Witten. Ein süßes Albino-Nutria erfreut Spaziergänger in Witten-Bommern. Dass der hellfarbige Nager in freier Natur überleben konnte, wundert Experten.

Ein Nutria mit weißlich-gelbem Fell verzückt Spaziergänger beim Campingplatz Steger in Witten-Bommern. Seit Kurzem schwimmen sogar fünf niedliche hellfarbige Kinder hinter ihm her. Doch die großen biberähnliche Nager breiten sich in rasanter Geschwindigkeit am Wittener Ruhrufer aus. Dass ein helles und damit nicht durch sein Fell getarntes Nutria nicht Fressfeinden zum Opfer falle, wundert Gewässerwart Martin Maschka. Normalerweise überleben solche Albinos in freier Wildbahn nicht. Das weiße Wittener Nutria ist damit etwas ganz Besonderes.

17 Nutria krabbeln aus einer Höhle

Wie stark die Population dieser großen Biberratten in den letzten Jahren angestiegen ist, konnte der Naturexperte unlängst im Naturschutzgebiet Ruhrauen an der Stadtgrenze Witten/Wetter feststellen. Im Zuge der Renaturierung des 3,7 Kilometer langen Flusslaufs wurde auch der Lauf des Stollenbachs verlegt. Aus einer Höhle guckte dabei plötzlich ein Nutria heraus. Eines? Nein, 17 weitere folgten und dackelten schnurstracks in Richtung Ruhr. Gezählt wird der Bestand im Ruhrtal von der Kreis-Naturschutzbehörde nicht, auch Maschka kennt keine genauen Zahlen.

Sind vielleicht ein Paar: Das Albino-Nutria und ein weit größeres braunfarbiges Nutria vertreiben sich die Zeit mit zwei Enten. Beide leben nahe des Campingplatz Steger an der Uferstraße in Witten.
Sind vielleicht ein Paar: Das Albino-Nutria und ein weit größeres braunfarbiges Nutria vertreiben sich die Zeit mit zwei Enten. Beide leben nahe des Campingplatz Steger an der Uferstraße in Witten. © FUNKE Foto Services | Jürgen Theobald

Dass ein weißes Nutria zu einem großen Tier auswachsen und sich fortpflanzen konnte, erstaunt Martin Maschka. Er schätzt das Tier, das auf Höhe des Campingplatzes Steger lebt, auf zweieinhalb Jahre. Albinismus sei eine Pigmentstörung. Das normale braune Fell tarne Jungtiere vor Feinden wie Hecht, Wels oder Greifvögeln. Doch dieser Albino hat überlebt. Einem ausgewachsenen, teils 15 Kilo schweren Nutria tritt kaum noch ein Tier entgegen, das würden sowieso nur großgewachsene Füchse oder Wölfe schaffen. Von Hunden lassen sich manche Nutrias zwar erschrecken. „Aber ihre Scheu vor Menschen haben viele Tiere verloren“, so Maschka.

Am Campingplatz Steger zählen die Nutrias zu willkommenen Besuchern, die sich teilweise sogar aus der Hand füttern lassen. „Die sehen drollig aus, wenn die einen angucken“, sagt Platzchef Hans-Peter Steger, „die haben so schöne rote Schneidezähne“. Regelmäßig „machen die Männchen und holen sich ihre Brötchen oder ‘nen Apfel“ ab. „Und wenn die Camper nicht schnell genug füttern, beißen die schon mal in die Fußnägel.“ Das Albino-Nutria, laut Steger „ein richtiger Brocken“, sei dabei ein besonderer Hingucker.

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An diesem grauen Wintertag paddelt der Albino zusammen mit einem weit größeren braunen Nutria vorm Bootsanleger herum, knabbert an einigen Zweigen oder steht auf dem Steg – was geht? Seit Ende Oktober habe das hellfarbige Tier oft seine Kinder im Schlepptau, weiß Campingplatzbesitzer Steger. Zum Wurf zählten zwei braune und fünf beigefarbene Tieren.

Nur ein knackiger Winter reduziert die Population

Das Albino-Nutria knabbert beim Campingplatz Steger in Witten an einigen Ästen.
Das Albino-Nutria knabbert beim Campingplatz Steger in Witten an einigen Ästen. © Hans Schwind

Dass sich die Zahl der Nutrias immer weiter erhöht, beunruhigt Hans-Peter Steger nicht. Auch die aus Nordamerika stammende Bisamratte hätte sich eine Zeit lang in den Wittener Ruhrauen breitgemacht, wurde aber durch die Nutrias vertrieben. Mitunter rufe er auch den Jäger. „Aber wenn man fünf entnimmt, gehen die anderen sofort in ihre Kammer und machen neue“, witzelt er.

Tatsächlich reduziere nur „ein richtig knackiger Winter den Bestand“, sagt Experte Martin Maschka. „Nutrias stammen aus Südamerika und sind Frost nicht gewohnt.“ Sie würden zwar Höhlen buddeln, bauen sie aber im Gegensatz zu den Bibern nicht zu einem Dammsystem mit trockener Wohnfläche aus. „Die graben einen so kleinen Bau, dass der Schwanz noch ins Wasser hängt. Mitunter friert den Nutrias einfach der Schwanz ab. Dann sieht man Exemplare mit Stummelschwänzen.“ Und wenn es so mild bleibt wie bisher? „Dann haben wir im nächsten Jahr noch mehr Nutrias.“