Witten. Der Regionalplan, der Wohn-, Gewerbe-, Grünflächen ausweist, ist verschoben. Und damit auch eine Entscheidung zu Wittens Gewerbegebiet Vöckenberg.
Der Regionalplan Ruhr wird nicht wie vorgesehen vor den Kommunalwahlen 2020 verabschiedet. Für Witten bedeutet die Entscheidung der RVR-Verbandversammlung eine Verzögerung wichtiger Entscheidungen und eine längere Phase der Unsicherheit. „Ohne Regionalplan gibt es keine lokale Planung, es herrscht totaler Stillstand“, sagt Ulrich Oberste-Padtberg (CDU). „Für die Menschen und die Wirtschaft ist das eine Katastrophe.“ Der konservative Politiker sitzt als einziger Wittener in dem RVR-Gremium
Laut Planungsamtschef Sebastian Paulsberg seien die Auswirkungen der Regionalplan-Verschiebung dagegen „gar nicht so dramatisch“, weil Witten schon einen relativ festgeschriebenen Flächennutzungsplan habe. Betroffen sei nur eine Stelle in Witten, nämlich das geplante – und umstrittene – Gewerbegebiet am Vöckenberg. Dafür werde jetzt die ehemalige Thyssen-Deponie in Rüdinghausen als Gewerbefläche entwickelt. Paulsberg: „Die Fläche ist im Flächennutzungsplan als gewerbliche Baufläche dargestellt. Dies wird die Gewerbeflächen-Lage in Witten etwas entspannen.“ Er rechne damit, dass die Baureifmachung für die ehemalige Deponie in etwa drei oder vier Jahren erfolgen kann. Danach können die Flächen aufbereitet werden. Nach Angaben von Stadtbaurat Stefan Rommelfanger könnten so 80.000 Quadratmeter Gewerbefläche gewonnen werden.
Anders reagiert die Industrie- und Handelskammer (IHK). Schon im Januar hatte sie im Zuge der Diskussion um den Vöckenberg Alarm geschlagen und den Wirtschaftsstandort Witten in Gefahr gesehen. Der nun verschobene Regionalplan hatte für Witten 24 Hektar zusätzliche Gewerbefläche ausgewiesen, davon etwa 20 auf dem Vöckenberg. Für IHK-Präsident Wilfried Neuhaus-Galladé nicht genug.
„Flächensituation in Witten ist desaströs“
„Das Planwerk hat eine Laufzeit von 25 Jahren. Das heißt: Wir haben 24 Hektar für 25 Jahre. Das reicht bei Weitem nicht, um neue Unternehmen nach Witten zu holen oder expandierenden Unternehmen neue Standorte anzubieten“, sagte er damals in einer Stellungnahme. An dieser Situation hat sich seitdem nichts geändert, auch wenn nun kürzlich Drei Könige in die Vermarktung gegangen ist. „Die Flächensituation in Witten ist desaströs“, sagt IHK-Sprecher Jörg A. Linden. „Wir haben hier einen Flächenmangel, der für die Entwicklung der Stadt problematisch ist.“ Immer wieder verlassen darum Firmen die Stadt, etwa Brock Kehrtechnik, der Automobilzulieferer Pelzer oder Faiveley.
Scheitern als Chance für den Umweltschutz
Pirat Stefan Borggraefe sieht im gescheiterten Regionalplan hingegen eine Chance für mehr Umweltschutz. Die zahlreichen Stellungnahmen aus der Bevölkerung, die nun zur Verzögerung führen, müssen seiner Ansicht nach ernst genommen und der Plan entsprechend überarbeitet werden. „Allein im Ennepe-Ruhr-Kreis sieht der Regionalplan Ruhr knapp 220 Hektar oder gut 300 Fußballfelder neue Gewerbe- und Industrieflächen vor, die bisher noch Grün- oder Ackerflächen sind“, heißt es dazu in einer Stellungnahme der EN-Piraten.
Stadt will mehr Raum für Wohnungen und GewerbeDie Stahlfabrik Friedrich Lohmann hat mit dem Regionalplan ihr ganz eigenes Problem. Das Firmengelände in Herbede ist im Entwurf als Allgemeiner Freiraum und Agrarbereich festgelegt. Dagegen haben sowohl die Stadt als auch das Unternehmen selbst Einwendungen an den RVR gesendet. Das liegt daran, dass die Firma eine Fläche von unter zehn Hektar hat, Betriebsflächen aber erst ab dieser Größe als solche im Plan ausgewiesen werden. Die Firma wünscht sich daher „Klarstellungen sowie eindeutige verbindliche Festlegungen zur Absicherung unseres Betriebes in Herbede.“ Die Verzögerung um möglicherweise Jahre ist für Gunnar Lohmann-Hütte ein „riesengroßes Problem“. „Wir brauchen Planungssicherheit, wollen uns weiterentwickeln“, sagt der Geschäftsführer. „Wir wollen hier in Witten bleiben. Wir glauben an den Standort.“