Witten. Eltern auf Zeit: 15 Schülerinnen und Schüler der Kämpenschule haben an einem Projekt zum Thema Sex, Verhütung und Elternschaft teilgenommen.

Windeln wechseln, füttern und spazieren gehen – der Alltag mit einem Baby ist nicht immer leicht und nimmt viel Zeit in Anspruch. Diese Erfahrung haben auch 15 Jungen und Mädchen der Förderschule Kämpenschule gemacht. Im Rahmen einer Projektwoche zum Thema Sex, Verhütung und Elternschaft haben sie die Verantwortung für drei Babypuppen übernommen.

Die Schüler stammen aus drei Klassen „Wir haben mit den Lehrern gesprochen und gemeinsam entschieden, für welche Schüler das Projekt hilfreich sein könnte“, sagt Claudia Apel, Schulsozialarbeiterin der Förderschule. Aufklärung und das Sammeln eigener Erfahrungen seien wichtig, um das Bewusstsein der Jugendlichen für das Thema zu stärken und eine ungewollte Schwangerschaft zu verhindern.

Aufklärung in der Wittener Beratungsstelle von Pro Familia

Am ersten Tag der Projektwoche beschäftigten sich die Schüler intensiv mit dem Thema Sex, Verhütung und Familienplanung. Gemeinsam mit der Sexualtherapeutin Maike Sowade von Pro Familia besuchten die Jugendlichen im Alter von 15 bis 18 Jahren die Beratungsstelle in Annen. Welche Verhütungsmöglichkeiten gibt es? Wie sieht eigentlich ein Frauenarztstuhl aus? Und wie läuft ein Beratungsgespräch bei Pro Familia ab? Auf all diese Fragen gab es eine Antwort.

Danach wurden drei Babysimulatoren eingeschaltet, die schreien können. Die Kunstbabys zeigten damit – wie echte Babys, dass ihnen etwas fehlt. Sechs Schüler übernahmen die Rolle eines Elternteils, die übrigen waren den drei Elternpaaren auf Zeit als Helfer zugeteilt. „Am Anfang wollte natürlich jeder die Elternrolle übernehmen“, sagt Schulsozialarbeiterin Apel. „Nachdem wir aber über die Aufgaben gesprochen haben, die auf die Eltern zukommen, entschieden sich einige doch für eine Helferrolle.“

Auch die Sozialarbeiterin braucht jetzt eine Mütze Schlaf

Schülerinnen und Schüler sollen mit den Babysimulatoren Erfahrungen mit einem Säugling sammeln.
Schülerinnen und Schüler sollen mit den Babysimulatoren Erfahrungen mit einem Säugling sammeln. © Archiv/WAZ FotoPool | Rainer Raffalski

Drei Tage waren die 15 Schüler mit dem Wechseln von Windeln, dem Füttern und mit Spazierengehen beschäftigt. Die Kunststoff-Babys Leon, Jan-Phillip und Marie-Sophie forderten die volle Aufmerksamkeit der Jugendlichen – und das auch nachts!

Die Schüler haben die beiden Nächte in einem Haus an der Förderschule verbracht. Zwei Elternpaare nahmen ihr Baby auch für eine Nacht mit nach Hause. Mehrmals mussten die Jugendlichen nachts aufstehen und das Kind beruhigen. „Auch ich brauche nach den zwei Nächten erst einmal eine Mütze Schlaf“, gesteht die Schulsozialarbeiterin.

Wittener Schüler besuchten auch ein Mutter-Vater-Kind-Haus

Gemeinsam mit den Babys haben die Jugendlichen in der Projektwoche den Kinderschutzbund in Hattingen besucht. Nach ausführlichen Informationen, unter anderem zum Jugendschutzgesetz, stöberten die Schüler in dem Kleiderladen des Kinderschutzbundes. „Wir haben uns Outfits ausgesucht und nachgeschaut, wie teuer die Klamotten sind“, erzählt Schülerin Sarah.

Aber nicht nur Kleidung fürs Kind kostet viel Geld. Hinzu kommen Kinderwagen, Autoschale, Windeln und Pflegeprodukte. Im Drogeriemarkt hat sich die Schülergruppe angesehen, was was kostet. Anschließend stellten sie einen Plan für die monatlich anfallenden Kosten eines Kindes auf.

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Mit Unterstützung des Lions Club Herbede-Sprockhövel hatte die Gruppe auch die Möglichkeit, ein Mutter-Vater-Kind Haus in Stockum zu besuchen. Dort können junge Eltern für einige Zeit wohnen, wenn sie Unterstützung im Umgang mit ihrem Säugling oder Kleinkind benötigen.

Nach drei Tagen hieß es für die Förderschüler: Abschied nehmen

Nach drei Tage hieß es dann: Abschied nehmen. In Einzelgesprächen sprachen die Eltern auf Zeit mit der Schulsozialarbeiterin und der Sexualpädagogin über ihre Erfahrungen. „Ich fand es am schwierigsten, herauszuhören, was das Baby möchte“, gesteht Alex. Außerdem sei ihm manchmal nicht klar gewesen, welches der Babys weint. „Das ist natürlich im echten Leben anders“, so Apel. „Eltern kennen die Stimme ihres Kindes genau.“ Allerdings seien Alex und Mehmet in einer Nacht gar nicht erst aufgewacht, obwohl das Baby neben ihnen geschrien habe. „Das geht natürlich nicht“, sagt Sozialarbeiterin Apel.

Pro Familia-Beratungsstelle in Witten

Das Team der Pro Familia-Beratungsstelle in Witten an der Annenstraße 120 berät Jugendliche und Erwachsene zu Themen aus den Bereichen Sexualität, Familienplanung und Schwangerschaft.

Die Beratungsstelle ist montags bis freitags von 9 bis 12 Uhr und montags und mittwochs zusätzlich von 13.30 bis 16.30 Uhr geöffnet. Termine können unter 02302 699190 vereinbart werden. Termine außerhalb der Öffnungszeiten sind ebenfalls möglich.

Trotzdem würden Alex und Mehmet ihr Kunststoff-Baby am liebsten behalten. „Ich möchte es überhaupt nicht abgeben“, sagt Alex. Auch bei Schülerin Sarah flossen zum Abschied ein paar Tränchen. „Selbst wenn es nur ein Simulator ist, das Baby ist den Schülern ans Herz gewachsen“, hat die Schulsozialarbeiterin festgestellt. Auch Sexualpädagogin Maike Sowade freut sich, dass die Schüler das Projekt so ernst genommen haben.

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Am Ende sind aber auch Alex und Mehmet der Meinung, dass es jetzt nicht gut wäre, wenn sie Väter würden. Zwar gibt es viele Unterstützungsmöglichkeiten für junge Eltern, aber die Jugendlichen wollen erst einmal ihren Schulabschluss machen und einen Beruf erlernen. Erst dann soll die Familienplanung folgen.