Witten. Die erste Wittener Senioren-WG besteht schon seit zehn Jahren. Zum Jubiläum gab’s einen neuen Mieter und einen Ehrengast aus dem Norden.
Darauf haben sich die sechs Damen schon gefreut. Endlich lebt wieder ein Mann bei ihnen am Bodenborn. Gerade erst ist Asmus Jost dort eingezogen. Mit 75 Jahren ist er auch noch das Nesthäkchen der Senioren-WG. Allein das wäre schon Grund genug, zu feiern. Doch es gibt noch einen anderen: Seit zehn Jahren besteht diese noch immer ungewöhnliche Form des Zusammenlebens in Bommern.
Die Wohnungsgenossenschaft Witten-Mitte hat die WG gegründet. Damals waren die sieben Zimmer sofort belegt. Ingrid Hein (86) ist fast von Anfang an dabei. Sie hat Bewohner kommen und gehen sehen – 23 Mieter gab es bis heute. Außer Hein und Jost teilen sich aktuell Herta Unger (90), Erna Saure (91), Marianne Dobrenz (82), Johanna Kossler (93) und Marianne Strauch (90) die große Wohnung, die mal eine Pizzeria war.
„Jeder hat hier seinen eigenen Hausschlüssel“
„Ich wollte nicht ins Altenheim“, erklärt Marianne Strauch ihre Entscheidung vor einem Jahr, in die WG zu ziehen. Von Bommerholz ist sie hierher gezogen. Sie zählt die Vorteile auf: „Die kurzen Wege zum Einkaufen, zum Arzt, hier ist alles gut erreichbar.“ Großen Wert legt sie auf ihre Selbstständigkeit. „Jeder hat hier einen eigenen Hausschlüssel.“
Und jeder kann mitbestimmen. Zum Beispiel, was es zu essen gibt. Mittags kommen alle am großen Tisch zusammen und lassen es sich schmecken. „Man kann sich auch mal sein Lieblingsgericht wünschen.“ Heute gab’s nur Hühnersuppe. Denn im katholischen Pfarrheim an der Kapellenstraße, wo sie das Zehnjährige mit einer großen Gästeschar feiern, stehen Teller mit Kuchen und Schnittchen bereit.
Kirsten Burckhardt (50) und Bärbel Engelage (64) sind die guten Geister der WG und kochen für die Truppe. Im Laufe der Jahre hätten sich die Abläufe schon etwas verändert, sagt Burckhardt. „Die Bewohner werden älter und helfen nicht mehr so viel mit beim Kartoffeln schälen und Gemüse schnippeln.“ Sie lassen sich lieber verwöhnen.
Der einzige Herr im Haus lobt das tolle Mittagessen
Auch Neuzugang Asmus Jost aus Stockum lobt das „tolle Mittagessen“. Noch keine Woche lebt er hier, hat vier Tage zur Probe gewohnt und sagt aus tiefster Seele: „Ich fühle mich sauwohl.“ Man habe Unterhaltung oder seine Ruhe. Man sei ein freier Mensch und trotzdem nie allein. „Ich bin in einem Alter, da reden Sie doch sonst mit den Wänden.“
Irgendwas ist immer los in der WG. Es gibt Spielenachmittage oder Kaffeerunden. Neulich waren sogar Ponys zu Besuch. Die Nichte von Herta Unger hat sie mitgebracht. Auch hohe Herrschaften schauen gern mal vorbei. Etliche Staatssekretäre waren schon da, sogar der ehemalige SPD-Parteivorsitzende Franz Müntefering. Und Henning Scherf, Senator a.D. und ehemaliger Bremer Bürgermeister, hat mal am Bodenborn übernachtet.
Erste Senioren-WG im EN-Kreis
Die Senioren-WG am Bodenborn 47 war die erste ihrer Art im gesamten Ennepe-Ruhr-Kreis. Die Wohnungsgenossenschaft Witten-Mitte ging damals in Kooperation mit der Caritas und dem DRK neue Wege. „So etwas müsste es viel häufiger geben“, sagt Bewohnerin Marianne Strauch (90).
Die WG hat ihren Platz in den ehemaligen Räumen der Bommeraner Gaststätte „Bei Roberto“. Sie verfügt über sieben Plätze. Interessenten können sich auf die (kurze) Warteliste setzen lassen, 28143-25 (Anne Klar, Witten-Mitte).
Auch zum zehnten Geburtstag ist der Ex-Spitzenpolitiker aus dem Norden, der selbst seit 1987 mit drei Generationen unter einem Dach lebt, wieder angereist. Um zu gratulieren zu diesem „Erfolgsmodell“, dieser „Pionierleistung“ der Wohnungsgenossenschaft und des Caritasverbandes. Scherf (80) appelliert an alle Gäste und die WG-Bewohner: „Begreifen Sie Altwerden als neues Kapitel im Leben.“ Neuzugang Asmus Jost nickt: „Und wir müssen uns gegenseitig helfen.“