Witten. Kreis und Landesumweltamt haben eine Wittener Firma ins Visier genommen. Sie steht im Verdacht, bei der Silikonverarbeitung PCB auszustoßen.
Hinter der Abkürzung PCB verbergen sich giftige organische Chlorverbindungen, die im Verdacht stehen, Krebs auszulösen. In Ennepetal beschäftigt ein PCB-Fund seit Monaten Bürger, Kreisverwaltung und das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV). Bei der Ursachenforschung ist nun auch ein Wittener Unternehmen aufgefallen, das PCB ausstoßen könnte: Es handelt sich um einen Silikonverarbeiter aus dem Gewerbegebiet an der Friedrich-Ebert-Straße in Rüdinghausen.
Die Firma wurde vom Landesministerium auf eine „Positiv-Liste potenzieller PCB-Emittenten“ gesetzt, so Landrat Olaf Schade in einer Mitteilung. Nach dem Fund in Ennepetal hatte das LANUV einen Stoff im Blick, den das betroffene Ennepetaler Unternehmen biw im Rahmen seiner Produktion einsetzt. Ein so genannter Vernetzer enthält Chlor und führt dazu, dass PCB 47, 51 und 68 entsteht und in die Umwelt gelangt. Das Ministerium suchte NRW-weit nach Unternehmen mit ähnlicher Produktionstechnik und dem identischen Vernetzer – und wurde in Rüdinghausen fündig. Es ist im Übrigen nicht der Bauchemiehersteller Ardex.
PCB 47 im Umfeld des Wittener Betriebes noch nicht nachgewiesen
Ennepetal- Das Thema PCB erhitzt zunehmend die Gemüter„Die Ermittlungen des Landes sind zwar noch nicht abgeschlossen“, so Landrat Olaf Schade. Mit Blick auf den derzeitigen Erkenntnisstand nenne die Kreisverwaltung den Namen des Unternehmens noch nicht. Denn: „Bisher gibt es keinerlei Wissen darüber, ob PCB 47 wie in Ennepetal im Umfeld des Betriebes zu finden ist.“
Wittener Fund gilt als „gefährlicher Abfall“
Seit wenigen Tagen bekannt ist allerdings: In Proben aus dem Produktionsprozess in Witten konnte PCB 47 in einer Menge von bis zu 390 mg/kg festgestellt werden. Eine Belastung, die ausreichend ist, um den Fund als „gefährlichen Abfall“ einzustufen. Die Grenze hierfür liegt bei 50 mg/kg.
Was ist PCB?
Insgesamt gibt es 209 PCBs – Polychlorierte Biphenyle. Ihre Produktion ist seit 1989 verboten, seit 2013 gelten sie als krebserregend. Dem Austritt der PCB-„Varianten“ 47, 51 und 68 aus silikonverarbeitenden Betrieben ist das LANUV in Ennepetal auf die Spur gekommen. Ausgangspunkt war der Fund von weißen Flocken. Der Ausstoß konnte zweifelsfrei dem Unternehmen biw zugeordnet werden.
Die Kreisverwaltung versucht derzeit mit verschiedenen ordnungsrechtlichen Verfahren, gegen Emissionen von PCB vorzugehen. Gemeinsam mit dem zuständigen Landesministerium und beraten von einem Fachanwalt wird dabei immer wieder geklärt, welche Schritte rechtlich möglich und geboten sind.
„Die Produktionsweise – also der eingesetzte chlorhaltige Vernetzer – und Probenergebnisse sind für den Ennepe-Ruhr-Kreis Anlass für eine erste Information der Öffentlichkeit“, so Landrat Schade. „Zudem werden wir zusammen mit dem LANUV aktiv werden, um die Lage angemessen beurteilen zu können“
Proben von Löwenzahn sollen Klarheit bringen
Als erstes ist geplant, Proben von Löwenzahn auf PCB 47, 51 und 68 zu überprüfen. „Wo genau die Proben genommen werden, hängt unter anderem von der Hauptwindrichtung im Umfeld des Unternehmens ab“, erläutert Wolfgang Flender, Abteilungsleiter Umwelt im Schwelmer Kreishaus. Nach seinen Worten will das LANUV für die Probenannahme den Beginn der Vegetationsperiode im März abwarten.
Im Vergleich zu biw in Ennepetal wird der Vernetzer in Witten aufgrund geringerer Produktionsmengen deutlich weniger eingesetzt. Olaf Schade betont: „Die Anlagen, über die wir sprechen, sind nach Bundes-Immissionsschutzgesetz nicht genehmigungsbedürftig, der Vernetzer ist erlaubt.“ Die Diskussion über die mit ihm verbundene PCB-Gefahr stehe landes- und bundesweit erst ganz am Anfang.