen“, hofft Ralph Brands. Und wenn nicht, dann wird Am Stöter dennoch keine Langeweile aufkommen, versichert Michaela Lohrmann. „Denn wenn wir alles machen, was uns einfällt, dann brauchen wir drei Leben.“