Witten. . Ein neues Gesetz bietet Langzeitarbeitslosen bessere Chancen. Klappt die Job-Vermittlung, fließen schon mal Tränen. Drei Betroffene erzählen.
Volker Heß ist ganz aus dem Häuschen: Der Wittener war 15 Jahre lang arbeitslos und hat nun über das Förderprojekt mit dem sperrigen Namen „Teilhabechancengesetz“ endlich einen richtigen Job gefunden. Er arbeitet bald als Kurierfahrer für die Caritas, die damit außerdem eine ganz neue Stelle geschaffen hat.
Auch wenn er sich anfangs dafür geschämt hat – inzwischen erzählt Volker Heß ganz offen seine Geschichte. Er habe „eigentlich nichts gelernt“, aber trotzdem immer irgendwie gearbeitet, zum Beispiel im Gartenbau. „Bis gesundheitlich gar nichts mehr ging.“ In den letzten Jahren seien nur Ein-Euro-Jobs drin gewesen. Aber, sagt er, „ich habe das gerne gemacht, weil es ein Zubrot war“. Obwohl Heß von Natur aus sehr sparsam ist, merkte er trotzdem bald: Ins Theater oder Kino gehen – das war nicht mehr drin. Freunde, mit denen er gerne unterwegs war, distanzierten sich.
Doch der 56-Jährige gab nicht auf. „Ich habe dem Jobcenter regelrecht die Türen eingetreten“, sagt er und möchte an dieser Stelle betonen: „Ich komme mit den Mitarbeitern dort gut klar.“ Durch die Zeitung und übers Internet habe er von „16i“, dem neuen Paragrafen für die Teilhabe am Arbeitsmarkt, erfahren. Heß hat sich mit Hilfe des Jobcenters selbst um die notwendigen Anträge gekümmert. Und dann hat er einfach bei der Caritas in Witten angerufen und nach einem Job gefragt. „Ich wollte gerne mit Menschen arbeiten.“
Als Caritas-Geschäftsführer Hartmut Claes ihm nach ersten Gesprächen schließlich sagte: „Sie haben die Stelle“, da standen Volker Heß die Tränen in den Augen. Als Kurierfahrer wird er nun die Mitarbeiterinnen des ambulanten Pflegedienstes entlasten, die dann nicht mehr wegen jeder fehlenden Mullbinde oder anderen Dingen zurück ins Büro fahren müssen – und wiederum mehr Zeit für die Patienten haben.
Insgesamt drei Stellen hat die Caritas über das Teilhabechancengesetz beantragt und hat außer Heß auch zwei neue Mitarbeiterinnen gefunden. Gabriele Weinerth betreut seit Anfang Januar die Anmeldung im Sekretariat des Migrationsdienstes. Dessen Leiterin Stephanie Rohde ist froh, „dass uns so jemand in die Tür purzelte“.
Wittenerin wollte wieder voll durchstarten
Denn Weinerth hat schon einiges geschafft: nicht nur das Abi und eine Ausbildung zur Arzthelferin. Sie hat nach der Scheidung zwei Töchter allein groß gezogen und eine Umschulung zur Industriekauffrau gemacht. Eine Erkrankung warf sie aus der Bahn, doch nach der Genesung wollte sie wieder voll durchstarten. Es hat geklappt. Auch im Alter von 59 Jahren noch. „Und dafür bin ich sehr dankbar“, sagt Gabriele Weinerth.
Arbeitslos nach der Trennung, das kennt auch die Dritte im Bunde. Die 46-Jährige, die ihren Namen nicht so gerne nennen möchte, ist nahtlos vom Projekt „Soziale Teilhabe“ in die neue Förderung gerutscht. Sie arbeitet jetzt als Büroassistentin in der Freiwilligenagentur Fokus. „Es gibt viele Wege, nun eine Stelle zu finden“, sagt Nadine Belohlavek, die das Projekt für den EN-Kreis koordiniert und die Anträge für alle drei Wittener genehmigt hat.
„Es ist toll, jetzt als vollständiges Mitglied auf dem Arbeitsmarkt akzeptiert zu werden“, sagt die neue Fokus-Büroassistentin. „Man ist wieder unter Leuten“, freut sich Gabriele Weinerth. Und Volker Heß träumt davon, sich irgendwann zum ersten Mal im Leben ein neues Auto kaufen zu können.
>> INFORMATION
- Der EN-Kreis kann drei Millionen Euro für das Teilhabechancengesetz (§16i) einplanen. Damit sind im Aufbaujahr 2019 rund 200 Arbeitsvermittlungen möglich. 45 Stellen sind schon besetzt. Die Teilnehmenden werden intensiv begleitet.
- Arbeitgeber, die nun Langzeitarbeitslose einstellen, profitieren insofern, als die Stellen bis zu fünf Jahre lang gefördert werden. Wer Interesse hat, meldet sich bei Gabriele Gaul, 02336-4448158.