Witten. Seit 20 Jahren diskutieren Politik und Verwaltung über Wittens Kornmarkt. Investoren kamen und gingen, doch plötzlich geht alles ganz schnell.
Nach langer Diskussion und verzweifelter Investorensuche ging es am Ende plötzlich ganz schnell und vor allem still und leise.
Glaubte die Öffentlichkeit, die List Gruppe würde als Investor noch einen Wiedereinstieg in das Kornmarkt-Projekt prüfen, soll jetzt offenbar schon der geplante Grundstücksverkauf abgewickelt werden. Jedenfalls hat sich die Verwaltung gerade in nicht öffentlicher Sitzung den einstimmigen Beschluss des Stadtentwicklungsausschusses dafür geholt.
Nach dem Verkaufsbeschluss gibt es noch keine Informationen der Stadt Witten
Der Beschluss wurde der WAZ aus mehreren Quellen bestätigt. Die Stadt hat bisher nicht darüber informiert, obwohl das Projekt seit vielen Jahren Bürger, Rat und Verwaltung gleichermaßen beschäftigt. Es geht um die Filetfläche mitten in der City, gleich gegenüber vom Rathaus, die seit dem Umzug des ZOB zum Hauptbahnhof Parkplatz ist. Sie soll bebaut werden. Doch bisher fand sich kein Investor, der die nötigen Millionen dafür in die Hand nehmen wollte. Mit Markus Bau, dem Sieger eines Investorenwettbewerbs im Jahr 2017, glaubte man, den passenden Entwurf und Projektentwickler gefunden zu haben.
Doch Anfang Juli gab die Stadt bekannt, dass es mit Markus Bau nichts wird, obwohl man schon fast beim Notar gewesen sei. Offenbar rechnete sich das Großprojekt für den Bochumer Investor nicht mehr. Also ging die Stadt auf den zweiten Wettbewerbssieger zu, die List Gruppe aus Nordhorn. Sie wollte bis August den Wiedereinstieg in das Projekt prüfen. Offenbar hat sie der Stadt längst ihr Okay gegeben. Jedenfalls ging die Verwaltung mit ihrem Grundstücksverkaufsbeschluss jetzt in den Ausschuss.
Politik hat bei Entwurf für Kornmarkt-Bebauung Nachbesserungsbedarf angemeldet
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Es soll um eine rund 1250 m² große, zu bebauende Fläche gehen, bei einem Quadratmeterpreis von 655 Euro. Es ist von einem Verkaufspreis um die 600.000 Euro die Rede. Der zu gestaltende Platz soll städtisch bleiben. List selbst sieht vier größere Gebäudekomplexe mit einem Mix aus Wohnen und Gewerbe vor. Während in Teilen der Opposition und bei Bürgern Kritik gegen eine zu massive Bebauung laut wird, sprach Stadtbaurat Stefan Rommelfanger zuletzt noch von einem „überzeugenden Entwurf“.
Die Fassade weise eine hohe Qualität auf, die voraussichtlich ab Ende 2020/Anfang 2021 geplante Bebauung nannte der Dezernent „herausragend“. Nichtsdestotrotz hatte die Politik noch Nachbesserungsbedarf angemeldet. Die Architekten (RKW aus Düsseldorf) sollten insgesamt etwas abspecken. Es wurden ein Staffelgeschoss weniger gewünscht, weniger Dichte und größere Abstände.
Eine Gastronomie im Erdgeschoss sollte verkleinert werden. Inwieweit dem gefolgt wurde, ist unklar, da es wie gesagt bisher noch keine offizielle Stellungnahme seitens der Stadt gibt.
Bürgerantrag fordert Grün statt einer „Betonburg“ auf der Filetfläche in der City
Aus der Politik ist einerseits Erleichterung, andererseits Kritik zu hören. „Ich bin froh, dass es weitergeht“, so ein Ratsherr des Bürgerbündnisses aus SPD und CDU. Der Verkaufsbeschluss sei für ihn zum jetzigen Zeitpunkt zwar auch plötzlich gekommen. „Aber es soll ja auch nicht noch mehr Zeit verloren gehen“, sagt er. Der Genosse warnt davor, nun ein „neues Fass“ aufzumachen, weil dem ein oder anderen das Grün fehle. „Wir haben doch weiß Gott genug Grün drumherum.“
Ein Bürgerantrag aus dem linken Spektrum fiel in dem Ausschuss durch. Darin fordern Gruppen wie Attac oder „Transition Town Witten-Wetter-Herdecke: „Der Kornmarkt muss grün werden!“ Die geplante „Betonburg“ widerspreche einer Resolution des Rates zum Klimaschutz. Die Initiative sammelt weiter Unterschriften für ihren Antrag, um das Thema im Rat noch einmal auf die Tagesordnung zu setzen. Mitstreiter Manfred Schulz: „Die Bürger kochen vor Wut.“