Witten. Mit zweistelligen Millionenverlusten rechnet Wittens Kämmerer wegen der Corona-Krise. Er hofft auf einen Rettungsschirm des Landes für die Städte.

Nicht nur Finanzminister Olaf Scholz muss sich von der schwarzen Null verabschieden. Die Corona-Krise dürfte auch der bislang erfolgreichen Haushaltssanierung in Witten ein jähes Ende setzen. Gerade der zu erwartende Einbruch der Gewerbesteuer lässt ein dickes Minus erwarten.

Dabei kann Kämmerer Matthias Kleinschmidt das Haushaltsjahr 2019 noch mit einem Plus von über einer Million abschließen – das vierte Jahr in Folge ohne Defizit. Dank massiver Steuererhöhungen, Einsparungen und mehr als 70 Millionen Euro aus dem Stärkungspakt war der Etat in den letzten Jahren wieder ins Lot gekommen – wobei Witten immer noch auf rund 350 Millionen Euro Schulden sitzt. Aber dank der gelungenen Etatsanierung gibt es inzwischen sogar Überschüsse – wichtig, um die Genehmigung der Kommunalaufsicht zu bekommen und so den Weg für Investitionen freizumachen.

Diesen Kurs, Geld gerade in die Schulen und Straßen zu stecken, will der Kämmerer trotz der Corona-Krise unbedingt fortsetzen. Aber ein ausgeglichener Haushalt wäre nun Geschichte, wenn das Land nicht neue Regeln aufstellen würde, die dem Ausnahmezustand geschuldet sind. Denn wie den Unternehmen brechen auch den Städten die Ausgaben weg. Sprudelnde Steuern? Es war einmal.

Allein bei der Gewerbesteuer dürften Witten zehn bis 15 Millionen Euro fehlen

Wittens Kämmerer Matthias Kleinschmidt fordert Hilfe von Bund und Land.
Wittens Kämmerer Matthias Kleinschmidt fordert Hilfe von Bund und Land. © Funke Foto Services/Archiv | Socrates Tassos

Allein bei der Gewerbesteuer, eine der größten Einnahmenquellen der Stadt, hält Kleinschmidt einen Verlust von mindestens zehn bis 15 Millionen Euro für möglich. „Das hängt sehr davon ab, wie lange der Shutdown dauert, wie dauerhaft Marktpotenziale wegfallen und damit auch die steuerzahlenden Unternehmen.“

Schon jetzt gehen täglich Anträge von Betrieben ein, die sich die quartalsweise fällig werdenden Steuervorauszahlungen stunden lassen wollen. Vor einigen Tagen waren es bereits mehr als 50. Zugesagt ist eine einfache, unbürokratische Prüfung.

Insgesamt könne die Corona-Krise die Stadt Witten im schlimmsten Falle 50 Millionen Euro kosten, sagt Kleinschmidt. Dabei stützt er sich auf ein Gutachten des ehemaligen Bochumer Kämmerers für ganz NRW. „Danach wären wir bei Einnahmeausfällen und Mehraufwendungen von 500 Euro pro Einwohner.“ Im besten Falle käme man mit der Hälfe davon, also 25 Millionen Miesen.

Kämmerer lehnt eine Haushaltssperre für Witten ab

Eine Haushaltssperre, also einen totalen Ausgabenstopp, lehnt Matthias Kleinschmidt aber ab. Sie würde am Ende nur nötige Investitionen stoppen und zum Beispiel Bezieher freiwilliger Leistungen in Kultur und Vereinen treffen, sagt er. Kleinschmidt erwartet vielmehr einen Rettungsschirm von Bund und Land auch für die Kommunen.

Zusätzlich zur bereits zugesagten letzten Stärkungspaktrate im Oktober – das wären 1,4 Millionen Euro für Witten – wolle NRW weitere 340 Millionen als Soforthilfe an die Stärkungspaktkommunen auszahlen – was grob geschätzt weitere drei Millionen für Witten wären, erfuhr Kleinschmidt am Freitag (3.4.).

Hohe Sozialkosten könnten sich erneut rächten

Das Land gehe zwar weiterhin von einem ausgeglichenen Haushalt in diesem Jahr aus – was angesichts der drohenden Verluste eigentlich völlig unrealistisch ist. Nun bekam Wittens Kämmerer aber die Information, dass diese aufgrund der Corona-Krise fehlenden Millionen aus dem Etat ausgelagert werden könnten. Kritiker wie die Grünen sähen darin zwar nicht ganz unberechtigt nur eine Verschiebung der Lasten. „Trotzdem würde es uns davor schützen, in diesem Jahr ein riesiges Defizit auszuweisen“, sagt Kleinschmidt. Hohe Defizite bedeuteten nämlich, dass genehmigte Haushalte in den kommenden Jahren wieder in weite Ferne rücken würden..

Gleichzeitig forderten alle Kämmerer im Lande ganz konkrete Zahlungshilfen. Kleinschmidt nennt hier etwa die Übernahme der seit langem kritisierten Soziallasten wie Unterkunftskosten, die „verursachergerechte komplette Übernahme der Flüchtlingsfinanzierung“, einen zeitlichen Aufschub bei Rechtsansprüchen für Kita oder OGS und die Fortsetzung „investiver Förderprogramme“.

Wittener Kämmerer warnt davor, „die Städte erneut zu übersehen“

„Es wäre ein nicht verzeihlicher Wiederholungsfehler, die Städte, Gemeinden und Kreise erneut zu übersehen“, sagt der Beigeordnete. Er denkt dabei an die Finanzkrise 2008/2009. Damals seien die Banken systemrelevant gewesen. „Diesmal sind es die Menschen im Gesundheitswesen.“