Witten. Das Albert-Martmöller-Gymnasium in Witten speichert die WC-Besuche der Schüler nicht mehr per Chip. Dabei war die Wirkung hervorragend.

Im Sommer 2018 hat das Albert-Martmöller-Gymnasium (AMG) ein Chipkarten-System eingeführt, um im Falle von Vandalismus oder grober Verschmutzung auf den Schultoiletten die Schuldigen finden zu können. Das System funktionierte. Doch die Zeiten sind vorbei: Die Schule verzichtet jetzt wieder auf die Möglichkeit, entsprechende Daten zu speichern. Grund ist eine Empfehlung der Landesdatenschutzbeauftragten, die damit auf eine Anfrage der Wittener Piraten reagiert hatte.

Mit ihrem Schülerausweis können die Jungen und Mädchen die Toiletten am Albert-Martmöller-Gymnasium nutzen – sofern die Karte einen Chip besitzt.
Mit ihrem Schülerausweis können die Jungen und Mädchen die Toiletten am Albert-Martmöller-Gymnasium nutzen – sofern die Karte einen Chip besitzt. © Barbara Zabka / FUNKE Foto Services

Damals schlug die Entscheidung des Gymnasiums hohe Wellen. Nicht nur stürmten Kamerateams den Schulhof. Die Piraten schlugen Alarm, fürchteten Überwachung und „personalisierte Pinkelprotokolle“. Denn mit dem neuen elektronischen Schließmechanismus an den Toilettentüren und dem Chip in den Schülerausweisen konnte bis jeweils 23.59 Uhr gespeichert werden, wer das WC an diesem Tag genutzt und gegebenenfalls verschmutzt hatte.

Datenschutzbeauftragte bezweifelt „Freiwilligkeit“ der Wittener WC-Regelung

Fünf Seiten umfasst nun die Stellungnahme der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (LDI). Sie beschäftigt sich vor allem ausführlich mit dem rechtlichen Aspekt der Einwilligung zur Speicherung personenbezogener Daten der Schüler und bezweifelt deren Freiwilligkeit. Die Rede ist von der „bestehenden Gefahr eines Gruppenzwangs“. „Sie fordert die Schule dazu auf, die Datenspeicherung wieder einzustellen“, sehen sich die Piraten in ihrer Kritik bestätigt. Doch Schulleiter Johannes Rienäcker muss da etwas korrigieren.

Johannes Rienäcker, Leiter des Albert-Martmöller-Gymnasiums, ist überzeugt von der positiven Wirkung des Chipkarten-Systems.
Johannes Rienäcker, Leiter des Albert-Martmöller-Gymnasiums, ist überzeugt von der positiven Wirkung des Chipkarten-Systems. © FUNKE Foto Services | Barbara Zabka

Tatsächlich habe die LDI nur „empfohlen“, den Zutritt mit Hilfe des Chips – der sich übrigens auch auf das Selbstlernzentrum bezieht – und die Möglichkeit der Datenspeicherung zu beenden. „Und dieser Empfehlung sind wir natürlich gefolgt“, so Rienäcker. Weiterhin könnten die Toiletten in der großen Anlage auf dem Schulhof nur mit dem Chip genutzt werden. Aber die Daten können nicht mehr gespeichert und ausgelesen werden.

Schulleiter: Die Toiletten sind in einem hervorragenden Zustand

Der AMG-Chef bedauert das sehr, obwohl – oder besser – weil es „nicht ein einziges Mal“ nötig war. „Es ging darum, eine Lösung für saubere Toiletten zu finden und es hat funktioniert. Sie sind seit anderthalb Jahren in einem hervorragenden Zustand.“

Auch Susanne Stolpe findet „unbegreiflich“, was gerade passiert. Seit zwölf Jahren gehört die dreifache Mutter zur Elternpflegschaft. All die Jahre hätten die dreckigen Schulklos für Diskussionen gesorgt. Nun sei endlich Ruhe und dann „wird aus einem nicht mehr existenten Problem eine Riesen-Welle gemacht“.

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Seit einer Woche gilt die neue Regelung. Der Zeitraum sei aufgrund des Wochenendes und der freien Karnevalstage zu kurz, um bereits eine negative Auswirkung zu spüren. Doch Fakt ist: Bei jenen Toiletten, die sich im Schulgebäude befinden und dauerhaft ohne Chip genutzt werden können, trete weiterhin Vandalismus auf. Rienäcker: „Sie werden unter Wasser gesetzt oder beschmiert.“

„Unsere Eltern haben das in der Schulkonferenz mitbeschlossen“

Die Interpretation der Landesdatenschutzbeauftragten, was die Freiwilligkeit der Maßnahme anging, nennt der Schulleiter „eigenwillig“. „Keiner wurde dazu gezwungen. Unsere Eltern haben das in der Schulkonferenz mitbeschlossen“, entgegnet er auch den Aussagen der Piraten, Eltern hätten sich „wegen dieser Überwachungsmaßnahme hilfesuchend an die Partei gewandt“. Die Elternpflegschaft dagegen habe, so Susanne Stolpe, nicht eine einzige kritische Anfrage erhalten. „Aber es gibt immer Eltern, denen irgendwas nicht passt.“

Nur „vielleicht zwei“ der rund 1000 AMG-Schüler wollten keinen Chip, so Rienäcker. Er betont: „Es ging uns nicht um Pinkelprotokolle, sondern um eine Maßnahme der Gesundheitsförderung.“ Schüler sollten mit einem guten Gefühl aufs WC gehen können. „Schade“, sagt der Schulleiter, dass die Datenschutzbeauftragte sich nicht vor Ort von der offenbar abschreckenden und damit positiven Wirkung der Chips überzeugt habe.

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