Witten. Wer lange ohne Arbeit ist, wird auch oft krank. Jobcenter und Krankenkassen bringen jetzt gemeinsam Kurse für Langzeitarbeitslose an den Start.
Wer längere Zeit ohne Job ist, dem geht irgendwann der Antrieb verloren – und die Hoffnung. Nicht selten kann das in einer Depression enden. „Arbeitslosigkeit und Gesundheit beeinflussen sich gegenseitig“, sagt Heiner Dürwald, Fachbereichsleiter des Jobcenters Ennepe-Ruhr. Und wer erst einmal krank ist, der findet umso schlechter zurück in die Arbeitswelt. Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen arbeiten nun das Jobcenter im EN-Kreis und die Krankenkassen der Region zusammen.
Durch niedrigschwellige Kurse vor Ort sollen Langzeitarbeitslose individuell an eine gesündere Lebensweise herangeführt werden. Aktuell sind das 1.478 Menschen in Witten. Bereits zweimal hat die Quabed in diesem Zusammenhang ein Projekt auf die Beine gestellt: Langzeitarbeitslose Frauen haben Techniken der Kampfsportart Ju-Jutsu erlernt.
„Zugang zu den Menschen zu finden, ist das Wesentliche“
Die Wittener Beschäftigungsagentur stellt dabei die Räume für den Kurs und gewinnt die Teilnehmerinnen für die Maßnahme. „Denn Zugang zu den Menschen zu finden, ist das Wesentliche“, sagt Holger Russ, der das Projekt seitens der Krankenkassen koordiniert. „Flyer auszulegen oder Plakate aufzuhängen bringt meist nichts.“ Die Träger vor Ort kennen aber meist die potenziellen Teilnehmer im Vorfeld, können diese direkt ansprechen.
Auch wenn ein Selbstverteidigungskurs auf den ersten Blick nicht der klassische Gesundheitskurs ist, ist er es nach Definition von Jobcenter und Krankenkassen dennoch. „Denn Abwehrtechniken sind schön und gut. Die Frauen sollen durch den Kurs aber auch ihr Selbstbewusstsein aufbauen“, sagt Dürwald. Denn genau das fehle vielen Arbeitslosen. Insgesamt gehe der Trend bei der Arbeit mit Hartz IV-Empfängern weg von einer Fokussierung auf den Arbeitsmarkt, hin zu einer ganzheitlichen Förderung der Betroffenen.
Bislang erst zwei Kurse
Die Gesundheits-Kurse sind für die Teilnehmer umsonst, die Kosten werden von den Krankenkassen getragen: insgesamt 150.000 Euro pro Jahr für den Einzugsbereich des Jobcenters EN. Der Nachteil: Die beiden Kurse in Witten waren seit Beginn der Kooperation 2018 bislang die einzigen Angebote. Das soll sich aber nun ändern. „Wir werden das strukturierter angehen“, versichert Dürwald.
Kooperation ist bundesweite Initiative
Die Kooperation zwischen Krankenkassen und Jobcenter ist eine bundesweite Initiative. Sie wurde erstmals 2014 und 2015 an sechs Standorten getestet. Aktuell nehmen 200 Jobcenter daran teil. Es fließen jährlich zehn Millionen Euro.
Im Juli waren in Witten 4.434 Menschen arbeitslos gemeldet. Langzeitarbeitslos waren davon 1.478 Personen – oder 33,3 Prozent.
Für das kommende Frühjahr sind zwei weitere Angebote geplant: eines im Südkreis, ein weiteres erneut in Witten und von der Quabed initiiert. Geschäftsführer Jan-Dirk Hedt plant, neben dem Parkplatz gegenüber den Räumen der Quabed an der Annenstraße, einen eigenen Obst- und Gemüsegarten anzulegen. Dort sollen die Teilnehmer „den gesamten Kreislauf vom Anpflanzen bis zum Verarbeiten kennenlernen“, sagt der 45-Jährige.
Der Selbstverteidigungskurs hat zumindest schon einmal sein Hauptziel erreicht: „Ich habe jetzt ein selbstbewussteres Auftreten, wenn ich draußen unterwegs bin“, sagt etwa Nadine Hensiek (37). Gemeinsam mit weiteren Teilnehmerinnen hat sie am Dienstag ihre Abschlussprüfung abgelegt und den weiß-gelben Gürtel im Ju-Jutsu verliehen bekommen. „Ich bin stolz, etwas erreicht zu haben. Man hat sonst so viele schlechte Sachen erlebt, auch beruflich“, freut sich Mitstreiterin Martina Schmidtmeier (57).