Witten. Christiane Schlieker-Erdmann zeigt ihre Werke derzeit in Haus Herbede in Witten. Für ihre Kunst braucht es mehr als nur einen Blick – und Zeit.
Auf den ersten Blick könnte es eine im Wind aufgeblasene, gigantische weiße Tüte sein, die da mitten in der Galerie in Haus Herbede in Witten herum weht. Aber wirklich nur auf den ersten Blick. Die neue Ausstellung „Einfühlungen – Installation, Objekte, Malerei“ dürfe „gerne provozieren“, sagt Galerie-Leiterin Britta Koch.
Die 30 Objekte sind nicht auf den ersten Blick direkt lesbar. Mal sind „nur“ ein paar rosa Farbkleckse zu erahnen, ein anderes Kunstwerk deutet eine Figur mit dicken, roten Pinselstrichen an. Bei vielen Bildern braucht es schon ein ordentliches Stück Fantasie, bis die Kunstwerke anfangen zu „sprechen“. Manchmal braucht es eben einen zweiten Blick.
Wittener Künstlerin zeigt in den Werken ihre persönliche Seite
Der Wittener Künstlerin Christiane Schlieker-Erdmann selbst ist es wichtig, dass sich die Besucher mit den Kunstwerken auseinandersetzen. „Ich kann nicht konkret werden“, antwortet sie auf die Frage, was auf den Bildern zu erkennen sei, „denn das wäre nur die äußere Seite“. Die persönliche, innere Seite sei eben nicht immer so klar erkennbar. „Ich zeige mich in den Kunstwerken sehr persönlich. Wenn sich die Betrachter fragen: ‚Was klingt da bei mir eigentlich an?‘, dann ist das gut so.“
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Seit vielen Jahren bastelt und gestaltet Schlieker-Erdmann zu Hause und im heimischen Garten ihre Werke. Von 2017 bis 2019 allein über 260 Kunstwerke dieser Art. Der Bezug zur Natur sei dabei immer gegeben. Fließende Übergänge, unklare, sich verändernde Formen: So in etwa lässt sich die DNA der Ausstellung beschreiben. „Ich rahme die Arbeiten bewusst nicht, damit sie atmen können.“ Das Material selbst – in diesem Fall transparentes Architektenpapier und Buchbinderkarton – transportiere bereits den Inhalt. „Es sind alles Themen innerer Impulse, die im nächsten Moment schon wieder ganz anders aussehen können.“
Zwei Meter lange Wandinstallation steht bei den Besuchern im Fokus
Die gut 40 Besucher der Vernissage in Haus Herbede sind begeistert, bleiben minutenlang fasziniert vor den Kunstwerken stehen, auf denen ein Laie vielleicht nur ein paar Pinselstriche sehen will. Uta aus Witten kommt fast zu jeder Ausstellung in Haus Herbede. „Einfühlungen – Installation Objekte Malerei“ aber sei eine ganz besondere. Vor allem das transparente Papier gefällt der 82-Jährigen. „Man möchte da richtig dahinter gucken, wissen, was sich da verbirgt.“
Ausstellung läuft bis 22. März
Die Ausstellung „Einfühlungen – Installation Objekte Malerei“ ist noch bis zum 22. März in Haus Herbede zu den üblichen Öffnungszeiten zu bestaunen. Immer mittwochs, freitags und samstags von 16 bis 18 Uhr und sonntags von 11 bis 17 Uhr.
Die Finissage wird am Sonntag, 22. März, mit einer Tanzperformance von Michaela Schmidt – passend zu den Objekten – gefeiert.
Die nächste Ausstellung im Haus Herbede wird voraussichtlich am 19. April eröffnet. Dann präsentiert die Künstlerin Bettina Bülow-Böll aus Sprockhövel ihre Werke.
Ihr persönliches Lieblingsstück hat Uta auch schon entdeckt: Eine zwei Meter lange Wandinstallation aus zerrissener, zerknüllter, getrockneter und bemalter Pappe. Weiß und rosa. „Das würde ich mir sogar an die Wand hängen“, sagt die Wittenerin, sichtlich beeindruckt von der Wucht der wilden Papierlandschaft. Jürgen Linde (60) aus Witten empfindet die Kunstwerke vor allem als eine Suche nach sich selbst. „Die Künstlerin legt eine Spur, einen Impuls für uns. Sich dann selbst den Moment Zeit zu nehmen, ist fast schon ein Luxus heutzutage.“
Besucher sind fasziniert vom Zusammenspiel aus Licht und Schatten
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Das Zusammenspiel von Licht und Schatten, die durch die Fenster von Haus Herbede fallen und auf dem transparenten Papier tanzen wie die Bäume im Wind, ist bewusst so gewollt von Künstlerin Christiane Schlieker-Erdmann. Was man nun konkret auf den Zeichnungen und Installationen erkenne, sei zweitrangig, weiß auch Sinikka aus Witten, die schon viele Ausstellungen Schlieker-Erdmanns gesehen und mittlerweile ihren ganz eigenen Zugang zur Kunst gefunden hat.
„Ich erkenne nicht, ich spüre. Das Bild atmet. Ich spüre das Leben, Leben ist Veränderung.“ Die Installationen und Objekte, ja die ganze Ausstellung, sei „wandelbar, verletzlich, vergänglich“, sagt die 64-jährige Künstlerin. Striche können zu „inneren Landschaften“ werden und Licht und Schatten zu ganz eigenen Geschichten erwachsen. Dafür braucht es Zeit. Und manchmal eben einen zweiten Blick.
Künstlerin Christiane Schlieker-Erdmann zeigt 30 Exponate