Witten. Die iPad-Klasse im Wittener Ruhr-Gymnasium ist ein echter Fortschritt – davon sind Schüler und Lehrer überzeugt. Dennoch muss sich etwas ändern.

Das hört man auch nicht häufig. Als die Fünftklässler aufgefordert werden, jetzt mit der Grammatikübung anzufangen, ertönt an allen Tischen ein lautes „Yeah!“ und die Schüler machen sich mit Feuereifer an die Arbeit. Allerdings nicht mit Heft und Füller, sondern mit ihrem Tablet-PC. Und einer der Zehnjährigen macht kurz noch einen Vorschlag: „Sollen wir vielleicht gleich auch ein Glossar online stellen?“ So läuft der Deutsch-Unterricht in Wittens erster Tablet-Klasse.

Mit Feuereifer dabei: Mosh (links) und Julian aus der 5a im Ruhrgymnasium Witten.
Mit Feuereifer dabei: Mosh (links) und Julian aus der 5a im Ruhrgymnasium Witten. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Seit sechs Monaten ist die iPad-Klasse am Ruhr-Gymnasium am Start. Zeit für ein erstes Fazit. „Das fällt sehr, sehr positiv aus“, betont Amelie Klinger. Zusammen mit ihrem Kollegen Steffen Wardemann leitet sie die Klasse 5a und ist begeistert über die ersten Monate mit den Tablets. Sie seien ein großes Plus für den Unterricht. Die Kinder lernten begeistert und intensiv, ihre Aktivität sei deutlich gewachsen. Lernstarke, schnelle Schüler würden von der Technik ebenso profitieren wie die Schwächeren – die einen durch die Fülle der zusätzlichen Möglichkeiten, die anderen durch die Chance, alles mehrfach und im eigenen Tempo ansehen und bearbeiten zu können.

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Dabei sei das Tablet aber weiterhin nur ein Medium von vielen im Unterricht. Wie üblich werden ebenso Bücher und Arbeitshefte genutzt. „Wir setzen auf die Mischung“, betont Klinger. Die Kinder sollen auch das Schreiben mit der Hand nicht verlernen. Deshalb wurden keine digitalen Stifte angeschafft. „Und die Prüfungen werden schließlich auch immer noch analog abgelegt.“

Die iPad-Klasse ist ein Kulturwechsel im Unterricht

Aber lernt die iPad-Klasse denn nun mehr oder schneller? „Darum geht es nicht“, betont Schulleiter Dirk Gellesch. Es gehe um neue Zugänge zum Lernen. „Die Klasse lernt anders.“ Die iPad-Klasse sei ein Kulturwechsel im Unterricht – Herausforderung und Chance zugleich. Dabei wolle das Ruhr-Gymnasium keine kleinen Nerds, also Technikfreaks, heranziehen, so Gellesch, „sondern Schüler und Schülerinnen, die die Kompetenzen haben, die im 21. Jahrhundert gebraucht werden“.

Nicht nur was für Jungen: Auch Zainab, Julia, Evelyn, Pia, Nike und Fine (von links) lieben ihre Tablets.
Nicht nur was für Jungen: Auch Zainab, Julia, Evelyn, Pia, Nike und Fine (von links) lieben ihre Tablets. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Die 31 Schüler der 5a seien auch beileibe nicht alles Computerfans, die nur vor dem Rechner sitzen und keine sozialen Kontakte haben. „Im Gegenteil, ich hatte noch eine so soziale und hilfsbereite Klasse“, versichert Klinger. Dennoch habe sie und ihre Kollegen die große Medienkompetenz der Kinder sehr überrascht. Der Umgang mit den Apps, dem digitalen Lernsystem mit seinen verschiedenen Ordnern und auch mit der Hardware stelle die Kinder vor keinerlei Probleme. „Wir dachten, das sei für Fünftklässler am Anfang eine Hürde, war es aber gar nicht“, so die Deutschlehrerin.

„Das ist einfach klasse mit den iPads“

Von Medienkompetenz sprechen die Pädagogen, von Spaß die Kinder: „Das ist einfach klasse mit den iPads“, sagt etwa Mosh. Der Zehnjährige hat große Freude am Lernen mit dem Tablet – in allen Fächern. Auch beim Sport? „Klar, in Sport haben wir zum Beispiel eine Pulstabelle angelegt und die Regeln aufgeschrieben.“

Es gibt noch zu wenig digitale Unterrichtsbücher

Klassenkameradin Paula ist überzeugt, dass es in Zukunft ohne Tablet nicht mehr gehen wird. Sie lobt vor allem, dass man immer alles nachlesen kann. Mitteilungen, gestellte Hausaufgaben, Lernergebnisse – alles ist jederzeit verfügbar. „Das ist total praktisch.“ Was Paula allerdings beklagt: Es gibt noch zu wenig digitale Unterrichtsbücher und einige würden im Unterricht zu viel auf den Tablets spielen.

Whiteboard statt Tafel: Ben kann seine Antwort eintippen.
Whiteboard statt Tafel: Ben kann seine Antwort eintippen. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Damit spricht die Fünftklässlerin ein Thema an, bei dem das Gymnasium in Zukunft noch nachsteuern will. „Es gibt durch die Tablets in der Tat ein gewisses Ablenkungspotenzial“, so Steffen Wardemann. So wie früher „Käsekästchen“ gespielt wurde, würden einige Schüler jetzt versuchen, im Unterricht mit den iPads zu spielen oder sich Nachrichten zu schicken. „Aber das können wir problemlos in den Griff kriegen. Wir müssen nur mit einem Klick die Verbindungen sperren.“

Gymnasien haben unterschiedliche Pläne

Im kommenden Schuljahr wird im Ruhr-Gymnasium eine weitere fünfte Klasse mit iPads starten. Für die anderen Klassen hat die Schule 30 Geräte angeschafft, die für den Unterricht ausgeliehen werden können.

Auch das Schiller-Gymnasium wird digital. Im nächsten Schuljahr werden alle sechsten Klassen mit Tablets ausgestattet, dass sei mit großer Mehrheit der Eltern beschlossen worden, erklärt Schulleiterin Janine Bartsch. In der fünften Klasse würden die Schüler zunächst auf die Mediennutzung vorbereitet.

Das AMG hat hingegen bislang nur dreimal zehn Geräte, die für den Unterricht ausgeliehen werden können. Mehr seien bereits angefordert. Das Angebot werde intensiv genutzt. Die iPads seien sehr sinnvoll und eine große Bereicherung für den Unterricht. „Wir sehen aber nicht den größeren Nutzen, wenn jeder Schüler ein Tablet hat“, so Schulleiter Johannes Rienäcker.

Nicht ganz so leicht zu bewältigen sind die technischen Probleme. Zwar läuft derzeit alles gut und stabil. „Aber der fehlende Glasfaseranschluss ist ein echter Hemmschuh“, klagt Schulleiter Dirk Gellesch. Wenn im Sommer noch eine zweite iPad-Klasse dazukomme, immer mehr Technik genutzt werde, „dann ist die Frage, wie lange die Leitung das noch aushält“. Die Förderanträge sind gestellt. Die Stadt hofft, dass die Arbeiten um die Schulen ans schnelle Netz zu bringen, noch in diesem Jahr beginnen können.