Witten. Nicht nur in der Wittener City weihnachtet es sehr. Auch die meisten Stadtteile können sich sehen lassen. In Herbede ist ein Treff längst Kult.
Im Haus am Bodenborn 35 ist alles dunkel. Keine Lichterketten, nirgends. Doch leuchtet da nicht Kerzenschein seitlich im Hofeingang? Sind da nicht Stimmen zu hören? „Lasst uns froh und munter sein“ klingt es von ferne. Und tatsächlich: Hinterm Haus feiern sie mit Glühwein und Punsch. Beim „Lebendigen Adventskalender“ in Witten-Bommern hat sich wieder ein Türchen geöffnet. Wer sich aufs Fest einstimmen möchte, der muss nicht in die City fahren. Manchmal lohnt auch der Besuch in einem der sechs Stadtteile.
Nach und nach füllt sich der Hof hinter dem Haus in Bommern mit Familie, Freunden und Nachbarn. Es duftet nach Glühwein und Apfelpunsch. Auf der Wiese weiter hinten leuchten Rentiere, ein Schlitten und der Nikolaus. Eingeladen haben heute Marlies Mohr (78) und Ilse Holberg (79). Mit dabei ist auch Barbara Schade vom Posaunenchor. An diesem Abend hat die 52-Jährige ihr Akkordeon mitgebracht – und eine Liste mit allen Weihnachtsklassikern.
„Lebendiger Adventskalender“ in Witten-Bommern kommt bei Menschen gut an
„Die Gemeinschaft ist wichtig. Und dass es mal besinnlich zugeht. Das gehört doch dazu“, sagt Britta Krumm (48), die ebenfalls in dem Mehrfamilienhaus wohnt und ihrer Tante Ilse bei den Vorbereitungen geholfen hat. Schmalzbrote gibt es noch und Kekse. Und literweise Glühwein. Das tägliche Türchen der evangelischen Gemeinde kommt an in dem Ortsteil, der sonst wenig weihnachtlich wirkt. An der Bommeraner Mitte etwa fallen nur die leuchtenden Sterne auf, die der TuS auf dem Parkplatz vor der Halle installiert hat.
Weiter geht’s nach Annen. Natürlich sieht man es allüberall auf den Balkonen und in Fenstern glitzern und glänzen. Einzelne Hausbesitzer haben ihre Vorgärten weihnachtlich aufgehübscht. Da kommt die Beleuchtung der Annenstraße eher schlicht daher. Nur wenige Sternschnuppen sitzen auf den Straßenlaternen. Dafür erleuchten einige auch die Bebelstraße. Den letzten richtigen Stadtteil-Weihnachtsmarkt hat es vor über 20 Jahren gegeben.
Nicht alle Wittener Stadtteile sind großzügig beleuchtet
Ähnlich zurückhaltend sind Stockum und Rüdinghausen illuminiert. Etwa 40 Tannen, Sterne und Sternschnuppen krönen die Straßenbeleuchtung an der Hörder Straße in Stockum. Dafür sorgt alljährlich der Dorfverein, der sich über Spenden immer freut. „Lagerung, Auf- und Abhängen, Strom – das kostet uns pro Saison etwa 2500 Euro“, sagt Mitglied Wolfgang Lippert. Ansonsten planen die Vereine und Kirchengemeinden ihre Weihnachtsfeiern intern. Vergangenen Mittwoch haben gerade Frauenhilfe und Heimatverein im Paul-Gerhardt-Haus gemütlich zusammengesessen.
Auch nur ein ganz kurzes Stück der Kreisstraße in Rüdinghausen leuchtet offiziell weihnachtlich. Doch hier im Stadtteil gibt es für Auswärtige noch einen Geheimtipp. Wer es eine Nummer größer mag und auf Lichterglanz im amerikanischen Stil steht, schaut mal an einem Haus im Marktweg vorbei.
Gigantisches Geglitzer schon von Weitem. Farbwechsel am Rand des halbrund geschwungenen Dachs. Mannshohe Weihnachtsmänner. Schlitten und Rentiere erhellt von unzähligen Glühbirnchen. Und mindestens zehn vermutlich künstliche Tannen im Eingangsbereich. So genau ist das nicht zu erkennen, denn ein hoher Zaun schafft Distanz zum eindrucksvollen Spektakel.
Fahrt von Witten nach Herbede beschert besonderen Moment
Traditioneller mögen es die Nachbarn, die dafür bekannt sind, in Heven die beiden Straßenzüge „Alter Garten“ und „Am Padstück“ zu schmücken. Doch was ist das? In vielen Vorgärten fehlt die Deko. Nur vor vergleichsweise wenigen Häusern blinken und strahlen moderne LED-Lämpchen oder ältere Glühbirnen. Ob das an der Baustelle liegt? Die Straße ist vom Hordel aus gesperrt. Schade – auch weil der Ortskern rund um den Hellweg jeglichen Straßenschmuck vermissen lässt.
Die Fahrt nach Herbede entlang der Ruhr beschert Autofahrern dann einen besonderen Moment. Wenn der Rückstau an der Kreuzung kurz vor der Ruhrbrücke lang genug ist, kann man in Ruhe die Wand von Hausnummer 83 betrachten. Schneemänner, Flocken und andere Motive wandern als bunte Projektion über die Fläche.
Herbeder Glühweintreff ist längst Kult im Wittener Stadtteil
Entlang der Meesmannstraße erwarten den Besucher dann jede Menge Bäumchen, hübsch bekränzt mit Lichterketten. Wer jetzt, am Ende der Tour durch die sechs Stadtteile, nach einem weihnachtlichen Heißgetränk lechzt, der ist hier genau richtig. Gleich zu Beginn der Einkaufsmeile lockt der „Herbeder Glühweintreff“. Und der ist längst Kult im Stadtteil. Auch an diesem frühen Abend unter der Woche ist das blau-weiß gestreifte Zelt gut besucht.
Am Tresen schenkt Michael Freudenreich gerade Lumumba und Apfel-Zimt mit Schuss aus. Mit fünf Freunden, erzählt der 58-Jährige, habe das hier vor 18 Jahren mal angefangen. Die Rentner hatten Langeweile und nichts Besseres zu tun, als eine Bude aufzubauen und dort Glühwein zu verkaufen – für den guten Zweck.
Inzwischen helfen viele Freunde und Bekannte mit. Und die Herbeder freuen sich über ihren Feierabend-Treff. „Ich wärme mich hier immer nach der Hunderunde auf“, sagt eine 64-Jährige. Ihre Bekannte ergänzt: „1,50 Euro für einen Glühwein – die Preise stimmen einfach.“ Auch sonst gefällt ihr das stimmungsvolle Ambiente im Ort. Sie lobt: „Herbede macht das schön.“