Witten. . Stefanie Dürr von Pro Familia stellt fest: Jungen und Mädchen in der Pubertät haben ähnliche Werte. Und die sind eher konservativ.

Das Thema Liebe ist ihr täglich Brot. Sexualpädagogin Stefanie Dürr arbeitet bei Pro Familia als Youth-Workerin in der HIV- und Aids-Prävention. Regelmäßig ist die 40-Jährige in Schulen zu Gast, um Aufklärungsarbeit zu leisten. Im Interview spricht sie über Küsse und Kuscheln und darüber, was sich inzwischen in Sachen Liebe und Beziehung verändert hat.

Wie sprechen Sie mit den Jugendlichen über das Thema Sex und Liebe? Gibt’s da nicht viel Gekicher oder peinliches Schweigen?

Stefanie Dürr: Wenn ich in siebte oder achte Klassen gehe, also mit 13- bis fast 16-Jährigen zu tun habe, die mitten in der Pubertät sind, rede ich mit Jungen und Mädchen getrennt. Miteinander reden funktioniert bei denen gar nicht. Sie denken, dass das jeweils andere Geschlecht komplett anders tickt.

Janine Humer (19) macht gerade ein Praktikum bei Pro Familia. Sie hat einen festen Freund.
Janine Humer (19) macht gerade ein Praktikum bei Pro Familia. Sie hat einen festen Freund. © Hanusch

Ist das so?

Erstaunlicherweise erlebe ich, dass Jungs durchaus offener mit dem Thema Liebe umgehen. Mädchen sind in dem Alter sehr mit ihrem Körper beschäftigt. Und klar: Nach außen haben Jungs meist eine große Klappe, aber dahinter stecken relativ ähnliche Werte wie bei den Mädchen, nämlich ehrlich und treu sein.

Neulich waren Sie in einer achten Klasse und haben mit Blick auf unser Gespräch die Frage gestellt „Wie definiert ihr Liebe?“. Was ist dabei herausgekommen?

Ganz süße Dinge. Jungs sagen zum Beispiel: Liebe ist, wenn ich starke Gefühle habe, wenn ich ein Mädchen megahübsch finde, wenn wir viel whats-appen, wenn ich Schmetterlinge im Bauch habe und mich irgendwie komisch verhalte. Die Mädchen sagen: Wenn ein Junge vor einem steht, in den man verliebt ist, klopft das Herz und man kriegt keinen Ton raus. Man hat sein Bild als Hintergrund auf dem Handy und denkt oft an ihn. Übrigens sagen beide heute nicht mehr „Wir gehen miteinander“, sondern „Wir sind in einer Beziehung“.

Spielt Körperkontakt in diesem Alter eine große Rolle?

Küssen und Kuscheln schon. Doch der Sex steht bei jüngeren Jugendlichen heute nicht so im Vordergrund. Ihre Werte sind tatsächlich eher konservativer. Sie heben sich das für später auf, bis sie sich „reif genug“ fühlen. Eine Studie zur Jugendsexualität belegt, dass sich da was verändert. Im Schnitt haben 50 Prozent der Jugendlichen erst mit 17,5 Jahren zum ersten Mal Geschlechtsverkehr. Wobei die meisten Jungs schon viel früher ihren ersten Porno geguckt haben. Selbstbefriedigung ist da eher ein Thema.

Erinnern Sie sich noch an Ihre erste Liebe?

Das war in der siebten Klasse und sehr intensiv. Aber trotzdem nicht so fest und mit Zukunftsplänen. Man hat in den Gefühlen gelebt.

>> INFORMATIONEN

  • Pro Familia ist die größte nichtstaatliche Organisation für Sexual-, Schwangerschafts- und Partnerschaftsberatung in Deutschland. Die Wittener Beratungsstelle befindet sich an der Annenstraße 120.
  • Eine Jugendsprechstunde bietet Stefanie Dürr mittwochs von 15 bis 17 Uhr an, 392 8825. Jungen und Mädchen können einfach vorbeikommen und mit ihr sprechen. Sie beantwortet Fragen und unterstützt bei Problemen.