Witten. In Wittens City bietet der Verein Integra ein ambulant betreutes Wohnen für Suchtkranke an. Es ist die erste WG dieser Art speziell für Ältere.

Nur noch die alten Fenster im Erdgeschoss erinnern im Haus Nummer 5 an der Crengeldanzstraße an die ehemalige Kneipe „Domizil“. Dort, wo früher mehr als nur das ein oder andere Glas Bier oder Schnaps über die Theke ging, befindet sich heute der Gemeinschaftsraum einer Wohngemeinschaft für ältere Suchtkranke.

„Das ist schon irgendwie eine Ironie der Geschichte“, räumt Janis Drögekamp ein. Er ist Geschäftsführer für den Bereich Eingliederungshilfen des Vereins Integra, der den Altbau gegenüber dem Marien-Hospital komplett saniert und barrierefrei umgestaltet hat. Anfang September sind die ersten Bewohner eingezogen – vier sind es bislang. Platz bietet das Gebäude aber für zehn hilfsbedürftige Menschen, aufgeteilt auf zwei WGs mit jeweils rund 250 Quadratmeter Wohnfläche inklusive Gemeinschaftsküche und –wohnzimmer, je drei Bädern und den rund 20 Quadratmeter großen Einzelzimmern. Das Angebot nennt sich Ambulant Betreutes Wohnen und Tagesstruktur, kurz Ambetag.

Hilfe bei der Strukturierung des Tages

„Wir stellen den Wohnraum und helfen, den Tag zu strukturieren“, erklärt Heilpädagoge Jan Thies den Ansatz des Hauses, das zwischen der ambulanten Betreuung Suchterkrankter und der Vollversorgung in einer stationären Einrichtung angesiedelt ist. „Wir glauben, dass das ein Zukunftsmodell ist“, sagt Jürgen Zerbin, zuständig für das Betreute Wohnen im EN-Kreis bei Integra. Vier Betreuer kümmern sich um die Bewohner, sind aber nicht ständig vor Ort, sondern kommen etwa zum gemeinsamen Kochen vorbei.

Janis Drögekamp, Jürgen Zerbin und Jan Thies (v.l.) von Integra vor dem umgebauten Haus an der Crengeldanzstraße. In dem neuen Wohnprojekt finden bis zu zehn ältere Suchtkranke ein neues Zuhause.
Janis Drögekamp, Jürgen Zerbin und Jan Thies (v.l.) von Integra vor dem umgebauten Haus an der Crengeldanzstraße. In dem neuen Wohnprojekt finden bis zu zehn ältere Suchtkranke ein neues Zuhause. © Barbara Zabka

Zielgruppe sind ältere oder durch die Sucht vorzeitig gealterte Menschen. Damit ist das Wohnprojekt laut Integra das erste Angebot seiner Art in Witten speziell für ältere Menschen. So wie für Udo Buchwald. „Das hier ist meine Lebensrettung“, sagt der 63-Jährige. Vier Jahre lang lebte er zuvor in einem Pflegeheim, nachdem er seine Wohnung verloren hatte. Gerade ältere Suchtkranke seien unterversorgt, sagt Betreuer Thies. Die derzeitigen Bewohner sind zwischen 47 und 65 Jahren alt.

Größtes Maß an Selbstständigkeit soll erreicht werden

Möglichst selbstständig sollen die älteren Menschen hier leben können. Was das für den einzelnen bedeutet, ist dabei ganz individuell. Das kann schlicht das Mittagessen sein, das man sich wieder selbst zubereitet. Oder die Wäsche, die man eigenständig wäscht. Hauswirtschaftstraining ist Teil des Betreuungskonzepts. „Nach und nach wollen wir immer mehr Aufgaben den Bewohnern überlassen“, sagt Thies.

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„Wir wollen keine geschlossene Scholle sein“, betont Geschäftsführer Drögekamp. Vielmehr wolle man Brücken nach außen bauen. Daher ist auch die zentrale Lage in der City bewusst gewählt. Die Bewohner sollen am gesellschaftlichen Leben teilhaben können, etwa auch gemeinsam kulturelle Angebote nutzen. „Das haben viele verlernt“, so der 35-Jährige.

Wer ins Haus an der Crengeldanzstraße einziehen möchte, sollte nicht mehr konsumieren. Bei einem Rückfall droht aber nicht direkt der Rauswurf. „Das arbeiten wir gemeinsam auf“, sagt Drögekamp.

>>> Kosten übernehmen LWL und Sozialamt

Die Kosten für die Betreuung der Bewohner am Crengeldanz übernimmt der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL). Mit diesem zusammen erfolgte auch die Konzeption und der Umbau des Hauses. Die individuelle Miete trägt der zuständige Sozialhilfeträger.

Integra e.V. wurde 2001 in Wetter/Ruhr gegründet. Der Verein versteht sich als Dienstleister in der Sozialpsychiatrie, Suchthilfe und Jugendhilfe.

Integra ist mit sechs ambulanten Fachdiensten und acht Standorten im Ennepe-Ruhr-Kreis, in Hagen, im Märkischen Kreis, im Kreis Unna, Kreis Mettmann und in Dortmund aktiv. Hier betreuen etwa 100 Fachkräfte derzeit rund 500 Menschen.