Witten. Der PCB-Verdacht hat sich bestätigt: Bei Sico wurden hochgradig belastete Flocken entdeckt. Die Wittener Firma darf vorerst nicht produzieren.

Nun hat sich der Verdacht bestätigt: Mitarbeiter des EN-Kreises haben im Umfeld der Rüdinghauser Firma Sico hochgradig mit PCB belastete Flocken gefunden. Deshalb hat die Kreisverwaltung dem Wittener Unternehmen am Mittwoch (4.3.) verboten, weiter zu produzieren. Dieser Produktionsstopp ist zunächst bis Donnerstag, 5. März, um 14 Uhr befristet.

Mitarbeiter der Kreisverwaltung hatten die Flocken nach Hinweisen am 21. Februar eingesammelt. Seit Mittwoch (4.3.), so EN-Pressesprecher Ingo Niemann, sei klar: Die Flocken sind hochgradig mit PCB 47, 51 und 68 belastet, sie müssen als gefährliche Abfälle eingestuft werden. Dazu kommt: Dem Flockenaustritt im Februar folgten Anfang dieser Woche (ab 2.3.) und am Mittwoch weitere. Festgestellt wurden diese bei unangemeldeten Kontrollen. Gefunden wurden die Flocken im öffentlichen Raum und auf Nachbargrundstücken des Unternehmens.

Wittener Unternehmen soll nun seine Abluftanlagen reinigen

Nach Beobachtungen von Mitarbeitern des Kreises traten die Flocken über einen langandauernden Zeitraum aus. „Im Interesse der Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger sind wir nicht bereit, dies zu akzeptieren. Als gefährlich geltende Stoffe dürfen so nicht in die Umwelt gelangen“, heißt es dazu aus dem Schwelmer Kreishaus.

Aus diesem Grund erfolgte mündlich die Anordnung, die Produktion vorübergehend stillzulegen und die Abluftanlagen zu reinigen. Zudem erwartet die Kreisverwaltung vom Unternehmen sehr kurzfristig Vorschläge, wie ein weiterer Flockenaustritt zukünftig verhindert werden soll. Erst anschließend werde über das weitere Vorgehen entschieden.

Behörden kamen durch Fall in Ennepetal auf die Wittener Spur

Die Firma im Gewerbegebiet Rüdinghausen zählt zu den silikonverarbeitenden Betrieben, die in ihrer Produktion einen so genannten Vernetzer einsetzen, der Chlor enthält und dazu führt, dass PCB 47, 51 und 68 entsteht und in die Umwelt gelangt. Auf die Spur gekommen waren die Behörden dieser Tatsache durch Erkenntnisse, die im Umfeld des Unternehmens BIW in Ennepetal gesammelt worden sind.

Das Landesministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz startete daraufhin eine NRW-weite Recherche. Gefragt war, welche Unternehmen mit ähnlicher Produktionstechnik und identischem Vernetzer arbeiten. Bereits vor knapp drei Wochen hatte die Kreisverwaltung darauf hingewiesen, dass sich ein Wittener Betrieb auf dieser Liste befindet.

Sico-Chef im Februar: „Wir können uns nichts vorwerfen lassen“

„Seinerzeit lagen keinerlei Erkenntnisse über Flockenaustritte vor. In einer Probe, die aus dem Produktionsprozess genommen worden war, konnte allerdings PCB 47 in einer Menge von bis zu 390 mg/kg festgestellt werden“, erinnert der Kreis an die Ausgangslage.

Silikonverarbeiter Sico

Seit 1985 sitzt Sico an der Friedrich-Ebert-Straße. 60 Beschäftigte verarbeiten dort Silikonkautschuk und stellen daraus vielfältige Formteile, Schläuche und Profile her. Ein zweites Werk gibt es in Tschechien.

Hinter der Abkürzung PCB verbergen sich giftige organische Chlorverbindungen, die im Verdacht stehen, Krebs auszulösen.

Damals hatte Sico-Chef Ralf Skoda auf Anfrage betont: „Wir können uns nichts vorwerfen lassen.“ Seine Firma habe selbst Messungen beauftragt und die Ergebnisse an Bezirksregierung, Berufsgenossenschaft und EN-Kreis weitergeleitet – aus freien Stücken als Reaktion auf die Vorfälle in Ennepetal. „Das war betriebsintern für uns wichtig. Eine Selbstinformation, ob wir überhaupt betroffen sind“, so Skoda im Februar. „Wenn Handlungsbedarf besteht, sind wir interessiert daran, eine Lösung zu finden.“

Löwenzahn wird nun auf das giftige PCB untersucht

Um gesicherte Erkenntnisse über die Umweltbelastung in der Nachbarschaft von Sico zu erhalten, wird es nun in einem ersten Schritt ein so genanntes Löwenzahnscreening geben. Dies hat das NRW-Umweltministerium am Mittwoch in einer Presseinformation bestätigt. Die Löwenzahnblätter werden in einem aufwändigen Verfahren auf PCB analysiert. Die Ergebnisse dienen als ein erstes Schadstoffscreening und Entscheidungshilfe für denkbare weitere Schritte.

Seit einigen Wochen schon sorgt der Fall in Ennepetal für Aufsehen. Dort war im Blut von 44 Mitarbeitern der Firma BIW giftiges PCB nachgewiesen worden – allerdings unterhalb des gesundheitsgefährdenden Grenzwertes. Inzwischen ist dort ein sofortiger Produktionsstopp vom Tisch, nachdem das Unternehmen an allen Abluftkaminen, aus denen potenziell PCB-haltige Flocken entweichen können, diverse technische Veränderungen vorgenommen und eingebaut hat.

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