Witten. . Mit elektronischen Ausweisen will ein Wittener Gymnasium Vandalismus vorbeugen. Piratenpartei mahnt Datenschutz an und warnt vor Überwachung.
Das Albert-Martmöller-Gymnasium führt zum kommenden Schuljahr neue Schülerausweise ein, die eine Zusatzfunktion haben: Man kann mit ihnen Türen öffnen. Mit diesen Karten können die Schüler die Schlösser der Toilettenanlage bedienen. Die Schule hofft, damit Vandalismus verhindern zu können. Denn wer wann die Toiletten benutzt hat, kann ausgelesen werden. Für die Piratenpartei ist das ein Unding. Sie schlägt Alarm.
„Es gibt wohl kaum Persönlicheres als die Toilettenbenutzung“, kritisiert Stefan Borggraefe, Vorsitzender der Piratenpartei Ennepe-Ruhr. Er nennt die anfallenden Daten „personalisierte Pinkelprotokolle.“
Längere Wege in Kauf nehmen
Zwar könnten sich die Schüler auch gegen das neue System entscheiden, dann stünden ihnen aber weniger Toiletten zur Verfügung, sie müssten zudem oft längere Wege in Kauf nehmen, so Borggraefe. Außerdem bezweifelt er, dass die anderen Schüler ihre Einverständniserklärung wirklich freiwillig abgeben. Es könne auch sein, dass sie das Formular nur unterschreiben, „weil sie nicht als Querulanten gelten wollen“.
Speicherung nicht gesetzeskonform
Ohne echte Freiwilligkeit aber sei „die Speicherung dieser sehr persönlichen Daten nicht gesetzeskonform“, mahnen die Piraten. Sie haben den Fall daher der Landesdatenschutzbeauftragten zur Prüfung vorgelegt. Damit wollen sie den Fall für alle Schulen in NRW klären lassen.
Dieser Überprüfung sieht AMG-Schulleiter Johannes Rienäcker gelassen entgegen. Es sei „völlig abwegig“ von „Pinkelprotokollen“ zu sprechen. Die Daten könnten immer nur am gleichen Tag ausgelesen werden. Darüber hinaus würde nichts gespeichert. Es gehe einzig und allein darum, Vandalismus zu verhindern, so der Direktor.
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Er widerspricht auch dem Vorwurf, es gebe dann weniger offene Toiletten. Die, die bis jetzt ohne Schließanlage zugänglich gewesen seien, würden das auch weiterhin sein, so Rienäcker. Zusätzlich könnten mit dem neuen System aber auch die Anlagen den Schülern zur Verfügung gestellt werden, die bislang – mangels Kontrolle – gar nicht oder nur eingeschränkt geöffnet waren. „Das neue System ist ein deutlicher Fortschritt. Und es nutzt allen – auch denen, die es nicht wollen.“
Breite Zustimmung in der Schulkonferenz
Das aber seien nicht viele. Das Thema sei in Schulpflegschaft und -konferenz ausgiebig diskutiert worden. Während die Piraten davon berichten, dass mehrere Eltern sich gemeldet hätten, spricht Rienäcker von „breiter Zustimmung und keiner einzigen negativen Stimme“.
Auch an seiner alten Schule, dem Heinrich-von-Kleist-Gymnasium in Bochum, mache man mit dem Ausweis-System seit Jahren nur gute Erfahrungen. „Seit Einführung gab es keinen ernstzunehmenden Vorfall“, sagt er. Und die Schule bestätigt: Seitdem seien die Toiletten auch sauberer.
„Abschreckung wirkt“
Wie das neue Toiletten-System am AMG aussehen soll, erklärt der Schulleiter so: Entdeckt ein Schüler Zerstörungen oder mutwillige Verschmutzung, soll er sich an einen Lehrer wenden. Der könne dann klären, wer zuvor auf der Toilette gewesen sei und das Gespräch suchen. Aber das sei vermutlich kaum nötig: „Abschreckung wirkt.“
Abschreckung durch Überwachung: Genau darin aber sehen die Piraten ein Problem. So würden Menschen „zur Konformität erzogen, statt im Geiste der Demokratie und Freiheit“, so Borggraefe.
Dem Missbrauch Tor und Tür geöffnet
Außerdem sei dem Missbrauch Tor und Tür geöffnet. Etwa indem die Ausweise ausgelesen oder kopiert werden könnten, um einem Schüler eine Tat anzuhängen. Auch wenn mehrere Kinder zusammen in die Toilette gingen, sei nicht zu klären, wer eine Sachbeschädigung begangen habe. „Es wird zu falschen Verdächtigungen kommen.“
Die Piraten versichern, dass sie vollstes Verständnis dafür hätten, dass die Schule eine Lösung für das Problem der zerstörten Toiletten sucht. Die Lösung aber sehen sie woanders: Es sollte bei den Schülern ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass es sich bei den Schultoiletten um einen Ort handelt, der gemeinschaftlich benutzt wird.
Außerdem könnte es so etwas wie „Toilettenpaten“ geben. „Nach Ansicht der Eltern, die uns kontaktiert haben, könnte auch eine andere Organisation der Pausenaufsicht eine Lösung sein.“ Überwachung aber sei nicht die Lösung.